Interview
"Ich bin halt eine Kommunistin. Warum soll ich das verstecken?"

Gerlinde Grünn führt die KPÖ zum dritten Mal in eine Wahl und sieht sich als soziales Gewissen im Linzer Gemeinderat.  | Foto: BRS/Diabl
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Alle Spitzenkandidaten im Interview – an einem Ort ihrer Wahl. Heute: Gerlinde Grünn von der KPÖ über den öffentlichen Raum, sozialpolitische Erfolge, die Marke Kommunismus und ihren ersten Tag als Bürgermeisterin.

LINZ. Gerlinde Grünn ist seit zwölf Jahren die einzige Gemeinderätin der KPÖ in Linz. Sie führt die Partei zum dritten Mal in eine Gemeinderatswahl.

Unser Gespräch findet auf der Wiener Straße statt. Warum?
Die Wiener Straße kenne ich noch aus meiner Kindheit, weil ich mit meiner Großmutter vom Franckviertel hierher zum Einkaufen gegangen bin. Damals hat das noch Vorstadt geheißen. Heute ist in der Melicharstraße mein Arbeitsplatz. Ich bin jeden Tag hier unterwegs und das seit Jahren. Irgendwie hänge ich an der Gegend.

"Die Wiener Straße ist Linz im Kleinen"

Was hat sich hier in den letzten Jahrzehnten getan?
In der Wiener Straße spiegelt sich das ganze kommunalpolitische Geschehen der letzten Jahre wider. Südlich von hier müsste eigentlich schon ein Tower (Bulgari Tower, Anm.) stehen. Man weiß aber bis heute nicht, was passieren wird, weil der Investor nicht weitertut. Ich bin sehr froh darüber und viele Leute, die sich damals gegen dieses Hochhaus engagiert haben, sind das auch. Da ist die Otto-Glöckel-Schule, der SoMa-Markt, bei der Herz-Jesu-Kirche steht hin und wieder das Mobil von der Caritas, das Obdachlose versorgt. Stadteinwärts haben wir sehr viele Geschäfte, die von Migranten betrieben werden, eine bunte Mischung. Und hinter uns ist der Andreas-Hofer-Park, wo sich die Leute vor Jahren gegen eine Tiefgarage gewehrt haben. Es ist eine Gegend, wo sich unglaublich viel abspielt und wir sind mittendrin. Es ist Linz im Kleinen, nicht sehr schick, aber sehr liebenswürdig und lebenswert.

Was fehlt hier am meisten?
Die Verkehrssituation ist nicht ganz einfach. Die breiten Gehsteige sind gut, aber der Mittelstreifen, wo die Autos stehen, nicht. Eine Verkehrsberuhigung wäre wichtig.

"Es wird sehr eng für die Menschen"

Die sozialen Folgen der Corona-Krise kommen noch auf uns zu. Was muss die Stadt unternehmen?
Wir haben eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, die auch Menschen trifft, die bislang kein Problem gehabt haben, Arbeit zu finden. Und wir haben die Menschen, die in Kurzarbeit sind. Mein Friseur hat mir gesagt, er kommt nach eineinhalb Jahren Kurzarbeit mit dem Geld nicht mehr aus. Er kriegt weniger, ihm fehlen die Trinkgelder und er sieht sich nicht mehr raus. Ich merke das auch bei den Sozialberatungen, die ich mache. Es wird sehr eng für die Menschen. Darauf muss sich die Stadt einstellen. Es braucht Fördertöpfe für Menschen, die von Delogierungen betroffen sind, weil sie ihre Mieten und vor allem die gestundeten Mieten irgendwann zahlen müssen. Diesen Menschen muss man unter die Arme greifen. Auch sollte die GWG, die ja der Stadt gehört, gestundete Mieten aus der Zeit der Pandemie einfach erlassen. Man erlässt ja auch Schanigarten-Gebühren.

Die Stadtregierung hat einen Pakt für Linz geschnürt und investiert 65 Millionen Euro in fast allen Ressorts. Hat die KPÖ den Pakt unterstützt?
Wir haben zugestimmt, weil man Krisen durch Investitionen bekämpft. Das hat der Neoliberalismus lange geleugnet. Investitionen wie Schulsanierungen sind durchaus sinnvoll und es ist gut, dass man das vorzieht. Man kann natürlich darüber sprechen, ob jede Investition gut ist, aber im Großen und Ganzen sind das Investitionen, die man tätigen sollte.

