Mein Assistenzhund – Traum oder Wirklichkeit

- Schwierig, so eine Krücke aufzuheben
- Foto: Ing. Monika Gefing
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Sie haben eine Behinderung oder eine chronische Erkrankung und möchten einen Assistenzhund? Oder Sie sind Eltern eines Kindes mit Behinderung und möchten einen solchen Hund für Ihr Kind?
Sie haben schon oft von diesen tollen Hunden gehört, gelesen oder Berichte darüber im Fernsehen gesehen. So ein Tier könnte Ihnen auch helfen. Aber wie fängt man das an?
Am besten beim Hund: Können Sie sich vorstellen, mit so einem haarigen Tier zusammenzuleben, und das vielleicht 14 Jahre lang? Es gibt natürlich auch Hunde, die nicht haaren, wie Pudel, aber die müssen dafür regelmäßig geschoren werden. Hunde kann man nicht nach Gebrauch in die Ecke stellen, sie müssen bei jedem Wetter hinaus, manchmal brauchen sie einen Tierarzt, sie kosten Geld (ihre Erhaltung, die muss man selbst schaffen, beim Kaufpreis gibt es in der Regel teils öffentliche, teils private Hilfen).
Das sind nicht die einzigen Fragen, die Sie sich bezüglich Hund stellen sollten, auch alle anderen, denen sich ein „gewöhnlicher“ Hundehalter stellen muss, wie – was geschieht mit dem Hund, wenn es mir mal schlecht geht?
Sie sind nach entsprechender Gewissenserforschung überzeugt und gewappnet, dass Sie und wie Sie mit Freund Hund zusammenleben wollen.
Jetzt geht es konkret um Sie selbst. Wie könnte Ihnen ein Assistenzhund das Leben erleichtern? Was muss er können?
Hunde mit Uniabschluss
Beim Blindenführhund ist es recht einfach, der muss auf jeden Fall eine Standardausbildung haben, die schon sehr umfangreich ist – natürlich sind auch da Zusatzkenntnisse möglich.
Wenn Sie einen Servicehund wegen Ihrer Körperbehinderung brauchen, dann wird es schon komplizierter. Die Hunde müssen zwar bestimmte Basiskenntnisse haben, aber dann muss individuell auf den Bedarf für die jeweilige Behinderung eingegangen werden. Dasselbe gilt für Signalhunde, die Menschen mit Hörbehinderungen oder solchen mit chronischen Erkankungen (Diabetes, Epilepsie, psychische Erkrankungen) helfen.
Am 1. Jänner 2015 ist das neue Gesetz in Kraft getreten, dass jeder Assistenzhund amtlich geprüft werden muss. Am besten, Sie besorgen sich die Prüfungsordnung für die jeweilige Hundesparte. Die gibt es beim Sozialministeriumservice (früher Bundessozialamt) oder im Messerli-Institut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. So bekommen Sie einen Überblick, was die Hunde auf jeden Fall können müssen. Die individuellen Bedürfnisse müssen extra vereinbart und für die Prüfung bekanntgegeben werden.
So, auch diese Hürde wäre geschafft. Sie haben sich definitiv für die Aufnahme eines Assistenzhundes in Ihren Haushalt entschieden, haben auch eine Vorstellung, was er für sie tun soll und jetzt kommt die Frage: woher nehmen?
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
„Fertigprodukt“ oder „Do it youself“
Beim „Do it yourself“ besorgen Sie sich einen Ihrer Meinung nach passenden Welpen oder Junghund, ziehen ihn auf und bilden ihn selbst oder mit Hilfe eines Trainers aus.
Bei der Methode wird argumentiert, dass man dann genau weiß, wie der Hund aufgezogen wurde, und außerdem entsteht so schon eine innige Bindung zwischen Ihnen und dem Hund. Stimmt. Wenn alles passt, dürfen Sie den Hund selbstverständlich auch zur Assistenzhundeprüfung führen.
Was man aber nicht weiß, ist, ob der Hund mit einem Jahr die für die Zulassung zur Assistenzhundeprüfung vorgeschriebenen Gesundheitsuntersuchungen bestehen wird und ob er wesensmäßig geeignet sein wird. Und ohne Prüfung kein Assistenzhund.
Was geschieht dann? Sie haben einen Hund, den Sie aufgezogen haben und sicherlich heiß lieben, aber offizieller Assistenzhund wird er keiner. Die Gesundenuntersuchung wird ja nicht zum Spaß durchgeführt oder um die Hundeführer zu schikanieren, sondern ist dazu da, damit nicht kranke Hunde, die womöglich Schmerzen haben, oder solche, die wegen einer erblichen Erkrankung schon nach zwei, drei Jahren ausfallen würden, arbeiten müssen. Natürlich kann Sie niemand daran hindern, diesen Hund auszubilden, solange es nicht offensichtlich tierquälerisch ist. Sie können einen solchen Hund auch überall hin mitnehmen, wo „gewöhnliche“ Hunde erlaubt sind, aber nur dorthin. Wenn Sie an Örtlichkeiten mit Hundeverbot gehen, fliegen Sie im besten Fall hinaus und wenn Sie Pech haben, gibt es eine Verwaltungsstrafe. Dort, wo Sie mit einem „gewöhnlichen“ Hund extra zahlen müssen (Verkehrsmittel, Hotels), zahlen Sie für diesen Hund ebenfalls. Lassen sie ihr Tier ohne Maulkorb laufen und werden erwischt, zahlen Sie Strafe, er ist ja kein Assistenzhund. Wenn Sie mit dem Hund in Urlaub fliegen wollen, muss er in den Frachtraum. Von öffentlichen Stellen gibt es natürlich keinen Cent, die verlangen ein Prüfungszeugnis.
