GESCHICHTE UND BEDEUTUNG DES BERGBAU- UND GOTIKMUSEUMS LEOGANG

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LEOGANG. Für Leogang sei das späte Mittelalter die Zeit des „blühenden Bergbaus“ und der „blühenden Kunst“ gewesen, sagt Hermann Mayrhofer, Gründer, Leiter und Kustos des Bergbau- und Gotikmuseums. Doch betrachtet man die Zeugen dieses Blühens, die er für die Sammlung und bisherige Ausstellungen zusammengetragen hat, wird einem bang: Einsame, Geschundene, Gequälte und Nothelfer. Wie geht das zusammen?

Schaut man sich um im Europa des Spätmittelalters, so stimmt die Diagnose des Blühens. Venedig, Florenz, Brügge oder Antwerpen: Wo Menschen fleißig waren, etwas herstellten, womit sie handeln konnten, da wurde Kunst geschaffen. Anders gesagt: Kunst- und Bauwerke sind Zeugen für wirtschaftliche Blüte. „Und wer die Geschichte Salzburgs kennt, der weiß: Das Mittelalter war eine hohe Zeit“, sagt Hermann Mayrhofer.

Im 15. Jahrhundert, aus dem die meisten der gotischen Skulpturen in der Leoganger Sammlung stammen, setzt europaweit ein breiter wirtschaftlicher Aufschwung ein. Die Produkte und Dienstleistungen werden diversifiziert, der Warenaustausch über weite Wege nimmt zu, das Wachsen von Wirtschaft und Handel zeigt sich in der Ausbreitung von Geld. Aus Bergwerken wie jenem in Leogang kommt einiges, womit im Land Salzburg frühindustrielle Infrastruktur geschaffen und was exportiert werden kann: Silber, Kupfer, Quecksilber, Blei, später auch Kobalt, mit dem sich Glas blau färben lässt und das daher bis nach Murano geliefert wird.

Und es kommt auch jenes Silber aus Leogang, das die Erzbischöfe zu Münzen prägen lassen und als Geld ausgeben und investieren können. Leonhard von Keutschach, unter dessen Regierung Salzburg eines der reichsten Fürstentümer im römisch-deutschen Reich werden sollte, lässt 1501 die Prägung von Münzen in Salzburg und vorübergehend auch in Friesach wiederaufnehmen. Nach Angaben im Salzburger Landesarchiv, die Hermann Mayrhofer entdeckt hat, soll das Leoganger Silber beim Salzburger Pfennigmeister begehrt gewesen sein: als besonders rein und daher geschmeidig.

BERGBAU IST WIE SCHIFAHREN

Während Handwerk und Handelshäuser sich in den Städten konzentrierten, bot der Bergbau damals das, was heute Schifahren und Tourismus sind: Arbeit und Einkommen auf dem Land. An vielen Stellen des Landes gab es ab dem 14. Jahrhundert kleine und mittelgroße Schürfstellen und Bergwerke, die größten befanden sich in Hallein (Salz), Rauris und Gastein (Gold, Silber und Kupfer). Weitere Erzfundstellen waren zum Beispiel in Dienten, in der Flachau, im Großarltal, am Radstädter Tauern, in Mühlbach westlich von Mittersill, in Thumersbach und in Ramingstein. In Leogang war ab etwa 1425 ein mittelgroßes dieser zahlreichen Salzburger Bergwerke.

DAS LAND SALZBURG BILDET SICH

Der Bergbau begünstigte die Wirtschaft wie die Konstituierung des Landes Salzburgs. Dass ein Gebiet zu einer politischen Einheit formiert wird, zeigt sich unter anderem an gemeinsamem Recht. Die Ausbreitung der Bergwerke bewirkt eines der ersten Salzburger Landesgesetze, die Bergbauordnung: Die erste von 1342 gilt für Hüttenberg, Gastein und Rauris, jene von 1463 betrifft erstmals alle Bergwerke nördlich der Tauern, dieser folgt 1477 die erste das ganze Land umfassende Bergbauordnung. Für die Rechtsprechung sind eigene Bergrichter eingesetzt.
Zudem erfordert der Bergbau große Mengen an Holz, sei es zum Bau von Stollen, zum Abtragen des Steines, zum Schmelzen oder zum Sieden. Folglich wird der Wald, einst wildes, kaum benütztes Gebiet, zur Ressource nicht nur für einzelne Bauernhöfe, sondern für eine das Land überspannende Volkswirtschaft. Wo Grund- und Landesgrenzen verlaufen, wird zur Existenzfrage.
Die Bergwerke unterliegen einem landesweiten System von Abgaben. Mit Ausnahme der Salzbergwerke werden sie zumeist von Privaten, den Gewerken, geführt. Doch sind diese dem Erzbischof zu Fron (ein Zehntel des gewonnenen Erzes ist unentgeltlich zu überlassen) und Wechsel (in festgesetzten Fristen ist Erz unter dem Marktwert an die erzbischöfliche Kammer zu verkaufen) verpflichtet. Andererseits gewähren die Erzbischöfe den Gewerken Darlehen, sie betreiben also mittels dieses Förderinstruments eine steuernde Wirtschaftpolitik.

