Interview
"Wie wir mit historischer Bausubstanz umgehen, wird uns noch sehr leidtun"

Ulrich Aspetsberger ist Obmann des afo architekturforum oberösterreich. | Foto: Goetzi Memosh
3Bilder
  • Ulrich Aspetsberger ist Obmann des afo architekturforum oberösterreich.
  • Foto: Goetzi Memosh
  • hochgeladen von Christian Diabl

Der Linzer Architekt Ulrich Aspetsberger verrät im Gespräch, welchen Wert historische Bauwerke haben, warum er ein Fan des Denkmalamts ist, wie man mit Investoren umgehen sollte und vieles mehr.

LINZ. Ulrich Aspetsberger ist Architekt bei Caramel architekten und Obmann des afo architekturforum oberösterreich.

Sie haben den Abriss des Haus Weinmeister am Pöstlingberg bedauert. Warum?
Aspetsberger: Leider hat das Denkmalamt aus meiner Sicht enttäuschend reagiert. Die hätten den Abriss verhindern können. Aber ich maße mir nicht an, das Gutachten der Fachleute infrage zu stellen. Ich kenne es nicht.

Das Denkmalamt sagt, dass es vergleichbare Villen gibt, die die Zeit der 1930er-Jahre in einem authentischeren Zustand dokumentieren.
Ich kenne den Pöstlingberg sehr gut. Es gibt da einige Häuser aus dieser Zeit, aber so etwas wie das Haus Weinmeister habe ich auf der ganzen Welt noch nicht gesehen. Für mich hat es eine große Eigenständigkeit gehabt, sehr schöne Proportionen.

Warum ist es wichtig, historische Bausubstanz zu bewahren?
Wie wir seit Generationen mit unserer historischen Bausubstanz umgehen, wird uns noch sehr leidtun. Linz hat da eine ganz schlimme Tradition, von der Wollzeugfabrik über das Schloss Hagen bis zur Eisenbahnbrücke. Problematisch ist auch der Umgang mit 1950er-Jahre-Architektur, wie dem ABC-Buffet. Gute Qualität gibt es in allen Epochen, da wurde überhaupt nicht unterschieden. Es gibt auch noch den Klimawandel. Wir wissen, dass das Baugewerbe ein ganz großer Treiber in unserer CO2-Bilanz ist und alleine aus diesem Grund muss ein Umdenken stattfinden. Es ist bei uns zu einfach, Substanz – unabhängig davon, ob sie historisch wertvoll ist oder nicht – ohne genauere Analyse wegzureißen und neu zu bauen.

"Brachen nutzen, statt umwidmen"

Ist das ein Linzer Problem?
Das ist in ganz Europa so. Aber fragen Sie zehn Baumeister in Oberösterreich zu einem beliebigen Objekt – von neun werden Sie die Antwort „Wegreißen“ bekommen. Ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht und es ist nicht zuletzt ein ökologischer Ansatz, zu sanieren und vor allem Brachen zu nutzen, anstatt umzuwidmen. Bauen ist die zweite Front, die Umwidmung von Grünland ist die erste.

Erhaltenswert oder nicht? Der Abriss der Villa Weinmeister am Pöstlingberg sorgt für viele Diskussionen.  | Foto: Gerald Sopper
  • Erhaltenswert oder nicht? Der Abriss der Villa Weinmeister am Pöstlingberg sorgt für viele Diskussionen.
  • Foto: Gerald Sopper
  • hochgeladen von Christian Diabl

Aber ist es aus Sicht eines Investors oft nicht billiger, neu zu bauen?
Aus einer gewissen Sicht ja. Wenn ich als Investor Einheiten schaffen und sofort wieder verkaufen will, dann versuche ich natürlich möglichst viel Fläche zu generieren. Da ist manchmal ein Gebäude im Weg. Beim Haus Weinmeister war es bis zu einem gewissen Grad im Weg, obwohl es eigentlich sehr schön am nördlichen Rand des Grundstücks stand. Man hätte noch einiges daneben bauen können. Aber so bekommt man sicher mehr Quadratmeter heraus. Als Gesellschaft ist das wahnsinnig kurzsichtig. Dieses extreme Billig-Bauen, und da ist Oberösterreich wirklich ganz besonders schlimm, ist das gesellschaftlich teuerste. Ich schaffe mir in kürzester Zeit Gettos und in 20, 30 Jahren hat man einen Sondermüllhaufen, der entfernt werden muss. Wer billig baut, baut letztendlich sehr teuer, weil man die Lebenszykluskosten eines Hauses nicht ganzheitlich betrachtet.

