Schutzpatron der Seefahrer
Die Licht- und Schattenseite des Nikolo
Der heilige Nikolaus, der den Kindern am 6. Dezember Geschenke bringt, war in der Antike ein Streiter für Christus - im guten wie im schlechten Sinne.
Autoren Ingrid Schramm und Andrea Glatzer
GATTENDORF. "Wer ist der echte Nikolo?" Diese fundamentale Frage stellte sich vor einigen Jahren in Gattendorf. Als ein Nikolo mit einem aufgeklebten Bart bei einer Veranstaltung auftrat, pirschte sich ein Kind an ihn heran und zupfte ihn am Bart. Der falsche Bart erregte Zweifel in dem Kind. "Ah, du bist auch ein Nikolo", sagte es. "Aber der echte Nikolo kommt morgen zu uns in den Kindergarten". Den Titel des "echten Nikolo" konnte der Gattendorfer Hobby-Historiker Ewald Metzl für sich erobern. Offenbar hatte er mit seinem prächtigen Rauschebart die Kinder von seiner Echtheit überzeugt.
Aber wer ist der heilige Nikolaus nun wirklich?
Nikolaus wurde in der Provinz Lykien am Ostrand des römischen Reiches, in der heutigen Türkei, etwa 270 nach Christus geboren. Mit 19 Jahren wurde er von seinem Onkel, dem Bischof von Myra, zum Priester geweiht. Einige Jahre später übernahm er selbst das mächtige Amt des Bischofs von Myra.
Socken mit Gold gefüllt
Nach dem Tod seiner Eltern hatte Nikolaus ein Vermögen geerbt, das er freigiebig an Notleidende verteilte. In seiner Nachbarschaft lebte ein Vater, der so arm war, dass er seinen Töchtern keine Mitgift gegen konnte. Da es nicht möglich war die Mädchen zu verheiraten, waren sie zur Prostitution freigegeben - was immer dieses Los bedeutet haben mag. Vielleicht eine wilder Ehe? Vielleicht aber mussten sich die Mädchen tatsächlich mit „Liebesdiensten“ ihr Geld verdienen? So weit kam es aber nicht. Der Legende nach soll Nikolaus Goldklumpen in Socken gesteckt und diese durch das Fenster der drei Mädchen geworfen haben. Der Jubel im Haus war groß, denn nun konnte der Vater seine drei Töchter standesgemäß verheiraten.
Einmal gelang es dem heiligen Nikolaus, drei unschuldig zum Tod verurteilte, verdienstvolle Soldaten zu retten. Nikolaus erschien dem Kaiser des römischen Reiches im Traum und teilte ihm mit, dass diese Opfer einer Verschwörung seien.
Seenot-Retter
In der Region um den Neusiedler See wird der heilige Nikolaus als Patron der Seefahrer verehrt. Die Wehrkirchen rund den Neusiedler See hatten die Funktion von Orientierungspunkten für Seefahrer. Den Ruf als Retter in der Not erwarb sich Nikolaus in der Antike, als er einmal ein paar Schiffer vor dem Ertrinken rettete.
Eine ähnliche Rettungsaktion erlebten viele Jahrhunderte später ein paar Fischer am Neusiedler See in der Nähe von Purbach. Sie wandten sie sich in ihrer Not mit einem Hilferuf an den heiligen Nikolaus. Der Schutzpatron lenkte den wenig seetauglichen Kahn mit sicherer Hand ans Ufer. Diese Legende ist im Hochaltar-Bild der Pfarrkirche von Purbach verewigt.
Im Burgenland gibt es ungefähr zehn Nikolauskirchen. Eine besonders prächtige moderne Kirche befindet sich in Andau mit impressionistischen Kreuzweg-Bildern des Malers Sepp Mayrhuber.
Tempelzerstörer
Zweifellos war Nikolaus, der mächtige Bischof von Myra, ein großer Wohltäter, aber aus heutiger Sicht war er auch ein erbarungsloser Kulturschänder. Er soll einhändig an der Zerstörung des Tempels der Göttin Artemis, der damaligen Heiligen der Fruchtbarkeit beteiligt gewesen sein. Dieser Tempel, wie auch der Artemis-Tempel in Ephesos, der zu den sieben Weltwundern zählte, waren große Kultstätten im Zentrum blühender Handels-Metropolen im Osten des römischen Reiches.
Eine Ohrfeige für den "Ketzer"
Neben der Zerstörung des Artemis-Tempels werden dem heiligen Nikolaus noch andere Untaten nachgesagt. So soll er beim Konzil von Nicäa im Jahr 325 nach Christus einen Mann namens Arius eine Ohrfeige gegeben haben. Arius hatte zu bedenken gegeben, dass bei der Verehrung von Gottvater und Gottsohn der christliche Glaube nicht als Ein-Gott-Glaube angesehen werden könne. Arius Position wurde jedoch beim Konzil von Nicäa verteufelt. Die Dreifaltigkeit wurde zum Dogma erhoben, und Arius ging als Ketzer in die Religionsgeschichte ein.
Der Job des Krampus
Die Ohrfeige, die Nikolaus dem Arius verpasst hatte, galt übrigens bis ins 20. Jahrhundert als probates Erziehungsmittel. Nach heutigem Strafrecht erfüllt sie den Tatbestand der tätlichen Beleidigung. Dafür wäre heutzutage der Krampus zuständig.
Diese Geschichte ist Teil des Buches "Pannonische Schicksalslinien" von Andrea Glatzer und Ingrid Schramm, das im Jahr 2022 erscheinen wird.
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