Ab dem 17. Jahrhundert werden die Erzbergwerke nach und nach erzbischöfliches Eigentum. Das Leoganger Bergwerk wird 1760 verstaatlicht, als Erzbischof Sigismund Schrattenbach es um 16.000 Gulden von Jakob Prugger von Pruggheim kauft.
Der Bergbau trägt also nicht nur zum Reichtum der Erzbischöfe bei, sondern auch zur Landwerdung Salzburgs: dass aus einer Landschaft ein deutlich umgrenztes, durch wirtschaftliche Struktur verbundenes, von einer Obrigkeit regiertes Herrschaftsgebiet wird.

HAMMER, SCHRÄMMEISEN UND BRECHSTANGE

Auch wenn der Bergbau für Wirtschaft, Politik und Selbstverständnis des Landes segensreich war, für die Knappen und Hutmänner war er hart und schwer. Nora Watteck erzählt davon: „Die Arbeit der Knappen war in früherer Zeit noch viel schwerer als in der Jetztzeit, da ihnen nur Hammer und Schrämmeisen zur Verfügung standen. Auch war sie sehr gesundheitsschädlich, denn die ölgenährten Lampen verbrauchten allzuviel von dem wenigen Sauerstoff und verrauchten und verqualmten die engen Stollen. Bis zum 16. Jahrhundert, als man schon die Sprengkraft des Pulvers kannte, stand aber meist die seit vorgeschichtlicher Zeit übliche Methode des ,Feuersetzens‘ in Gebrauch, um Gestein herauszubrechen. Da wurden am Ende des Stollens Holzscheiter entzündet, dadurch erhitzte sich das Gestein. In hölzernen Rinnen – denn Schläuche kannte man noch nicht – wurde dann kaltes Wasser darauf geleitet. Dabei sprengte der große Temperaturunterschied Teile des erhitzten Gesteins ab, so dass man dann mit Brechstangen die entstandenen Spalten und Risse erweitern konnte.“

Versucht man, sich die unsägliche Anstrengung des Hämmerns und des Schleppens vorzustellen, auch die Gefahr von Feuer und Steinbruch, die miserable Luft, die Finsternis in den engen, schlecht beleuchteten Stollen, mag man erahnen, wir hart das Los der damaligen Bergleute gewesen sein muss. Ein wenig Trost und Halt fanden sie vielleicht im Vorbild von Menschen, denen es mindestens so schlecht wie ihnen ergangen war: im Turm eingesperrt, am Rad gemartert, einsam, in Seenot, in siedendes Pech getaucht, von Obrigkeit oder Vater unterdrückt. Oder sie gedachten der Muttergottes, die das qualvolle Sterben ihres Sohnes erleben musste.
Man erzählte einander vermutlich die Geschichten dieser mutig Ertragenden, und man hielt die Erinnerung an sie mit einem Abbild – sei es Gemälde oder Skulptur – wach. Diese gotischen Kunstwerke bergen ja die wundersame Verwandtschaft: Eine Erzählung fesselt, wenn ihre Sprache bildhaft ist; und ein Bild wird betrachtet, wenn es Geschichten oder Assoziationen weckt.

ELEGANZ UND FRÖMMIGKEIT

Vielleicht wirkte das Wissen um dieses schmerzensreiche Leben anderer lindernd auf jene, die selbst Leid zu tragen hatten. Doch es geht um mehr als um die Weisheit, wie sie im Sprichwort steckt: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Alle diese Heiligen – sei es Barbara, Katharina, Vitus, Leonhard, Erasmus oder Maria – haben ihr Leid dank ihres Glaubens an den Erlöser und an die Auferstehung mutig, würdig und sogar mit einem Lächeln zu ertragen vermocht. Dieses im Glauben überwundene Leid macht sie schön.

