Übergriffe in Oberwarter Ordination
Freispruch für Arzt im Missbrauchs-Prozess
Paukenschlag beim Wiederholungsprozess um sexuellen Missbrauch an 4 Patientinnen in einer Oberwarter Ordination: Der in 1. Instanz – wie berichtet - mit Gefängnisstrafe und Zahlung von Schmerzensgeld verurteilte Arzt wurde nun freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
OBERWART. Eine Ohrfeige ins Gesicht für alle vermeintlichen Opfer, die, laut eigenen und unabhängig voneinander gemachten Aussagen, in der Aufwachphase nach einer Sedierungs-Untersuchung sexuell missbraucht worden sind, ist das nunmehrige Urteil des Schöffensenats im Landesgericht Eisenstadt.
Freispruch im Zweifel
Der Freispruch erfolgte zwar im Zweifel, steht aber im Widerspruch zum Urteil der 1. Instanz, das ebenfalls im LG Eisenstadt ausgesprochen worden ist. Ein Wandel der verwundert, denn an Aussagen und Beweisen vom ersten Prozess zur Wiederholungsverhandlung hat sich so gut wie nichts geändert. Stellt sich die Frage, ob der erste Schöffensenat falsch gelegen hat oder ob dieses Urteil hinterfragt werden muss... Der Staatsanwalt stimmte dem Richter-Spruch vorerst nicht zu und hat somit drei Tage Bedenkzeit, um das Urteil anzufechten.
Opfer sind glaubwürdig
In der aktuellen Urteilsbegründung hieß es, dass man nicht davon ausgegangen sei, dass die Opfer gelogen haben. Ganz im Gegenteil. Aber wegen der Aussagen des Sachverständigen könne Sinnestäuschung durch Halluzination nicht ausgeschlossen werden.
Dieses Argument steht dann zumindest teilweise im Widerspruch mit einer Aussage des Sachverständigen, der laut Opfer-Anwältin eine ihrer Fragen wie folgt beantwortet hat: „Die Häufung dieser Vorfälle in einer Praxis verstehe ich auch nicht!“
Prozessbeginn mit Verspätung
Auf den Beginn des zweiten Prozesstages ließ die Vorsitzende rund 30 Minuten warten, ehe sie – ohne Begründung der Verspätung - die unterbrochene Verhandlung vom Vortag im Saal 1 des Landesgerichtes Eisenstadt fortsetzte. Beginnend mit einer als Zeugin geladenen Arzt-Assistentinnen. Die, wie bereits beim ersten Prozess, neuerlich behauptete, dass der Herr Doktor niemals (!) mit Patientinnen alleine in der Ordination gewesen ist. Somit ihr Chef immer, stets und ausnahmslos unter Aufsicht und Kontrolle durch das Personal gestanden habe.
Arzt immer unter "Aufsicht"
Zum Vorhalt, dass das „Alleinsein mit dem Arzt“ aber die betroffenen Patientinnen ausgesagt haben, meinte die Angestellte: „Das kann ich mir nicht erklären!“ Ihre Behauptungen und die ihrer Arbeitskolleginnen, die im auffälligen Gleichklang geäußert worden sind, führten beim Schuldspruch in 1. Instanz sogar dazu, dass diese Thematik die damalige Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung berücksichtigte und vorbrachte.
Schon Zweifel in der 1. Instanz
Mag. Doris Halper-Praunias meinte am 21.12.2022: „Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass der Arzt, in seiner eigenen Praxis, mit den Patientinnen nie alleine gewesen sein kann. Nicht einmal für eine Sekunde. Also zu keiner Zeit. Die Aussagen seiner vier Assistentinnen, dass sie ihm nie den Rücken zugekehrt und der Herr Doktor permanent unter Beobachtung seiner Mitarbeiterinnen gestanden hat, sind definitiv nicht realistisch. Durchaus mögen das die Assistentinnen so empfunden haben, aber der Senat ist der Meinung, dass die Möglichkeit sehr wohl gegeben war!“
Nach der Befragung weiterer Zeugen im aktuellen Prozess kam es zu den Schlussplädoyers vom Staatsanwalt, der Anwältin dreier Opfer und des Angeklagten-Verteidigers. Das Urteil selbst fiel nach längerer Beratung in den zeitigen Nachmittagsstunden.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.