"Man greift immer wieder auf das alte Haudrauf zurück"

Wo läuft es in Linz derzeit falsch?
Verkehrspolitisch hat sich leider nichts positiv verändert, es ist nach wie vor so, dass die Stadt den motorisierten Individualverkehr bevorzugt und die sanften Mobilitätsformen zu wenig fördert. Und im öffentlichen Raum kommt man nicht über Verbotspolitik hinaus. Es ist in all den Jahren nicht gelungen, bei Konflikten im öffentlichen Raum eine andere Kultur einziehen zu lassen, eine moderne Umgangsform mit bestehenden Konflikten, wie Alkohol im Park, Lärmbelästigung und dergleichen. Man greift immer wieder auf das alte Haudrauf zurück, Verbote, Vertreiben von Menschen, die nicht ins Bild passen. Das empfinde ich als eines der großen Mankos in Linz. Eine Studie der Kupfermuckn hat ergeben, dass sich das Klima gegen gesellschaftliche Randgruppen in Linz extrem verschlechtert hat. Es ist schon in der Verantwortung der Stadtpolitik, dafür zu sorgen, dass es ein gedeihliches Miteinander in der Stadt gibt.

Gerlinde Grünn beim Interview mit der StadtRundschau. | Foto: BRS/Diabl
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Bleiben wir beim Alkoholverbot: Haben Sie einen Lösungsvorschlag?
Prinzipiell gehe ich davon aus, dass sehr viele Konflikte etwas mit sozialen Lagen zu tun haben. Wenn ich die Obdachlosigkeit im öffentlichen Raum bekämpfen will, muss ich schauen, dass es eine gute Wohnungspolitik gibt. Wenn ich Suchtkranke im öffentlichen Raum habe, muss ich was für die Suchtprävention tun. Wenn ich ein Müllproblem habe, muss ich schauen, dass ich Müllvermeidung betreibe. Das geht nicht von heute auf morgen, aber die Stadt hat zehn Jahre nichts anderes getan, als Verbotspolitik zu betreiben. Wenn sie Geld in Konflikt-Interventionsteams anstelle der Stadtwache gesteckt hätten, dann wären wir schon weiter.

Aber diese Teams gibt es doch. Mitarbeiter der Volkshilfe unterstützen den Ordnungsdienst seit 2019.
Das Team ist sehr bemüht, aber das sind nur zwei Menschen mit geringer Stundenanzahl, deren Vorschläge offensichtlich auch ignoriert werden.

"Das ist ein sehr kleingeistiger Zugang"

Ist ein Alkoholverbot selbst als Ultima Ratio für Sie ausgeschlossen?
Der öffentliche Raum ist doch nicht gesetzesfrei. Es gibt Gesetze, die von der Polizei vollstreckt werden. Wenn jemand die öffentliche Ordnung verletzt, dann ist das ein ganz klarer Tatbestand. Nur weil sich eine ganz kleine Gruppe von Menschen danebenbenimmt, kann ich nicht eine viel größere, völlig unauffällige Gruppe bestrafen oder mitbestrafen. Das ist ein sehr kleingeistiger Zugang und nicht zielführend. Es gibt natürlich auch Parteien, die davon leben, diese Konflikte möglichst lange am Leben zu erhalten.

Die KPÖ setzt in Linz auf Themen wie Radfahren, Baumschutz, Kultur. Ist man da als Wähler nicht bei den Grünen besser aufgehoben, die immerhin in der Stadtregierung sind?
Eine Partei, die sich kommunalpolitisch engagiert, sollte sich möglichst breit mit Themen beschäftigen. Die Erfolge der KPÖ sind aber im sozialpolitischen Bereich, wie etwa der Kautionsfonds. Der unterstützt Menschen, die die Kaution für eine neue Wohnung nicht aufbringen können, durch ein zinsfreies Darlehen. Das gibt es nur, weil die KPÖ das mit einem Antrag initiiert hat. Auch die Reform des Solidaritätsfonds ist ein Erfolg. Den hat die Stadt Linz in der Corona-Pandemie eingerichtet, um Menschen zu unterstützen. Durch unsere Anfrage ist herausgekommen, dass die Stadt bis November erst 3.000 Euro ausbezahlt hat, weil die Formulare so kompliziert waren, dass nicht einmal ein Jus-Studium gereicht hätte, um das ordnungsgemäß auszufüllen. Wenn die KPÖ das nicht beeinsprucht hätte, wäre das nie ans Licht gekommen, die Million wäre ungenutzt herumgelegen und die Stadt hätte trotzdem gesagt, wir tun eh so viel. Darum sind wir das soziale Gewissen. Es ist auch so, dass soziale Themen in der medialen Aufmerksamkeit weniger durchdringen als spektakulärere Themen für stimmkräftige Menschen, wie Stadtplanung und Verkehrspolitik.

