Linza G'schichten
Zu Besuch im letzten Tauschladen von Linz
Bei Hilde Schmickl werden seit bald 50 Jahren Heftromane, Zeitschriften und Comics getauscht. Heute kommen neben Stammkunden vor allem Nachbarn zum Tratschen und Sammler auf der Suche nach seltenen Ausgaben legenärer Romanserien.
LINZ. Unser Besuch im Tauschladen beginnt mit einem überraschenden Geständnis: Nein, selbst liest sie keine Romanhefte, erzählt Hilde Schmickl mit einem verschmitzten Lächeln, das man unter der FFP2-Maske allerdings nur erahnen kann. "Ich bin nie auf den Geschmack gekommen", sagt sie. Ihr seien "richtige Bücher" lieber. Das ist bemerkenswert, denn immerhin ist Frau Schmickl seit bald 50 Jahren von Stapeln dieser Heftchen umgeben.
Seit 1972 gibt es das kleine Geschäft in der Eisenhandstraße bereits. Hier findet man alles, was man als Heft- oder Groschenromane bezeichnet: Liebesromane, Western, Krimis, Utopia sind die Genres, die noch heute Menschen zu Hilde Schmickl locken. Die Hefte erscheinen im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Rhythmus und haben bis zu 60 Seiten. Es geht um leichte Unterhaltung ohne großen literarischen Anspruch, um Liebe, Berge, Adel, Ärzte und vieles mehr. Mit Groschen kommt man allerdings heute nicht mehr aus. Um die fünf Euro muss man etwa für ein romantisches Romanheft aus dem Cora-Verlag hinlegen. Die beliebteste der vielen Arzt-Serien "Dr. Stefan Frank" gibt es schon deutlich günstiger.
Die goldenen 80er-Jahre
Noch günstiger und vor allem platzsparender ist der Tausch. Das Prinzip ist einfach: Hat man ein Romanheft gelesen, kommt man in den Laden von Frau Schmickl und tauscht es gegen ein anderes. Dafür zahlt man eine kleine Gebühr. "Jetzt machen das nicht mehr so viele Leute", sagt Frau Schmickl, hauptsächlich älteres Publikum betritt ihren Laden. Die meisten sind Stammkunden, manche kommen einmal in der Woche. Viele sind von auswärts, denn vergleichbare Geschäfte, kennt Frau Schmickl nur mehr eines in Salzburg und zwei in Wien. Ganz anders war das noch in den 1980er-Jahren, der Boomzeit der Groschenromane. Allein in Linz gab es damals 14 Tauschgeschäfte. Neben den Romanen füllten bis in die 1990er-Jahre Comichefte die Regale. Westerngeschichten wie Bessy, Lasso, Buffalo Bill oder Silberpfeil begeisterten viele junge Menschen, ebenso wie die legendären Gespenster- oder Spuk-Geschichten. "Das hat sich alles aufgehört", sagt Frau Schmickl. Nur Mickey Mouse sei von dieser Zeit übriggeblieben.
Hier wird auch getratscht
Frau Schmickl hat früh Verantwortung übernommen. Das Geschäft gehörte einem Wiener, der nur einmal im Monat nachgeschaut hat. Als der in Pension gegangen ist, hat sie den Tauschladen übernommen. Nach all den Jahren und Jahrzehnten ist sie heute eine richtige Institution im Grätzel. Längst nicht alle kommen wegen der Romanhefte. Vor allem Menschen aus der Gegend besuchen sie einfach, um ein bisschen zu tratschen. Corona erschwert das gerade ein wenig, denn aufgrund der Größe darf immer nur eine Person in das Geschäft. Seit Corona hat Frau Schmickl auch nur mehr am Vormittag geöffnet. Das werde auch so bleiben.
Im Reich der Sammler
Zum Abschluss des Besuchs zeigt uns Frau Schmickl noch die wahren Schätze. Hinter dem Verkaufsbereich gibt es nämlich noch weitere Räume. Hier beginnt das Reich der Sammler, die von überall her zu Frau Schmickl kommen. Oft sind sie auf der Suche nach einem ganz bestimmten Heft, etwa von der Perry Rhodan, die berühmteste deutsche Science-Fiction-Reihe, die seit 1961 ununterbrochen erscheint. Auf einem eigenen Regal hat Frau Schmickl die Perry Rhodan-Hefte nach Hunderternummern gestapelt. Zwei bis drei Jahre möchte sie noch weitermachen, damit sie die 50 Jahre schafft, aber: "Wenn es mich freut, mache ich es vielleicht noch ein bisschen länger." Nachfolge ist jedenfalls keine in Sicht.
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