150-Jahr-Feier
Ein kräftiger Hauch der Geschichte und Einheitsappelle an die SPÖ in Neudörfl
Das einstige Leitha-Gasthaus wird seit 40 Jahren nach einer Generalsanierung von der Caritas Wien als Flüchtlingsunterkunft genützt. Am Samstag um 10 Uhr erinnerte die SPÖ-Bundesführung dort allerdings mit einer Gedenktafel an Ereignisse vor 150 Jahren. Am 5. und 6. April 1874 haben knapp 80 Arbeitnehmervertreter aus den Kronländern der damaligen Habsburger-Monarchie unter beträchtlichem persönlichen Risiko und gegen Widerstand der Behörden die Gründung der österreichischen Sozialdemokratie als Arbeitervertretung zustande gebracht. Die anschließende, knapp zweistündige 150-Jahr-Festveranstaltung stand ganz im Zeichen von Aufrufen zur Einigkeit der SPÖ unter ihrem Vorsitzenden Andreas Babler vor der kommenden Nationalratswahl voraussichtlich Ende September.
"Es weht ein Hauch Geschichte durch diesen Saal", betonte Dieter Posch, der Bürgermeister der siebtgrößten Gemeinde des Burgenlandes im Bezirk Mattersburg. Der seit 1997 im Amt befindlich SPÖ-Ortschef verwies im Martinisaal von Neudörfl durchaus beziehungsvoll darauf, dass es nach der Gründung in Neudörfl "lange 15 Jahre" bis zum Einigungsparteitag der gemäßigten und radikalen Strömungen der Sozialdemokratie im niederösterreichischen Hainfeld gedauert habe. Verbunden war damit seine Hoffnung, dass es diesmal nicht so lange dauern werde. Es gehe nicht darum "die Differenz zu suchen, sondern das Gemeinsame". Denn dann sehe er eine "gute Zukunft" für die Sozialdemokratie.
Burgenlands SPÖ will auf eigenständigen Weg bleiben
Für die burgenländische SPÖ vertrat Klubobmann Roland Fürst Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der offiziell wegen der Folgen einer neuerlichen Kehlkopfoperation bei der 150-Jahr-Festveranstaltung der SPÖ im Martinihof in Neudörfl fehlte. Fürst, treibende Kraft der Landes-SPÖ, die in Person von Doskozil seit Jahren in Querelen mit der Bundes-SPÖ verstrickt ist, merkte mit Stolz an, dass die SPÖ mit Doskozil 2020 die absolute Mehrheit im Burgenland errungen haben. Zur 150-Jahr-Feier hatte Fürst für die Begrüßung die zwei Eckpunkte für den Erfolgsweg Doskozils mitgebracht: seine Landespartei scheue sich nicht, unbequeme Themen wie Grenzschutz und Migration anzusprechen; und mit Doskozil sei jemand an der Spitze, der für Glaubwürdigkeit stehe. Wenig später bekräftigte Fürst offensichtlich auch in Richtung Bundespartei: "Wir werden weiterhin den eigenständigen burgenländischen Weg gehen."
Der ehemalige, langjährige SPÖ-Vizeparteichef Altbundespräsident Heinz Fischer schilderte auch mit der Verlesung von Protokollen, wie dramatisch die Gründung vor 150 Jahren abgelaufen ist. Denn ursprünglich sei das sozialdemokratische Treffen in Baden bei Wien geplant gewesen, aber am 4. April, nur einen einzigen Tag vor dem Beginn des Treffens sei dieses behördlich in Baden untersagt worden. Ganz ohne Telefon und heutige, moderne Kommunikationsmittel sei das Gründungstreffen für 5. und 6. April nach Neudörfl verlegt worden, das damals noch zu Ungarn gehörte. Trotz aller "Widrigkeiten", so Fischer, sei ein Entwurf des Programmes erstellt und schon am 18. April veröffentlicht worden.
Altbundespräsident Fischer erinnert an "Basiswerte" der SPÖ
Fischer leitete Lehren für die heutige SPÖ ab: "Einheit, Solidarität und Disziplin entwickelten sich zu Basiswerten." Daran schloss am Ende seines halbstündigen Festvortrages die unmissverständliche Mahnung an die SPÖ-Funktionäre: "Die Fähigkeit, ehrlich zu diskutieren und dann geschlossen zu handeln, dürfen nicht aus den Augen verloren werden."
Doskozil war gleichsam als steinerner Gast mit im Saal anwesend, als dann die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler im Duett in einer Fragerunde beantworteten, was die Gründung vor 150 Jahren heute für die Sozialdemokratie bedeute. Der SPÖ-Chef sah das Vermächtnis der roten Gründerväter als Wasser auf seine Linie seit seiner turbulenten Wahl samt Auszählungspanne im Juni 2023. Menschen seien keine Bittsteller, bekräftigte Babler einmal mehr, diese hätten vielmehr Rechte. Und zwar nicht nur demokratische Rechte, sondern auch auf "soziale Teilhabe" von garantierten Terminen im Gesundheitswesen bei zum Altern in Würde.
Wohl nicht zufällig erinnerte er an die damalige Forderung nach einem 8-Stunden-Tag. Schließlich sorgt Bablers Ziel einer 32-Stunde-Woche nicht nur bei Wirtschaftsvertretern für Entsetzen, sondern auch in der SPÖ für Bedenken und Widerstände.
Babler will mit SPÖ für Menschen "Alternative sein"
Es reiche nicht aus, "nur zu sagen, was schlecht ist", warnte Babler: ""Wir müssen die Alternative sein." Freilich nahm auch der SPÖ-Vorsitzende zu Differenzen in der eigenen Partei gerade bei der Festveranstaltung im Burgenland Bezug. Denn seine Pläne wolle er "am liebsten in einer Gemeinsamkeit" umsetzen. "Miteinander san mia a Bewegung!", donnerte Babler unter viel Applaus in den Saal.
Ganz im Mittelpunkt standen bei Bures die Appelle an die eigenen Funktionäre. Die SPÖ habe den Gestaltungswillen und die Gestaltungskraft, Veränderungen in die Realität der Menschen zu bringen. Wichtig sei aber, "dass wir das Gemeinsame in den Mittelpunkt stellen und nicht das Trennende." Später beschwor die ranghöchste, langgediente SPÖ-Politikerin die "Kraft der Einheit". Da habe die SPÖ seit sieben Jahren, gemeint war die Übernahme der Kanzlerschaft durch Sebastian Kurz 2017, "ein wenig Luft nach oben", formulierte sie: "Wenn wir Freundschaft sagen, müssen wir auch Freundschaft meinen." Deswegen schloss Bures demonstrativ mit einem "aufrichtigen Freundschaft".
Der Männergesangsverein Neudörfl steuerte schließlich das "Lied der Arbeit" und die "Internationale" bei. Und allen Festgästen blieb noch die Möglichkeit zum Kauf eines eigenen roten Jubiläumsweins, wobei dabei drei Euro an die Volkshilfe gehen.
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