Gotische Skulpturen zeigen Heilige mit feinen Gesichtern, prächtigen Gewändern und eleganten Körperhaltungen. Mimik und Gestik lassen zudem oft Andacht, Frömmigkeit, ein tiefes Wissen um das Wesentliche des Menschseins oder gar Verzückung und Verklärung erkennen, so, als strahlte eine überirdische Schönheit aus dem Inneren der hölzernen oder steinernen Figur. Entspricht diese Schönheit dem, was in der gotischen Architektur das Licht ist? Jenes Licht, das sich in den farbigen Fenstern bricht und somit zum Leuchten bringt, was die Bilder der geheimnisvollen Geschichten von Altem und Neuem Testament erzählen?

MIT DER SCHÖNEN MADONNA STEIL BERGAUF

Nimmt man als Maßstäbe die Häufigkeit der Darstellungen sowie die Positionen in Kirchen und auf Gemälden, so ist das bedeutendste Vorbild der Menschen im Spätmittelalter, also auch der Bergleute, die Muttergottes.
An Mariä Heimsuchung, den Besuch bei ihrer Base Elisabeth und den Beginn ihrer Schwangerschaft, erinnert der Name eines Leoganger Stollens ebenso wie eine Skulptur in der Sammlung, die im Jahr 2000 mit Unterstützung des Komitees für Salzburger Kunstschätze unter der Leitung Karl-Heinz Ritschels angekauft wurde.

Zwei Madonnen sind für die Leoganger Sammlung von besonderem Wert: Die eine ist die Schöne Madonna (Salzburg, um 1410). Sie wurde 1997 um damals zwei Millionen Schilling (rund 145.000 Euro) vom Verein des Museums und mit Unterstützung von Land und Bund gekauft. Dies erregte überregionales Aufsehen. „Dass sich so ein kleines Museum mit so hochwertiger Kunst beschäftigt, hat viele gewundert, in Salzburg haben mich auf der Straße fremde Leute deswegen angeredet“, erzählte Hermann Mayrhofer. „Und von da weg ist es steil bergauf gegangen.“ Zug um Zug wurde die Sammlung erweitert, und im Jahr 2000 fand die erste Gotik-Sonderausstellung statt.

SALZBURGER LÖWENMADONNA UND HL. BARBARA

Das andere Prunkstück ist die 2004 erworbene Salzburger Löwenmadonna. Von diesem Typus, einer Madonna, die auf einem Löwen steht, gibt es nach Angaben Hermann Mayrhofers nur sieben auf der Welt: eine im Louvre, eine im Bode-Museum in Berlin (die aus Wals bei Salzburg stammt), zwei im Bayerischen Nationalmuseum in München, eine in Hamburger Privatbesitz, eine in Leogang und eine in Wals bei Salzburg, die der dortige Bürgermeister Ludwig Bieringer auf Anregung Hermann Mayrhofers im Jahr 2009 ersteigern konnte. Die wichtigste Patronin der Bergleute ist die heilige Barbara. Eine Skulptur aus der Zeit um 1480 war der erste Ankauf 1995, somit ist Barbara die Gründungsheilige für die Leoganger Gotik-Sammlung. Zudem ist eine heilige Barbara auf dem rechten Seitenaltar der Leoganger Kirche sowie im Altarbild der Annakapelle in Hütten mit Schwert und Turm abgebildet. Sie ist – neben dem heiligen Leonhard – eine der beiden Ortsheiligen. Und ein Stollen in Schwarzleo heißt nach der standhaften Jungfrau, die Einsamkeit und Unterdrückung ertragen hat und der einmal sogar ein Felsen das Leben gerettet hat, indem er sich öffnete und ihr Schutz bot.