"Ich bin ein Fan des Denkmalamts"

Die Gebäude sind Privatbesitz. Was soll und kann eine Gemeinde da tun?
Das ist natürlich sehr heikel. Das Denkmalamt ist eine unabhängige Stelle, auch wenn man manchmal den Eindruck hat, es wird von außen erfolgreich interveniert. Die agieren langfristig im öffentlichen Interesse und können viel bewirken. Das passiert auch. Ich bin ein großer Fan des Denkmalamts, weil bereits sehr viel erhalten wurde. Es ist nur notorisch unterbesetzt und muss den Spagat zwischen Verhindern und Zulassen schaffen. Die Raumordnung muss unbedingt auch dem Einfluss der Politik entzogen werden. Als Bürger können wir die Sicht schärfen und den Leuten die Verantwortung bewusst machen. Wir haben in Österreich das Glück, dass im Krieg sehr viel mehr verschont geblieben ist als in vielen deutschen Städten. Und heute reißt man es weg. Aber wenn man es einem Investor leicht macht, über alles zu verfügen, dann liegt es in der Natur der Sache. 

Wie könnte man das dem Investor schwerer machen?
In Wien gibt es Ensembleschutz oder Schutzzonen über gesamte Innenstadtbezirke. Und vor zwei Jahren wurde das noch einmal radikal novelliert. Jetzt kann überhaupt keine alte Substanz mehr so mir nix, dir nix abgetragen werden. So hat man es geschafft, das berühmte Wien, das sehr viel der Architektur verdankt, zu bewahren. In Linz fehlt ein Bekenntnis zum Erhalt historischer Substanz. Obwohl es über die Ediktalverordnung, die man zur Nachverdichtung nutzt, einige Hebel gäbe.

Ist wirklich jedes Gründerzeithaus erhaltenswert?
Nein, natürlich nicht. Es ist auch eine philosophische Frage, was mehr wert ist, der tatsächliche Wert einzelner besonderer Bauten oder das Bild einer Stadt. Man könnte da durchaus auf das Wort der Bürger hören. Jedem gefällt eine historische Altstadt, auch wenn sie nur 100 Jahre alt ist, besser als moderner Städtebau. Auch sind die Gründerzeithäuser robust und in hohen Räumen wird sehr gerne gelebt. 

"Sammelgaragen wären besser"

Das sehen nicht alle so. Es fehlen Tiefgarage und Barrierefreiheit.
Es gibt sehr gute Beispiele, wie man Gründerzeithäuser barrierefrei macht und auch die Autos in irgendeiner Form unterbringt. Klar: Billiger ist es, zuerst eine Garage und dann ein neues Haus darauf zu bauen. Gesellschaftlich besser wären Sammelgaragen, die vielleicht in 30 Jahren nicht mehr gebraucht werden, und die Leute dazu zu animieren, ein paar Schritte zu gehen.

Abriss eines Hauses in der Hamerlingstraße. | Foto: BRS/Diabl
  • Abriss eines Hauses in der Hamerlingstraße.
  • Foto: BRS/Diabl
  • hochgeladen von Christian Diabl

Manche lassen alte Häuser verkommen, um sie dann abreißen zu können. Was kann man dagegen tun?
Die Leerstandsabgabe wäre eine alte Forderung. Es mangelt aber an einer Analyse von Brachen- und Leerständen. Da gibt es nur Schätzungen. Wir hätten in OÖ vermutlich genug Bauland für die nächsten zehn Jahre, wenn man die Brachen bebauen würden. Ein anderer Aspekt ist ein Bebauungsplan, der das Doppelte an Quadratmetern an einem Bauplatz mit Gründerzeithaus zulässt, wie in der Humboldtstraße. Wenn man weiß, dass das Haus in fünf Jahren abbruchreif ist und man dort die doppelte Fläche errichten kann, ist der Mietentfall egal. Ich glaube, dass es eine Stadt wie Linz auch aushält, mitunter ein Haus zu verlieren. Es geht mir nur ein bisschen zu schnell. 

Was macht Linz als urbaner Raum für Sie aus?
Linz hat die Riesenqualität, dass die Donau durch die Stadt fließt. Dieser tolle Mehrwert wird langsam begriffen und genutzt. Das Zweite ist die Größe dieser Stadt. Als Ballungsraum ist Linz ja deutlich das zweitgrößte städtische Gebiet Österreichs. Es gibt ein Leben in der Stadt. Schön langsam wird auch mehr Wert auf die Räume zwischen den Häusern gelegt. Linz ist eine relativ grüne Stadt, hat relativ viele Parks und großartige öffentliche Fläche zwischen den Häusern und entlang der Donau, die hoffentlich schön langsam umgestaltet werden. Das Dritte ist die eigentlich kleine Kerngröße der Stadt. Man kann tatsächlich innerhalb kürzester Zeit im echten Grün sein.

"Es geht um ein Geben und Nehmen"

Oft wird kritisiert, die Stadt würde Investoren bei großen Projekten zu wenig abverlangen. Wie sehen Sie das?
Ja, da stimme ich grundsätzlich zu, wobei das kein Investoren-Bashing sein soll. Wir brauchen Investoren, aber es geht um ein Geben und Nehmen. Die große Kritik ist ja nicht nur, dass man den Investor walten lässt und Gewinnmaximierung ohne Gegenleistung zulässt, sondern dass das überall in der Stadt passieren kann. Zwar gibt es eine Reaktion auf diese Kritik, aber es dauert, bis die spürbar ist. Man kann eine Wertschöpfungsabgabe fordern oder eine Durchmischung zugunsten von sozialem Wohnbau.

