Zu Besuch bei der Suchthilfe Jedmayer
"Mariahilf ohne Jedmayer" fordert eine Bürgerinitiative. Vertreter waren nun selbst dort – zur Besichtigung.
MARIAHILF/RUDOLFSHEIM-FÜNFHAUS. "Das Jedmayer soll an den Stadtrand abgesiedelt werden", fordert Adrian Hollaenders Bürgerinitiative "Mariahilf ohne Jedmayer". Grund dafür seien Sicherheitsbedenken von Bürgern. Wiens Drogenkoordinator Ewald Lochner lud jetzt mit Jedmayer-Leiter Roland Reithofer in das Suchthilfe-Zentrum am Gumpendorfer Gürtel ein.
Rat und Spritzentausch
Der Empfangsdame entgeht nichts: Zur Besichtigung darf man nur mit Anmeldung. Einmal herinnen, wird man vom Hausherrn Reithofer freundlich empfangen und durch das helle und saubere Gebäude geführt. "Im Erdgeschoß werden die Suchtkranken von unserem Fachpersonal empfangen, dann wird abgeklärt: Braucht jemand Beratung, medizinische Betreuung – oder will er nur Spritzen tauschen?" Der Spritzentausch erfolgt anonym und unbürokratisch, jedoch ausschließlich im Verhältnis eins zu eins: für je eine abgegebene Spritze erhält man eine neue. "Unsere Rücklaufquote beträgt 98,5 Prozent", erklärt Reithofer stolz. "Wozu gibt es den Spritzentausch?", fragt eine Dame aus der Bürgerinitiative.
Zuwenig Polizisten im Bezirk
Drogenkoordinator Lochner erklärt, dass der Sinn des kostenlosen Tauschs die Versorgung mit sauberem Spritzenmaterial sei, um etwa AIDS-Infektionen zu verhindern. "Jede hier abgegebene Spritze bedeutet eine weniger etwa in Parks oder in Hauseingängen", ergänzt Bezirksvize Michi Reichelt (Grüne).
Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) sagt, dass die Probleme mit Suchtkranken im Bezirk auch von zu wenig Polizisten herrühren: "Die Kollegen in der Polizeiinspektion Stumpergasse reißen sich den Haxen aus, weil sie in Mariahilf nicht mehr fertig werden. Seit vier Jahren hat der Bezirk Räume oberhalb der Polizei reserviert, damit die Inspektion vergrößert werden kann. Aber die Bundesregierung tut nichts."
Rudolfsheims Bezirkschef Gerhard Zatlokal (SPÖ) sagt, dass Suchtkranke in Kellern oder Stiegenhäusern Drogen konsumieren würden. "Es gibt im Bereich von Maria vom Siege und in der Mittelzone Beschwerden. Sie sind mehr geworden, und das ist spürbar", so Zatlokal. "Wir schicken jetzt verstärkt Sozialarbeiter und auch die Polizei dorthin – aber nicht, um Drogenkranke zu bestrafen, sondern um herauszufinden, woher das alles kommt."
Medizinische Hilfe im Ambulatorium
Im ersten Stock liegt das Ambulatorium, wo Suchtkranke medizinische Hilfe erhalten. "Durch den Drogenkonsum und den dauernden Stress altern sie viel früher, als gesunde Menschen – und haben auch entsprechende Krankheiten", klärt Arzt Hans Haltmayer. Verschreiben die Jedmayer-Ärzte etwa Substitutionsmittel, nehmen die Suchtkranken diese auch gleich vor Ort ein.
Warum das Jedmayer nicht am Stadtrand liegt, wo weniger Anrainer wohnen, fragt Hollaender, der in dieser Frage von Leo Kohlbauer (FPÖ) unterstützt wird. "Suchthilfe am Stadtrand wäre nicht zentral erreichbar und würde nicht in Anspruch genommen", erklärt Lochner. "Dann gäbe es mehr Drogenkranke im öffentlichen Raum, um die sich auch niemand kümmern würde. So würden die Menschen noch kränker – und das Sozialsystem noch stärker belastet. Die Kosten würden steigen."
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