High Noon an Tankstelle in Neudörfl
Streit an Zapfsäule eskaliert: Pensionist vs Autolenkerin
High Noon bei einer Tankstelle. Zwei Kontrahenten. Zwei Autos. Eine Zapfsäule. Gedränge. Zu kurzer Schlauch. Großer, starker Mann vs. kleine, zarte Frau. Und schon gehts los. Der Lenker spricht laut über Rücksichtlosigkeit. Die Fahrerin versteht die Aufregung nicht. Emotions-Explosion. Das Gebräu spannungsgeladener Atmosphäre mündet beim Herrn Ingenieur in einer Vorwurfsorgie deftigster Sprache: „Du deppade, grindige H...e“, „Ich lege dir eine auf“, „Ich wünsche dir, dass dir ein Brummer übern Schädl fährt“. Die Dame retourniert: „Ich wünsche ihnen einen schönen Tag!“ Showdown vor Gericht...
NEUDÖRFL. Spannung liegt in der Luft, als der Angeklagte den Saal 8 betritt. Ein graumelierter Pensionist nahe der 70er, mit korpulenter Statur, zirka 185 cm groß, salopp gekleidet. Seine Stimme laut und kräftig. Während die Staatsanwaltschaft davon spricht, dass der Beschuldigte eine Frau in „Furcht und Unruhe“ versetzt hat und das Vergehen der gefährlichen Drohung anklagt, bekennt sich der Mann für „nicht schuldig!“ „Wofür auch“, sein kurzer Einwand, ehe er den Vorfall schildert.
Stoßstange an Stoßstange
Mehrere Autos warten bei einer Tankstelle in Neudörfl auf die nächste freie Zapfsäule. Davon gibt es zwei. Step by step fahren Autos vor. Von zwei Seiten. Als der Pensionist endlich dran ist, rollt ihm eine Frau mit ihrem Wagen entgegen. Stellt den Pkw rücksichtslos ab, sodass zwar sie problemlos tanken kann, nicht aber der Mann. „Unsere Autos standen Stoßstange an Stoßstange. Der freie Schlauch war für meinen Wagen zu kurz. „Hätte sie ihren Pkw normal abgestellt bzw. wäre sie etwas zurückgefahren, hätte auch ich den Sprit einfüllen können. Aber nein. Hatte die Dame ja nicht nötig. Sie konnte ja tanken!“
„Jetzt hast eh schon in die Hosen gschi..n"
Daraufhin kurbelt der erboste Lenker sein Fenster runter und ruft: „Das ist aber nicht die feine englische Art! Das kann jetzt aber nicht sein!“ Trotz mehrerer Gestiken macht die Dame keine Anstalten, ihren Wagen umzuparken - damit endlich auch der Pensionist an die Reihe kommt. Im Gegenteil. Sie sagt: „Pech gehabt. Sie müssen jetzt halt warten!“ Uiiii... Da wird der Herr Ingenieur deutlicher. Laut Staatsanwaltschaft folgen Aussagen wie: „Normalerweise würde ihnen jetzt eine Watschn gehören. Du ghörst sowieso weggramt. Du typisch grünes Gsindel. Jetzt hast eh schon in die Hosen gschi..n“!“
„Und als Mann bin ich hier wohl der Arsch"
Der Angeklagte holt tief Luft und legt los: „Sicher hab ich ein paar Sachen gesagt. Da waren Emotionen im Spiel. Ich lass mir ja nicht alles gefallen. Sie nimmt sich alle Rechte - und ich habe keine? Also habe ich mich mit Worten gewehrt. Drohungen waren aber keine dabei!“ Als die Richterin punkto Drohungen nachhakt, unterbricht der Herr Ingenieur: „Typisch. Eine Frau Rat und eine Staatsanwältin sitzen mir gegenüber. Also zwei Frauen. Und als Mann bin ich hier wohl der Arsch, weil das jetzt ja so in ist!“
„Das war von der Frau unverschämt"
Als die Richterin beruhigend eingreift, kommt vom Angeklagten ein: „Hab mich hinreißen lassen. Aber ist doch wahr. Sie müssen sich in meine Situation hineinversetzen. Das an der Tankstelle hat sich hochgeschaukelt. Im Affekt. Ist eskaliert, weil das von der Frau unverschämt und egoistisch war!“ Dann betritt die „beschimpfte“ Autolenkerin als Zeugin den Verhandlungsraum. Eine zierliche Angestellte, kurz vor der Pension. Und ersucht die Richterin, ein paar Worte sagen zu dürfen.
Statt Abbrechnung kam Überraschung
Statt mit ihrem Kontrahenten „abzurechnen“ kommt ein überraschendes: „Der Herr Ingenieur hat bestimmt nicht in böser Absicht gehandelt. Ich möchte nicht, dass er bestraft wird. Aber ich würde ersuchen, dass er an einem Anti-Aggressions-Kurs teilnehmen muss. Ich hatte keine Angst vor ihm, eine andere Person vielleicht schon. Klar war ich aufgeregt und habe gezittert, ob der Respektlosigkeit und verbalen Attacken. Aber ich war immer in meiner Mitte und konnte rational denken. Der Herr Ingenieur nicht mehr!“
„Vor 20 Jahren hätte ich mit ihm gerauft"
Und weiter: „Auch ich musste lernen ruhiger zu werden. Zum Glück ist mir das im Laufe meiner Lebensjahre gelungen. Denn vor 20 Jahren hätte ich mir das nicht gefallen lassen. Da hätte ich mit ihm in der Tankstelle zu raufen begonnen!“ Nach einem kurzen Tränen-Ausbruch, ob der Aufregung vor Gericht, ringt die Frau nach Fassung und schildert dann die Ereignisse, konform der bisherigen Erkenntnisse.
Diversion für Schimpferei mit Drohungen
Schließlich fordert die Richterin den Angeklagten auf, zu hinterfragen, ob ihm sein unangebrachtes Benehmen nicht doch leid tue. Er überreagiert und dabei auch Drohungen formuliert hat. Und, er für seine Schimpfereien auch Verantwortung übernehmen wolle. Nach kurzer Nachdenkpause war alles klar: „Ja. Es tut mir leid!“ Die umsichtige Frau Rat beendet den Prozess mit einer nicht rechtskräftigen Diversion. Passiert innerhalb von zwei Jahren Probezeit kein weiterer Vorfall dieser Art, wird das Verfahren eingestellt - sonst mit einer weiteren Verhandlung neu aufgerollt...
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