Zeit ist das Geld der Linzer Tauschkreise

„Biete Fenster putzen.“ Oder: „Suche jemanden zum Reifenwechseln.“ So kurz lesen sich die Online-Inserate beim Linzer Tauschkreis „Wir gemeinsam“: „Jeder bietet bei uns das an, was er gut kann und gerne macht“, sagt Isabella Kitzler von „Wir gemeinsam“. Jede geleistete Stunde ist gleich viel wert. „Egal ob einer eine Stunde lang ein Küchenkastl repariert oder Vokabel prüft“, sagt Kitzler. Der im Juni 2012 gegründete Tauschkreis hat regen Zulauf und zählt mittlerweile 110 Mitglieder. Jedes Monat kommen ein paar Neue dazu. „Wir sind der Tauschkreis, der in der Region am schnellsten gewachsen ist“, sagt Kitzler. Im „Talente Tauschkreis Linz“ zählt man sogar 280 Mitglieder. Hier hilft man sich schon seit Ende der 1980er-Jahre gegenseitig.

"Ohne Geld keine Musi"

Doch auch Tauschkreise kommen nicht ganz ohne Währung aus: Statt der Geldscheine tauscht man Zeit. Verrechnet werden die „Talente“ – so der Name der Währung – über ein Onlinekonto. Bei „Wir gemeinsam“ gibt es die „Zeitscheine“ nicht nur elektronisch, sondern auch in Papierform.

Gemeinsam etwas schaffen

„Früher hat man sich beim Dorfbrunnen getroffen, geredet und sich ausgeholfen. Ein Tauschkreis ermöglicht das in einer Großstadt“, sagt Ursula Mikulaschek vom Talente Tauschkreis. Jeden ersten Freitag im Monat trifft man sich im Wissensturm zu einem „Markttag“. Neben den persönlichen Treffen und Online-Inseraten gibt es vierteljährlich eine Marktzeitung. Vom Teenager bis zur 90-Jährigen, von der Hausfrau bis zum Geschäftsmann trifft man sich zum Tauschen.
Auch Friedrich Schneider, Volkswirtschaftsexperte an der Linzer Johannes Kepler Universität, befürwortet die Tauschkreise, gibt aber zu bedenken: „So etwas kann nur im kleinen Kreis funktionieren. Da muss man immer aufpassen, dass niemand ausgenützt wird.“ Dass sich der „Talente Tauschkreis Linz“ nun schon seit mehr als 25 Jahren hält, überrascht ihn: „Da wird ja die Steuer kommen. Durch die Arbeit passiert ja eine stete Wertsteigerung. Mehr als zehn bis 20 Stunden darf man da nicht leisten.“ Passiert auch nicht. Die Tauschkreise sind Vereine. Die Arbeit, die angeboten wird, ist quasi ein Hobby der Mitglieder und kann ein reguläres Einkommen nicht ersetzen. Selbst eine Prüfung durch das Finanzamt vor zehn Jahren blieb ohne Ergebnis. „Solange man unter der Geringfügigkeitsgrenze von 365 Euro bleibt, hat man nichts zu befürchten“, sagt Mikulaschek. Bei „Wir gemeinsam“ ist man eine Spur strenger: „Was man gewerblich arbeitet, darf man im Tauschkreis nicht anbieten“, sagt Kitzler.

Alternative zur Wirtschaft

„Zu Beginn der Wirtschaftskrise hatten wir schon einen höheren Zulauf. Mittlerweile hat sich das aber wieder beruhigt“, sagt Mikulaschek. Die Vereine wollen das bestehende Wirtschaftssystem nicht ersetzen. Aber „Tauschkreise können ein Rettungsanker sein. Die Wirtschaft kann nicht unbegrenzt weiter wachsen, weil der Menschheit die Ressourcen ausgehen“, sagt „Wir gemeinsam“-Gründer Tobias Plettenbacher.