Nachhilfe
"Es hängt sehr viel am Lehrer"
NÖ. Alexander Zettler (35) spricht mit uns über "schlechte Schüler", digitale Demenz und verpasste Chancen.
Nur schlechte Schüler haben Nachhilfe, stimmt das?
ALEXANDER ZETTLER: Nein, das ist zu kurz gegriffen. Jeder Mensch ist anders und wenn jemand in unserem Schulsystem eine schlechte Note schreibt, kann das sehr viele unterschiedliche Gründe haben. Das kann natürlich sein, weil der Schüler wirklich deppat ist (lacht), kann aber auch sein, weil er hochbegabt ist und sich in der Schule fadisiert. Manche tun sich einfach nur in Mathe schwer, haben privat oder in der Klassengemeinschaft Probleme, da ist Mobbing sicher auch ein Thema. Oder man kommt einfach nicht mit dem Lehrer zurecht. Ich gebe mittlerweile Nachhilfe seit ich 16 Jahre alt bin, und wenn ich eines sagen kann, dann, dass wirklich wahnsinnig viel am Lehrer hängt.
Man hört oft hinter vorgehaltener Hand "die Schüler werden immer dümmer". Wie sehen Sie das?
Ich glaube, dass unsere gesamte Gesellschaft unter einer immer niedrigeren Aufmerksamkeitsspanne leidet. Man kann sich nicht mal mehr zwei Minuten auf eine bestimmte Sache konzentrieren. Wir lassen uns zu viel ablenken. Die Flut an Informationen, denen die Schüler heutzutage ausgesetzt sind, ist enorm. Das Handy, die sozialen Netzwerke, die ganze digitale Kommunikation, das alles ist sehr intensiv geworden. Dadurch nimmt der gefühlte Stress zu, die Leistungsfähigkeit nimmt aber ab.
Dabei könnten doch digitale Inhalte beim Lernen helfen?
Ja schon, aber das Gefühl alles ständig verfügbar zu haben, kann auch ein Nachteil sein. Viele schreiben im Unterricht nichts mehr mit, weil der Banknachbar schickt es eh per Handy oder es gibt ein Video auf YouTube darüber. Das führt dazu, dass in der Schule nicht mehr aufgepasst wird und man sich gar nichts mehr merkt. Digitale Demenz quasi bei Schülern.
Wie sind da Ihre Erfahrungen während der Corona-Zeit?
Viele Nachhilfeschüler haben coronabedingt psychisch zu kämpfen und können sich deshalb nicht voll auf die Schule konzentrieren. Brutal formuliert ist es den Lehrern an höheren Schulen aber oft egal, wie es den Schülern geht. Wir schauen in der Schule zu wenig auf die psychosozialen Aspekte: Warum Schüler nicht lernen können, warum sie schlechte Noten haben. Gerade im Gymnasium geht es sehr viel um Selektion. Da werden viele Chancen, es besser zu machen, verpasst.
Was rät der Nachhilfelehrer, wann sollten Eltern in Nachhilfe investieren?
Lieber früher als später. Das spart auf lange Sicht Stunden, weil die Schüler im Unterricht mehr mitbekommen und auch Tests und Hausübungen besser schaffen.
Wenn die Kinder aber nicht gefährdet sind einen Fünfer zu kassieren, brauchen sie auch nicht vorsorglich zur Nachhilfe.
Nachhilfeinstitute bieten Stunden in Gruppen, Kleingruppen bis hin zum Einzelunterricht an. Wie finde ich das Richtige für mein Kind?
Manche Kinder brauchen das soziale Lernen in der Gruppe, andere lassen sich leicht ablenken. Grundsätzlich finde ich, dass beim Einzelunterricht mehr weitergeht. Aber es ist auch teurer, das muss man sich mal leisten können.
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