Forensic Nurse
"Ich könnte ihnen da von Grauslichkeiten erzählen"
Die Linzer Uniklinik nimmt in Sachen Opferschutz eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Von insgesamt nur 18 ausgebildeten Forensic Nurses, die es derzeit in Österreich gibt, versehen gleich drei ihren Dienst in Oberösterreichs größtem Spital. Dass es dazu überhaupt kam, ist nicht zuletzt dem unermüdlichen Einsatz einer ganz besonders engagierte Krankenpflegerin zu verdanken.
LINZ. Monika Kern ist einer jener Personen , die im Kepler Universitätsklinikum (KUK) dem sprichwörtlichen Inventar zugeschrieben werden. Das hat gewissermaßen auch seine Richtigkeit, denn seit fast 40 Jahren ist die 57-Jährige Krankenpflegerin bereits im KUK und dessen Vorläufern tätig. Ihre Ausbildung begann Kern am 1. Oktober 1984, sie sammelte über die Jahre auf zahlreichen Stationen eine Vielzahl an unterschiedlichsten Erfahrungen und ist heute Leiterin des 34-köpfigen Gewaltopfer-Betreuungsteams.
"Da muss es mehr geben"
Die Motivation für ihr ausgeprägtes Engagement im Opferschutz, sei dabei ganz zufällig zustandegekommen. "Ich habe 2007 während meiner Zeit auf der Gynäkologie, einen schrecklichen Fall einer Vergewaltigung unter Verwendung von K.O.-Tropfen gesehen. Damals gab es noch keine wirklich standardisierte Betreuung und Dokumentation. Das hat mich so geärgert, dass ich gesagt habe da 'muss es mehr geben", erzählt Kern. Schon wenig später wurde auf ihr Bestreben damit begonnen den Opferschutz zu professionalisieren, mehr als 2.800 Fälle sind seither, intensiv betreut worden.
Forensic Nurse
Seit wenigen Wochen ist Kern auch eine der ersten 18 "Forenisc Nurses" in Österreich und eine von dreien am KUK. "Das gab es bislang nur in den USA und der Schweiz, letztes Jahr wurde dann endlich der erste Lehrgang in Innsbruck durchgeführt", so die 57-Jährige, die auch entscheidend an der Realisierung des zehnmonatigen Kurses beteiligt war. In Theorie und Praxis lernten die Teilnehmer etwa wie man zwischen unfallbedingten, selbstbeigebrachten und deliktisch beigefügten Verletzungen unterscheidet. "Hat ein Opfer zum Beispiel mehrere blaue Flecken in verschiedenen Farben, dann sind diese Hämatom unterschiedlich alt und können nicht vom Stolpern gegen den Türstock kommen", erklärt die Krankenpflegerin.
Gerichtlich verwertbare Beweise
Ein weiterer Ausbildungsschwerpunkt war zudem die richtige Beweissicherung. "Nur mit gerichtlich verwertbaren Beweisen, kann ein Opfer später vor Gericht gegen seinen Peiniger vorgehen", betont Kern. Ähnlich wie bei einer polizeilichen Tatortermittlung, nimmt die Forensic Nurse DNA-Spuren, asserviert Beweismittel wie befleckte Kleidungsstücke, dokumentiert Verletzungen fotografisch und nimmt, wenn nötig, Blut- und Harnproben, etwa bei Verdacht auf K.O.-Tropfen. "Hier muss man unbedingt rasch handeln, denn diese Drogen sind oft nur sechs bis zwölf Stunden nachweisbar", appelliert Kern an mögliche Opfer.
Nachts und betrunken
Gesehen hat Kern schon so ziemlich alles: "Schläge, Tritte, Schläge mit Gegenständen, ausgedrückte Zigaretten auf der Haut, ich könnte ihnen da von Grauslichkeiten erzählen", so die 57-jährige, die auch nach all den Jahren noch sagt: "Man kann es oft gar nicht glauben wozu Menschen alles in der Lage sind anderen anzutun". Dabei gäbe es weder typische Opfer noch Täter, der Richter schlage genauso seine Frau wie der Arbeitslose und auch in homosexuellen Beziehungen gäbe es nicht weniger Gewalt, erklärt Forensic Nurse Kern. Was viele Taten aber eine, sei der Zeitpunkt. "Die meisten Fälle haben wir Nachts und am Wochenende und fast immer ist Alkohol im Spiel".
Opferschutz soll in die Ausbildung
Mit all dem umzugehen, sei nicht immer leicht, man müsse sich klar abgrenzen und seine Rolle kennen, ansonsten würde man zu viel mit nach Hause nehmen. "Wir unterstützen uns auch Gegenseitig im Rahmen von regelmäßigen Nachbesprechungen", so Kern, die sich vor allem ärgert wenn Opfer so unter Druck stehen, dass sie keine Anzeige erstatten. "Manche brauchen leider ein paar Anläufe, bis sie soweit sind, wir sind jedenfalls Tag und Nacht für sie da. Im KUK sind wir mit mit insgesamt 34 Personen – die alle fachlich top sind – in der Opferschutzgruppe super aufgestellt". Für die Zukunft wünscht sich Kern dennoch mehr Forensic Nurses: "Das sollte es eigentlich in jedem Spital geben. Besonders wichtig wäre es außerdem, den Opferschutz endlich in die Krankenpflegeausbildung aufzunehmen."
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