DIE HEILIGEN DREI MADLN

„Die Barbara mit dem Turm, die Margareta mit dem Wurm, die Katharina mit dem Radl, das sind die heiligen drei Madln.“ So sagt es der Volksmund, und so hielten es die Bergleute.
Eine heilige Katharina ist am Bergbaualtar in der Annakapelle in Hütten abgebildet, auch nach ihr ist ein Stollen im Schwarzleotal benannt. Seit 2007 ist eine Katharina als Leihgabe in der Leoganger Sammlung. Wie kam sie dahin? „Ein Salzburger Sammler sagte mir, er würde eine schöne Figur, die in unser Museum passt, gerne finanzieren. Da sind wir auf diese Katharina von 1495 gekommen“, erzählt der Kustos. Sie stamme aus dem Kloster Neustift in Südtirol, sei vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum verkauft worden, um so den Erwerb einer Kruseler-Madonna zu finanzieren.
Und wie findet man einen solchen Gönner? „Der hat unsere Gotik-Ausstellung 2003 gesehen“, schildert Hermann Mayrhofer. Und wenig später habe er zudem noch eine spätgotische Madonna (um 1480) aus Familienbesitz geerbt und daraufhin „bei mir angerufen“, ob er sie als Leihgabe zur Verfügung stellen dürfe. „Seither steht sie in Leogang, sie ist wunderbar.“
Noch ein drittes Exponat dieses Museumsfreundes ist als Leihgabe im Bergbaumuseum. Der Kustos beschreibt sie so: „Diese kleine Madonna, eben falls von Ende des 15. Jahrhunderts, zeichnet sich aus durch außergewöhnlich prächtiges Haarkleid bis hinunter zur Hüfte, das noch in Resten vergoldet ist. Ganz etwas Liebenswürdiges!“ Solche Anerkennung wie durch diesen Sammler sei für ihn eine starke Motivation.
Auch das dritte der „heiligen drei Madln“, die Margareta, ist bereits in Leogang: Auf dem Flügelaltar aus der Sammlung Frey ist diese jungfräuliche Märtyrerin und Nothelferin abgebildet. Der Legende nach hat sie den Teufel in Gestalt eines Drachens („Wurm“) überwunden. „Margareta“ kommt vom griechischen Wort für „Perle“, und Perlenkranz oder -krone sind Zeichen für ihre Gottesliebe. Der Flügelaltar wurde vom Freundeskreis des Museums im Jahr 2008 zusammen mit anderen Kostbarkeiten als erster Teil der Sammlung Frey erworben und ist an das Museum verliehen.
Carl von Frey (1826–1896) war Salzburger Geschäftsmann, er führte das Heffter’sche Handelsgeschäft in der Getreidegasse und bewohnte auf dem Mönchsberg den „Roten Turm“, auch „Frey-Schlössl“ genannt, das seine Nachfahren vor Kurzem an die Familie Kaindl verkauft haben. Carl von Frey trug die heute noch größte private Gotik-Sammlung Salzburgs zusammen. Um auch deren zweiten Teil nach Leogang zu bringen und so die vom Bundesdenkmalamt als schutzwürdig erkannte Frey-Sammlung komplett zu erhalten, ersucht der Museumsverein um Spenden.

THRONENDE GROSSMUTTER

Nach der bereits erwähnten Barbara war der zweite Ankauf 1996 die Figur einer Anna Selbdritt (heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und ihrem Enkelsohn Jesus). Vor dieser schwäbischen Holzskulptur (um 1480) sei er oft „stundenlang gesessen, um das Gesicht zu beobachten“, erzählt Hermann Mayrhofer. Ihn fasziniere die „großmütterliche Ausstrahlung“ dieser thronenden Frau, wie sie mit ihren Händen die Familie zusammenhalte. Auch die Bergbaukirche in Hütten ist der Mutter Anna geweiht; ein Bild auf der linken Seite der Kapelle zeigt sie, wie sie ihrer Tochter Maria das Lesen lehrt. Und der zweite Teil der Frey-Sammlung, die vielleicht – noch hapert es, wie gesagt, an der Finanzierung – einmal zur Gänze nach Leogang kommen soll und heuer als Leihgabe ausgestellt ist, enthält ein Tafelbild der heiligen Anna im Wochenbett aus dem Umkreis des Meisters von St. Leonhard bei Salzburg.
Nach Barbara und Anna war Christophorus der Dritte in der Sammlung. Er kam im Herbst 1996 über einen Betriebsausflug nach Leogang. Bei der Innsbrucker Antiquitätenmesse hatte Hermann Mayrhofer diese Skulptur gesehen, und „zufällig vier Tage nachher“ unternahm die Gemeinde einen Betriebsausflug Richtung Allgäu. Während der Fahrtpause in Innsbruck sei er auf die Idee gekommen, den Bürgermeister und den Obmann der zweiten Gemeinderatsfraktion auf die Messe zu führen, erzählt der Kustos. „Nach einer halben Stunde war der Christophorus gekauft.“
Nach dem Erwerb dieser ersten drei Grundsteine der Sammlung zog sich die Gemeinde Leogang aus der Mitfinanzierung von Ankäufen zurück. Andere bedeutende öffentliche Geldgeber sind das Land Salzburg, insbesondere das Komitee für Salzburger Kunstschätze, sowie die Republik Österreich, vor allem nennt da der Kustos des Leoganger Museums ÖVP-Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer.