Sie sprechen die Hochhäuser an?
Der „verhasste“ Bruckner Tower hat immerhin eine Schule. Ich will das Projekt nicht verteidigen, aber es ist eines der wenigen, wo tatsächlich eine Wertschöpfungsabgabe entrichtet wurde. Für jeden Quadratmeter, der Gewinn bringt, fließt über die Steuer hinaus etwas in der Kasse der Landesregierung. Es ist trotzdem kein vorbildliches Projekt, weil Bauen immer problematisch ist, wenn subjektive Rechte der Anrainer verletzt werden. Umso größer ein Bau ist, desto tragischer ist das. So kann es sein, dass ich jahrzehntelang auf meiner Terrasse sitze und auf einmal bläst mir der Fallwind vom Nachbarn den Kaffee aus der Tasse oder ich habe ein paar Stunden Schatten. Wir sind uns alle einig, dass verdichtet werden kann, aber ein Hochhaus in einer bereits bebauten Gegend ist der falsche Weg. Man sollte auch nicht einzelne Punkte aus einem Gebiet rausnehmen. So kann man schon den Eindruck gewinnen, dass einzelne Investoren in Linz bevorzugt werden, weil man ihr Grundstück mit einer Bebauungsplanänderung vergoldet.

Würden bei ausgewiesenen Hochhaus-Zonen nicht die Preise sofort in die Höhe schießen?
Das ist nicht von der Hand zu weisen. Es wäre aber ganz einfach, zu sagen, dass ein Hochhaus im innerstädtischen Bereich eigentlich nichts verloren hat, soweit jetzt schon dort gelebt und gewohnt wird. Im Hafen unten könnte das etwas anderes sein. Aber das Argument ist richtig: Wir haben ein Riesenproblem, weil Flächen für sozialen Wohnbau fehlen.

"Die Art der Bestellung ist nicht objektiv"

Es gibt neben Bebauungs- und Flächenwidmungsplan noch den Gestaltungsbeirat und die städtebauliche Kommission. Reichen diese Instrumente?
Grundsätzlich sind diese Instrumente hervorragend. Der Gestaltungsbeirat ist ein Spitzeninstrument und ich halte auch die städtebauliche Kommission für ein ganz wichtiges Instrumentarium, das gestärkt und reformiert werden muss. Das ist keine Kritik an den dort agierenden Personen, das sind lauter Spitzenfachleute. Aber ich kritisiere die Schwächung der Kommission durch die Art der Bestellung, die nicht objektiv ist. Das kann nur ein gut besetztes Gremium von Fachleuten sein, die in einem Turnus wechseln und nie zu lange an der einen Position sitzen. Dann erst ist die Kommission ähnlich wenig angreifbar wie der Gestaltungsbeirat.

Mit Anfang März kommt ein neuer Stadtplanungsdirektor. Welche Rolle kann so eine Person spielen?
Leider hängt es tatsächlich sehr oft an Personen. Es geht darum, gemeinsam mit der städtebaulichen Kommission Planungskompetenz auf den Weg zu bringen, nicht im stillen Kämmerchen, sondern in breiteren, wenn auch nicht basisdemokratischen, Diskussionen, begleitet von Fachpersonen. Ich hoffe nur, dass man sich nicht im Kleinkrieg verliert, sondern sich auf einen guten Weg einigt und tatsächlich eine Planungslinie vorgibt. Dann werden auch die Vorwürfe leiser, man würde sich alles von Investoren gefallen lassen. Man muss einen Weg finden, um die Stadt gemeinsam mit den Investoren zum Wohle aller zu entwickeln.

Villa Weinmeister : "Der Abrissbescheid ist bereits raus"
Anzeige
1:46
1:46

WKOÖ Maklertipp
Rechtsschutzversicherung: Sichern Sie Ihr Recht!

Eine Rechtsschutzversicherung schützt Sie vor den Folgen von vielen möglichen Konfliktfällen – vor allem finanziell.  Es gibt viele Gründe für einen Streit vor Gericht: Angenommen, Ihr Vermieter erhöht den Mietzins in ungerechtfertigter Weise, Ihr Hund läuft einem Biker vor das Rad, Ihnen wird nach einem Verkehrsunfall das Schmerzensgeld verwehrt oder Ihr Arbeitgeber zahlt die Überstunden nicht. Von all diesen Fällen haben Sie schon gehört oder Sie haben sogar schon selbst eine solche oder eine...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Linz auf MeinBezirk.at/Linz

Neuigkeiten aus Linz als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Linz auf Facebook: MeinBezirk.at/Linz - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Linz und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.