Wenn es gut geht, kann es natürlich sehr beglückend sein, das Aufwachsen des Hundes und seine Entwicklung mitzuerleben, aber das Risiko bleibt voll bei Ihnen.
Dieses Risiko war Ihnen denn doch zu hoch und Sie schauen sich nach einem „Fertigprodukt“ um. Das heißt, Sie suchen sich eine Ausbildungsstätte, die Ihnen einen fertig ausgebildeten Hund verkaufen kann, der zusammen mit seinem Trainer die gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsprüfung beim Messerli-Institut bestanden hat – das wurde durch das Sozialministerium mit all diesen Prüfungen beauftragt. Der Hund muss selbstverständlich zu Ihnen passen und Sie müssen so mit ihm zusammengeschult werden, dass Sie mit Ihrem neuen Gefährten die ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene Teamprüfung bestehen können.
Diese Suche ist nicht ganz einfach, es gibt kleine und große Ausbildungsstätten, solche, die schon lange am Markt sind und solche, die erst angefangen haben. Informieren Sie sich über die Haltungs- und Ausbildungsmethoden der Hundeschule (sie sollen tierschutzgerecht sein), über die Zusammenschulung und die dazugehörigen Methoden - das soll eine individuell angepasste Schulung und kein Trainingslager für Rekruten sein und es sollte zumindest teilweise an Ihrem Wohnort stattfinden, weil Sie dort erst sehen, ob und welche Probleme es eventuell gibt.
Verlieben Sie sich ruhig in den Hund, (beliebte Aussage von Trainern: „Er hat nur auf Sie gewartet“), aber lassen Sie bitte ihren kritischen Geist eingeschaltet. Hunde sind liebe Tiere, aber dieser spezielle Hund ist hauptberuflich ein Assistenzhund für Sie und entsprechend teuer. Sonst würde es der treuherzig blickende Retriever aus dem Tierheim auch tun. Glauben Sie es nicht, wenn der Hund versprochene Leistungen überhaupt nicht kann - „er muss sich erst eingewöhnen“. Was er niemals gelernt hat, das kann er nach der „Eingewöhnung“ auch nicht – außer Sie bringen ihm das selbst bei.
Seien Sie hellhörig, wenn Trainer nur mit ausländischen „Gütesiegeln“ argumentieren, behaupten, sie könnten „Ausweise“ ausstellen, ihre markenrechtlich geschützten Logos auf dem Brustgeschirr hätten irgendeine amtliche Bedeutung oder die mit einer eigenen „unabhängigen“ Prüfung punkten wollen. Es gibt nur eine offiziell anerkannte Prüfstelle in Österreich, nämlich das erwähnte Messerli-Institut und alles andere ist nur mehr oder weniger irreführende Werbung. Bedenken Sie auch bitte, wenn Ihnen eine Ausbildungsstätte einen nicht offiziell vom Messerli-Institut geprüften – d.h. in Wirklichkeit ungeprüften Hund andrehen möchte, dass alles das, was im Zusammenhang mit den Problemen beim selbst aufgezogenen Hund aufgezählt wurde, auch für einen solchen Hund gilt – der ist kein Assistenzhund!
Und wenn Sie das alles beachtet und einen vertrauenswürdigen Trainer gefunden haben, der Sie mit dem hervorragenden amtlich qualitätsgeprüften liebsten Hund der Welt richtig und einfühlsam zusammengeschult hat, dann können Sie sich auch auf die Teamprüfung freuen – die wird Ihnen dann eine großartige Gelegenheit geben, zu zeigen, was für ein tolles Team Sie und ihr Hund sind. Sie wird in ihrem Wohnort und, sofern sie in einem Dorf wohnen, auch in der nächsten Kleinstadt stattfinden, weil es dort Einkaufszentren, Lifte, mehr Menschen und andere Hunde gibt.
Anschließend können Sie stolz mit der Eintragung in den Behindertenpass und Ihrem frischgebackenen Assistenzhund mit dem nagelneuen staatlichen Logo auf dem Brustgeschirr losziehen und die Welt erobern – auch den Teil der Welt, der anderen Hundeführern mit ihren „gewöhnlichen“ Hunden verschlossen bleibt.
Falls Sie weitere Fragen haben – wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung: „Freunde der Assistenzhunde Europas“, www.reha-dogs.org, office@reha-dogs.org
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