PLAUDERN, WEIN TRINKEN UND LEIHGABEN

Außergewöhnlich ist die Unterstützung von Freunden des Museums sowie privaten Sammlern. Diese Kontakte sind es, mit denen Hermann Mayrhofer scheinbar Unmögliches in Bewegung bringt. Er lockt ansonsten niemals zugängliche Leihgaben für Sonderausstellungen an, und er gewinnt Dauerleihgaben oder sogar Geschenke.
Einmal zum Beispiel seien zwei Besucher aus Tirol im Museum gewesen, erzählt der Kustos. Er sei mit ihnen ins Gespräch gekommen, dann habe man sich noch zufällig beim Hüttwirt wiedergesehen und weitergeredet. Wer das war? „Ein Gotik-Sammler mit seiner Frau.“ Bald darauf gab ein Tiroler Sammler acht Figuren als Leihgaben für die Ausstellung 2003. Und zu seinem 85. Geburtstag im Februar 2010 machte er dem Leoganger Museum ein Geschenk: die Pietà aus Steinguss (um 1420).
Oder: „Einmal war ich zum Abendessen beim Kirchenwirt in Leogang eingeladen“, erzählt Hermann Mayrhofer. Da habe neben ihm ein Deutscher gesessen. Man habe geplaudert, und er habe von einem „traumhaft schönen heiligen Georg“ erzählt, der zu kaufen sei. Da sagte sein Tischnachbar: „Ich überweise Ihnen das Geld für den Ankauf des heiligen Georg.“
Oder: Bei der Vorbereitung für die Ausstellung 2003 habe ein Sammler ihm den Kontakt zu Herrn Dr. Otto Möltner vermittelt. Der Vorarlberger aus Lochau besaß „einen wunderschönen Marientod“. Hermann Mayrhofer bat ihn um diese Leihgabe. „Da hat er gesagt, er wolle zuerst das Museum anschauen. Damals war unsere unterirdische Erweiterung noch im Rohbau. Er hat sich von mir die Philosophie des Museums erklären lassen, dann sind wir zum Hüttwirt gegangen. Er hat eine gute Flasche Wein bestellt, da haben wir angestoßen, und er hat gesagt: Ich stelle es zur Verfügung.“ Und nach der feierlichen Eröffnung der Ausstellung 2003 habe ihm Herr Dr. Möltner beim Abschied eröffnet: „Dieses Museum könnte Heimat für meine Sakraliensammlung werden.“ 2006 schenkte er tatsächlich all seine 45 Kunstwerke – darin sieben gotische Skulpturen – dem Leoganger Museum. „Das hat Riesenfreude bereitet, und für das Image des Museums ist das sehr positiv“, sagt der Kustos. Nächstes Jahr wird ein „Dr.-Möltner-Raum“ eingerichtet: für die schönsten Stücke und dazu mittelalterliche Musik.
Oder: Als im November 2010 im Salzburger Dorotheum eine seltene Madonna mit Kruseler – das ist eine eigenartig gefaltete, im Spätmittelalter modische Haube – angeboten wurde, suchte Hermann Mayrhofer verzweifelt nach einem Sponsor. Alle möglichen Freunde bat er um Hilfe, vergeblich. Am Tag vor der Auktion rief ihn eine Bekannte an und sagte ihm die Telefon nummer einer in der Stadt Salzburg lebenden Dame, die er doch anrufen möge. Besagte Dame hatte noch nie an einer Auktion teilgenommen. Sie ließ sich begeistern, sagte nur: „Dann probieren wir’s“, und ging mit Hermann Mayrhofer zur Auktion. Um 20.000 Euro ersteigerte sie die Kruseler-Madonna, die sie seit Mai 2011 als Leihgabe dem Leoganger Museum überlässt. „Über so etwas bin ich überglücklich, das ist mein Lebenselixier“, sagt Hermann Mayrhofer.

