Interview
Klaus Luger: "Linz war hundsfad"
Wir haben mit Klaus Luger über Geschichte, Identität und den Lokalpatriotismus in Linz gesprochen.
Adolf Hitler hatte starken Linz-Bezug. Wie geht man als Stadt mit so einem Erbe um?
Klaus Luger: Bewusst und auch offensiv. Linz war in den 80er-Jahren auch durch das Engagement meines Vorgängers Franz Dobusch die erste Stadt Österreichs, die ihre Rolle in der NS-Zeit aufgearbeitet hat. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich dieser Vergangenheit zu stellen.
Wie ist das Verhältnis zur jüdischen Gemeinde heute?
In den letzten 25 Jahren haben wir ein unkompliziertes, sehr offenes, vertrauensvolles Verhältnis gehabt. Auch weil man uns die tabulose Aufarbeitung der Vergangenheit abnimmt und wir auch jetzt immer klare Worte finden, wenn es um Antisemitismus geht.
Die große Linz-Erzählung ist der Weg von der Industrie zur Kultur. Wie sehen Sie das?
Ich spreche nach wie vor von der Industriestadt und bin der Überzeugung, dass wir auch eine solche bleiben sollen. Die Industrie ist das Rückgrat des Wohlstands. Sie wird sich aber wie unser ganzes Leben weiter digitalisieren. Diese Herausforderung müssen wir akzeptieren und bewältigen. Daneben hat sich aber viel verändert, das kulturelle Angebot ist unheimlich vielschichtig geworden.
Was sind Ihre persönlichen Erinnerungen an Linz?
Als ich 1979 maturiert habe, hat es in der Stadt einmal im Monat ein Jazz-Konzert gegeben, die Stadtwerkstatt und das E-Schmid. Der Rest war ultralangweilig, einfach eine hundsfade Stadt. Wer immer ein wenig Anspruch gehabt hat, wollte weg. Linz hat sich dann aber massiv verändert. Da waren die Kulturinitiativen wichtig und das Match um den Posthof. Mit der Krise der Industrie 1987 ist die Stadt in ein Identitätsproblem gestolpert. Es galt, die Stadt wieder neu aufzustellen. Aber der Hintergrund war immer Industrie.
Viele Linzer sind sehr lokalpatriotisch. Warum das?
Ich erlebe das so. Vor 40 Jahren ist man als Linzer in Wien oft ein wenig belächelt worden. Heute sind wir deswegen so stolz, weil wir eine sehr spät gekommene Stadt sind, die 1945 als unfreiwillig entstandene Industriestadt dagestanden ist. Wir waren dann unheimlich stolz auf unsere Aufbauleistung, die zu Recht mit Unternehmen wie der Vöest, der Chemie und der Schiffswerft assoziiert wird. Und dann ist das alles zusammengebrochen. Ich denke, dass da eine Transformation im Bewusstsein stattgefunden hat, indem wir "Ja zur Industrie, aber nicht nur" gesagt haben. Wir sind jetzt wieder stolz drauf, Industriestadt zu sein, aber gleichzeitig aus dieser Stadt Ungewöhnliches entstanden ist. Wir haben zwar keinen Mozart, aber es sind aus Linz in den 70er- und 80er-Jahren Künstler gekommen, die Graz und Salzburg nicht haben. Die erste echte Musikszene abseits des Mainstreams war in Linz. Darauf kann man berechtigt stolz sein. Die Stadt ist vielschichtiger, offener und hat heute auch einen anderen Umgang mit gesellschaftlichen Problemen.
Was macht Linz heute aus?
Wir haben verborgene Werte, die nicht touristisch sind. Linz hat eine irre Lebensqualität und eine hohe Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, viele Bildungsangebote und ein gues soziales Netz. Ich glaube, wir sind weniger kleinkariert als in der Vergangenheit, auch im Vergleich zu manch anderer Landeshauptstadt. Das macht den Mix aus. Deshalb ist man heute stolz auf Linz.
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