In Linz wird viel über den sogenannten Politischen Islam diskutiert. Was ist eigentlich die Position der KPÖ dazu?
Natürlich hat die KPÖ eine Position, vor allem wenn es um faschistische Gruppierungen geht. Wir haben uns immer dagegen ausgesprochen, dass zum Beispiel Avrasya oder die Grauen Wölfe als Vereine in der Stadt subventioniert werden. Genozide, wie den an den Armeniern, leugnen oder Antisemitismus geht gar nicht. So wie das gerade die ÖVP auf kommunalpolitischer Ebene betreibt, kommt es mir beim Islamismus aber vor, als ob das dem Hindreschen auf Minderheiten geschuldet ist. Da geht es weniger darum, antisemitische, sexistische, rassistische Dinge zu kritisieren, sondern um Feindbilder zu kreieren und sich abzugrenzen. Fundamentalistische religiöse Strömungen gibt es ja nicht nur im Islam, sondern auch im Christentum.

"Wir müssen uns vor dem Wahltag nicht fürchten"

Mit dem Wandel kandidiert eine Partei, die der KPÖ inhaltlich sehr ähnlich ist. Ist damit der Traum vom zweiten Mandat wieder geplatzt?
Ob Träume platzen, werden wir sehen. Das gilt für alle Mitbewerber. Es ist halt so, dass bei dieser Wahl wieder unterschiedlichste Kleinstparteien antreten. Wenn Mitbewerber Ähnlichkeiten mit unserer Programmatik haben, dann ist das auch nichts Schlechtes. Wir werden sehen, wie sich die Wähler entscheiden. Was wir schon mitbringen, sind zwölf Jahre aktive Kommunalpolitik. Man kann sich anschauen, wie wir Politik gemacht haben. Wir stehen für ehrliche und engagierte Oppositionspolitik, bespielen ein breites Feld und ziehen uns nicht nur auf einen kleinen Schrebergarten zurück. Ich denke, wir können viel vorweisen und müssen uns vor dem Wahltag nicht fürchten.

Was ist Ihr Wahlziel?
Unser Ziel ist es, als KPÖ stärker zu werden. Wir haben mit Michael Schmida einen sehr engagierten zweiten Kandidaten, der ein zweites Mandat auch wahrnehmen könnte. Das wäre eine Sache, die Linz guttun würde.

Die Marke „Kommunismus“ ist – höflich ausgedrückt – etwas ramponiert. Warum gehen Sie schon wieder mit diesem Rucksack in die Wahl?
Ich möchte nur auf Graz verweisen, wo die KPÖ 20 Prozent hat. Alleine am Namen dürfte es nicht liegen. Es ist nun einmal so: Wir kandidieren wieder als KPÖ und ich muss verraten: Ich bin halt eine Kommunistin. Warum soll ich das verstecken? Warum soll ich das, was ich zwölf Jahre gemacht habe, hinter etwas anderem verstecken, nur weil man sich mehr Erfolg erhofft. Das ist ja Rosstäuscherei. Aber wer weiß, die Zukunft ist offen. 

"Die ersten drei Tage wird gefeiert"

Was würde Gerlinde Grünn an ihrem ersten Tag als Bürgermeisterin machen?
Es gibt ein sehr schönes Lied von Rio Reiser, „Wenn ich König von Deutschland wäre“. Also, am ersten Tag würde ich ein großes Fest für alle geben, ohne Ausschlüsse, für alle Menschen, die für mich zur Stadtbevölkerung dazugehören, vom Menschen, der am Rand steht, genauso wie dem braven Bürger in der Mitte der Gesellschaft. Die ersten drei Tage wird gefeiert.

Gerlinde Grünn führt die KPÖ zum dritten Mal in eine Wahl und sieht sich als soziales Gewissen im Linzer Gemeinderat.  | Foto: BRS/Diabl
Gerlinde Grünn beim Interview mit der StadtRundschau. | Foto: BRS/Diabl
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