Welche Wünsche hegt er? Der dringendste ist die möglichst baldige Komplettierung der Sammlung Frey durch Erwerb des zweiten Teils.

LIEBER EINE MADONNA ALS DIE RECHNUNG

Eine weitere Sehnsucht gilt einer gotischen Madonna, die einst in Leogang war. Sie stammt aus der einstigen gotischen Kirche, die Gordian Gugk (um 1480 bis ca. 1545) aus Laufen ausgestattet hat. Die Madonna war 1960 noch in Leogang, denn der Landeshistoriker Franz Martin hat sie erwähnt und beschrieben. „Dann verliert sich die Spur“, sagt Hermann Mayrhofer.
„Wir haben noch die Rechnung von 1534, aber wir hätten lieber die Madonna.“ Leider gebe es kein Foto, „aber man müsste sie nach Größe und Formensprache identifizieren können“. Es wäre „ein Traum“, dieses Kulturgut ausfindig zu machen und zurückzuholen, möglicherweise auch zu kaufen. „Denn zu einer Figur wie dieser haben die Menschen ihre Sorgen und Freuden hingetragen“, und einst hätten die Bergknappen und Gewerken ihr Selbstbewusstsein zum Ausdruck gebracht, indem sie Altäre, Kirchen und Skulpturen dieser Art gestiftet hätten. Wenn es also gelänge, diese für Leogang geschaffene gotische Madonna wieder zurückzuholen, „stärkt das die Region, so eine Figur schafft Identität“. Und: „Vielleicht lässt sich die Anregung damit verbinden, dass sich auch heute jemand dazu bewegen lässt, dafür etwas zu stiften.“

Für sein Anliegen, verlorenes oder verkauftes Kulturgut wieder an die jeweiligen Orte zurückzuholen, steht der Leoganger Kustos auch anderen Gemeinden als Berater und Sucher zur Verfügung, sei es für Mariapfarr, Großarl, Wals (für den erwähnten Ankauf der Löwenmadonna 2009), Bramberg, Wald im Pinzgau oder Gois bei Salzburg.
Nicht nur Skulpturen und Gemälde der Gotik sucht der Kustos für die Sammlung, auch Kunsthandwerk aus jener Zeit ist gefragt; die Pfarre Fusch, wo einst Gold abgebaut wurde, hat ihm kostbare Kelche und Kreuze als langfristige Leihgaben überlassen. Ebenso in Einzelstücken bereits im Leoganger Museum vorhanden und weiter zu wünschen sind gotische Möbel, „damit wir den heutigen Menschen vermitteln können, wie unsere Vorfahren damals gelebt haben“.

„ICH HABE MICH IN DIE GOTIK VERLIEBT“

Warum tut er sich all die Mühen für das Museum an? „Ich habe als Amtsleiter der Gemeinde die lange, positive wirtschaftliche Entwicklung erlebt“, erzählt der nun pensionierte 66-Jährige. Er ist ein Pinzgauer Bauernbub, war eines von sieben Kindern am Erbhof Otting. Er hat – abgesehen von einem Schulbesuch in Tirol – sein Leben in Leogang verbracht und ist Familienvater von fünf Kindern.
Neben der Wirtschaft habe es in Leogang wenig Interesse für Kultur und Geschichte gegeben, bedauert Hermann Mayrhofer. „Dieser Verlust hat mich geschmerzt. Denn wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß nicht, wer er ist und wo er hingeht.“ Sein Anliegen sei es, die Geschichte für Einheimische wie für Gäste aufzubereiten. Gotik und Bergbau habe er wegen ihrer Bedeutung für Leogang sowie auch deshalb als Anknüpfungspunkte gewählt, „weil das eine Marktnische ist, weil das sonst noch niemand gemacht hat“. Außerdem gesteht er: „Ich habe mich in die Gotik verliebt, das muss ich echt sagen. Nach und nach ist es zur Leidenschaft geworden, ich habe viele Bücher gelesen. Jetzt ist es meine Lebensaufgabe.“
Begonnen hat sein Engagement für das Museum mit dem einstigen Bergverwalterhaus von 1593. Dieses war über die österreichische Forstverwaltung an das Verteidigungsministerium gekommen, von dem es die Gemeinde Leogang 1989 zurückgekauft hat. Es steht an einer Stelle, die wie ein Keim vieles birgt, woraus – damals wie heute – Leben erwächst: Arbeit, Verdienstmöglichkeit, Gebet, Essen, Trinken, Geselligkeit sowie Kultur und Natur. Der Name „Hütten“ erinnert daran, dass hier Erz verhüttet wurde und eine Siedlung der Bergleute war.

