Stromattacke im Bezirk Oberwart
Tötungsversuch der Ehefrau ein Familiendrama
Mit einem Stromschlag über ein blankes Kabel wollte ein Südburgenländer seine Gattin und dann sich töten. Gerade noch verhindert von einer Pflegerin, die Schreie der Frau gehört hatte. Was auf den ersten Blick wie ein kaltblütiges Verbrechen anmutet, entpuppte sich im Prozess als Familiendrama.
BEZIRK OBERWART. Der Angeklagte ist 83 Jahre alt. Rund 160 Zentimeter groß. Schmächtig. Mit kurzen, grauen Haaren. Einem Hörgerät im Ohr. Vor Prozessbeginn musste er einem Psychiater gegenüber ein paar Fragen beantworten, wie etwa Rechenbeispiele. Ebenso Begriffe wiederholen, die man ihm anfangs mitgeteilt hatte. Nachdem der betagte Mann „Zitrone, Schlüssel und Ball“ richtig benannt hatte, konnte die Verhandlung im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Eisenstadt stattfinden.
Nicht zurechnungsfähig
Vor einem Pult mit Richterin Mag. Karin Knöchl, Präsident Dr. Karl Mitterhöfer und Richterin Dr. Karin Lückl, rechtsseitig Geschworenen und links von ihm Staatsanwältin und Gutachter, nahm der Südburgenländer aus dem Bezirk Oberwart Platz. Bekannte sich ohne Wenn und Aber „schuldig“. Seitens der Staatsanwaltschaft wurde zu Beginn des Prozesses klargestellt, dass der Angeklagte nach Sachverständigen-Gutachten zum Tatzeitpunkt „nicht zurechnungsfähig“ war. Es in diesem Verfahren daher nicht um „versuchten Mord“ geht, sondern um eine Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.
Bist du narrisch?
Am 30. Juli hatte der Pensionist den Entschluss gefasst, nicht mehr leben zu wollen. Weil er „mit der Gesamtsituation seines Lebens unzufrieden war!“ Deshalb ging er zu seiner bettlägrigen Frau, 87, und sagte zu ihr: „Ich will sterben. Ich will dich mitnehmen!“ Laut Polizei-Protokoll, verlesen von der Vorsitzenden, antwortete seine Gattin: „Bist du narrisch?“ Machte ihrem Ehemann somit klar, dass sie nicht sterben möchte.
Blankes Stromkabel
Dessen ungeachtet setzte der Burgenländer ein Kabel unter Strom und führte die drei blanken Enden an die Hand seiner Gemahlin. Ihre Schreie hörte die im Haus anwesende Ganztagespflegerin und eilte zu Hilfe. Entriss dem Mann während eines Gerangels die Leitung und schlug Alarm. Über ihren Gatten, mit dem sie bereits mehr als 50 Jahre verheiratet ist, sagte das Opfer zu den Kriminalisten: „Er war immer ein guter Mann und nie gewalttätig. Die Ehe war harmonisch. In letzter Zeit aber hat er sich wertlos gefühlt. War unrund und nervös!“ Der 83-Jährige litt auch unter Schlafstörungen und Depressionen.
Dauerhaft belastete ihn die Demenz seiner Gattin, wenngleich der Auslöser seiner größten Verzweiflung einen ganz anderen Hintergrund hatte. Er verstand sich nämlich mit den Pflegerinnen aus Rumänien und Ungarn nicht, die rund um die Uhr im Haus des Ehepaares Dienst machten. Weil der Rentner das als „Eindringen in die Privatsphäre“ und mehr als störend empfand. Gegeißelt durch den Umstand, auf die Hilfe für seine Frau, die zur Fortbewegung einen Rollstuhl benötigt, nicht verzichten zu können. Da der Südburgenländer nur mehr 20 Kilo heben durfte, seine Gattin aber rund 70 Kilo wiegt.
Kein geplanter Mord
Die als Zeugin aussagende Tochter erklärte, dass ihr Vater immer ein fleißiger Mensch war, jetzt aber nicht mehr so konnte, wie er wollte. Das habe ihn sehr getroffen. Mit ein Grund, warum der betagte und an Alzheimer-Demenz leidende Pensionist absichtlich seine ärztlich verschriebenen Medikamente nicht mehr genommen hatte, fehlte ihm doch sein Lebenswille. Ein Psychiater erläuterte, dass der Angeklagte unter einer nachhaltigen psychischen Störung leidet und es sich bei der Tat um einen erweiterten Suizid gehandelt hat. Denn er wollte keinen Mord begehen und sich nach dem Verbrechen das Leben nehmen, sondern sich selbst umbringen, und dabei das Liebste mitnehmen.
Therapie in Pflegeheim
Die Geschworenen urteilten mit Augenmaß. Statt einer Einweisung in eine geschlossene Anstalt kann der Beschuldigte unter strengen Therapie-Auflagen und ärztlicher Beobachtung die nächsten fünf Jahre in einem speziellen Pflegeheim verbringen. Der Spruch ist bereits rechtskräftig.
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