Altes Handwerk
Roll aus St. Andrä ist letzter Fassbinder im Burgenland
Karl Roll aus St. Andrä am Zicksee führte bis zu seiner Pension als einer der letzten Fassbinder des Burgenlandes dieses holzverarbeitende Handwerk aus.
ST. ANDRÄ AM ZICKSEE. Als Lehrling von seinem Vater, der 1962 den Familienbetrieb in St. Andrä am Zicksee gründete, folgte für Roll die Gesellen- und Meisterprüfung und schließlich die Übernahme des Betriebs im Jahr 1993.
Familienbetrieb
Als sein Vater mit dem Handwerk begann, waren im Betrieb rund sieben Mitarbeiter beschäftigt. Damals waren Holzfässer noch sehr beliebt, darauf folgte aber die Nachfrage nach Plastik- und Stahltanks und somit ein gewisser Einbruch im Fassbinder-Geschäft. Erst der Barrique-Trend brachte wieder Aufschwung in der Binderei.
Kleines Fass, viel Holzgeschmack
Zu 95 Prozent wird für die Weinfass-Produktion Eiche – zumeist aus Osteuropa – verwendet, auch Akazie ist möglich. Maulbeere, Esche und Edelkastanie eignen sich für Essig-Fässer. Mittlerweile gehe der Trend von den kleineren Barrique-Fässern wieder zu größeren mit 1.000 bis 2.000 Liter Fassungsvermögen, die in der Zwischenzeit als Tanks verwendet werden könnten – sowohl für Rot- als auch für Weißweine jeder Art, weiß Roll zu berichten.
Je kleiner das Fass, umso größer das Verhältnis der Innenfläche zum Volumen, d. h. umso intensiver der Holz-Geschmack im Wein.
Daube für Daube über Feuer
Ein 1.000-Liter-Fass brauche in der Herstellung mit zwei Mann rund eine Woche. Zu Beginn war es noch schwere Handarbeit, später kamen Maschinen – mittlerweile Computer-Steuerung – dazu. Das Messwerkzeug für die richtige Gärung musste von Roll und seinem Team eigens angefertigt werden. Nachdem die einzelnen Längshölzer, die sogenannten Dauben, über Feuer in Form gebracht und mit Eisen und Edelstahl-Ringen gestützt wurden, ist das Fass fertig und kann sofort verwendet werden. Aus den kürzeren Stücken des angelieferten Holzes – nach dem Schneiden muss es drei Jahre trocknen – wurden Deckel bzw. Böden gefertigt.
Holzfässer und mehr
Roll – selbst Weinbauer im zweiten Standbein – belieferte in seinem Kleinst-Betrieb mit ein, zwei Mitarbeitern hauptsächlich Weingüter in der Umgebung aber auch bis nach Niederösterreich. Ebenda und in Kärnten gibt es heute noch Fassbinder, so Roll, und meint, dass viele Kollegen neben der Binderei Weingüter oder Sägewerke führen, da nur wenige so groß seien, dass die Binderei die einzige Einnahmequelle bilde. Er selbst hat neben Holzfässern auch Edelstahl-Varianten und Dekoration, etwa Stehtische aus Fässern, hergestellt und Exkursionen durch seinen Betrieb angeboten bis er am 1.12.2023 als letzter Fassbinder im Burgenland seine wohlverdiente Pension angetreten hat – mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie er selbst meint. Denn es habe sich leider keine Nachfolge finden lassen.
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