Leidenschaft und Respekt für den Beruf
53 Jahre lang brachte Werkzeugbautechniker Johann Kemminger sein Wissen bei der Rupert Fertinger GmbH ein und erlebte den technologischen Wandel hautnah – Angst vor der zunehmenden Digitalisierung hat er keine.
WETZELSDORF. „Schauen wir zum Fertinger!“ – mit diesem einfachen Satz aus dem Jahr 1965 begann die Karriere von Johann Kemminger aus Wetzelsdorf. Der 14-Jährige stand vor der Berufswahl. „Ein Bekannter war Feinmechaniker. Das Berufsfeld interessierte mich und ich wollte mich bei Siemens bewerben“, erinnert sich Johann „Hans“ Kemminger. Doch es war sein Vater, der die Idee des Bewerbens beim damaligen Chef Rupert Fertinger hatte. Fertinger war eine echte Unternehmerpersönlichkeit vom so genannten „alten Schlag“, der aus der Praxis kam. Kemminger: „Es kam nicht einmal vor, dass er selbst Hand anlegte und mit den Worten ,Ich zeige Ihnen, wie das richtig geht’ Verbesserungen vorschlug.
Technologischen Wandel hautnah miterlebt
Es dauerte nicht lange, da wurde Hans – so wird er von seinen Freunden genannt – selbst zum Wissensvermittler. Nachdem er das Handwerk des Werkzeugbautechnikers von der Pieke auf lernte, angefangen vom Feilen über Drehen, Fräsen und Hobeln, bildete er ab seinem 22. Lebensjahr selbst Lehrlinge aus. „Wenn ich mich zurückerinnere ist es beeindruckend, wie sich die Arbeit des Wekzeugbautechnikers gewandelt hat“, so Kemminger.
Stellte er in seinen ersten Jahren die Werkzeuge für Heizungsrohrschellen, Abdeckplatten, Metallteller für Waschbecken oder Spritzggusswerkzeuge für Armaturen vorwiegend durch stundenlanges Hobeln, Feilen und Fräsen her, zog im Jahr 1968 mit dem elektrolyrischen Verfahren einer Senkerosionsmaschine moderne Technologie in die Branche ein.
Passendes Werkzeug
Veit Schmid Schmidsfelden, heutiger Geschäftsführer der Fertinger GmbH, erklärt: „Diese Innovation war ein Quantensprung in der Produktion.“ Mit der Einführung der ersten Kopierfräse in den 1980er Jahren und der CNC (Computerized Numerical Control)-Fräse in den 90er Jahren gehörte ab sofort endgültig die computergesteuerte Fertigung zum täglichen Geschäft. Schmid-Schmidsfelden: „Heute ist der Computer in Form von CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer aided manufacturing) vollständig in die moderne Produktion eingezogen. Mit dieser Technik werden die Daten direkt an die Maschine geschickt und das Produkt erzeugt.“
Doch trotz aller Technik und computerbasierten Produktion ist das Ziel seit Beginn des Arbeitslebens von Johann Kemminger das gleiche: „Am Ende muss das passende Werkzeug entstehen. Daher ist auch das Erlernen des Berufs des Werkzeugbautechnikers so spannend und wichtig. Auch heute sind die Voraussetzungen für den Beruf die gleichen: ein gutes Vorstellungsvermögen, technisches Verständnis und Verständnis für Prozesse wie Fräsen, Drehen, Senkerodieren oder Drahterodieren. Das wird sich trotz der zunehmenden Digitalisierung nicht ändern.“
Prozesse hinter den Programmen verstehen
Veit Schmid Schmidsfelden ergänzt: „Unsere Mitarbeiter müssen trotz Computer-Einsatzes die Prozesse verstehen und damit umgehen können. Hans ist das beste Beispiel. Auch er durchlebte den technologischen Wandel und war immer am Puls der Zeit. Unternehmen brauchen genau solche Mitarbeiter mit Eigenschaften, die Hans ausmachen: verantwortungsbewusst, hilfsbereit, lösungsorientiert, kritikfähig, zukunftsorientiert und mutig. Es gab während seiner ganzen Laufbahn nicht einmal den Satz: Das geht nicht.“
Auch der gelebte Respekt vor den erzeugten Produkten beeindruckt den Chef: „Wenn ich den Leitsatz der Karriere von Hans zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Glaub’ an Dich und schau’ stets positiv in die Zukunft!“
Von dieser Philosophie profitierten über 40 Lehrlinge, die Johann Kemminger im Laufe der Jahrzehnte ausbildete. Wie sehr ihm die Ausbildung der Jugend am Herzen liegt, zeigt, dass er sich nach seiner Pensionierung im November 2010 noch sieben Jahre lang einmal in der Woche Fertinger-Lehrlinge betreute. „Doch nun ist Schluss“, sagt Johann Kemminger, der auch im privaten Umfeld als Obmann des örtlichen Sportvereins oder als stolzer Opa bei der Jugend beliebt ist.
Außerdem haben die Fertinger-Lehrlinge mit Kemmingers jahrelangem Stellvertreter, Midhet Avdic, einen perfekten Nachfolger gefunden. Auch er lebt seinen Beruf und seine Augeln funkeln, wenn er den Nachwuchskräften über die Schulter blickt und lehrt, genauso wie es Hans in seiner über fünf Jahrzehnte dauernden Berufslaufbahn praktizierte. Das „Hinschauen zum Fertinger hat sich ausgezahlt!“
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