Wo heute das Museum ist, war einst die Verwaltung des Bergbaus. Daneben sind die Hüttschmiede sowie das mittelalterliche Turmhaus, das im 18. Jahrhundert als erzbischöflicher Getreidespeicher für die Knappen diente. Erzbischof Sigismund Schrattenbach ließ 1770 für die Leoganger Knappen die zweijochige Annakapelle erbauen. Sie birgt einen von drei Bergbaualtären in Europa. Auf dem Altarbild gruppieren sich über einem Mundloch, aus dem ein Knappe einen Grubenhunt schiebt, wichtige Bergbauheilige: Daniel, Sebastian, Johannes, Florian, Katharina, Barbara und die Muttergottes. Sie alle sind Namensgeber für die Stollen in Schwarzleo. Dieses Altarbild sei der Ausgangspunkt für die Spezialisierung des Bergbaumuseums, erläutert Hermann Mayrhofer.

HÜTTWIRT, ACHE UND KAISER-LINDE
Neben Verwalterhaus und Andachtsort bietet der seit gut 500 Jahren bewirtschaftete Hüttwirt körperliche Labung und Geselligkeit. Südlich vom Hüttwirt fließt die Leoganger Ache, einst Wasserader des Bergbaus. Vis-àvis vom Museum steht eine ehrwürdige Linde: Sie wurde 1898 gepflanzt, um an das 50. Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josefs zu erinnern. Für den Fall, dass die alte Dame einmal schwach werden sollte, steht neben ihr eine Junglinde, um bei Bedarf den Rang als „Naturdenkmal“ zu übernehmen.
Das Bergverwalterhaus sei ab 1990 „ohne Architekt, nur mit dem Können von Pinzgauer Handwerkern“ renoviert und 1992 eröffnet worden, erzählt Hermann Mayrhofer. „Am Anfang hatten wir null Exponate.“ Er habe versucht, das Leoganger Museum anders als die üblichen Heimatmuseen und anders als andere Bergbaumuseen in Europa zu gestalten. „Das Thema Gotik und Bergbau ist unser Schwerpunkt, weil es europaweit einzigartig ist.“ Und „unser Maßstab ist immer: höchste Qualität“.
Mit der ersten Gotik-Ausstellung 2000 „haben wir gesehen, dass wir räumlich am Ende sind“. Im Zuge einer Teilnahme an einem LEADER-Projekt der EU mit Tiroler Nachbargemeinden wurde die nächste Großtat gesetzt: die Erweiterung um unterirdische Räume mit rund 250 Quadratmetern. Nach neun Monaten des Bauens folgte 2003 die zweite große Ausstellung „Maria – Licht im Mittelalter“. „Ich weiß heute noch nicht, wie das alles gelungen ist, wir haben Tag und Nacht gearbeitet“, erzählt der Kustos.

VIERTE GOTIK-AUSSTELLUNG SEIT 2000

Nach „Gotik entdecken und bewahren“ im Jahr 2009 ist nun „Rudolf Leopold – Gotiksammlung“ die vierte Ausstellung gotischer Skulpturen und Bilder. Zu all diesen Gotik-Ausstellungen sind Kataloge erschienen, die den Vergleich mit Publikationen großer Museen nicht scheuen.
Zwischen den Gotik-Ausstellungen gab es ein reiches Programm an Veranstaltungen – insbesondere im Advent – sowie an Ausstellungen im Sommerhalbjahr, wie „Tauerngold“ (1993), „Holz und Salz. 175 Jahre Salinenkonvention“ (2004), „275 Jahre Emigrationspatent“ (2006), „Geprägte Geschichte – 800 Jahre Münzen im Erzstift Salzburg“ (2008) und „Die unbekannten Steinberge“ (2010), zudem über Mineralien sowie Kunst und Volkskunst aus der Region.

Ein Resümee für 1992 bis 2010 ergibt: Rund 120.000 Besucher sind ins Leoganger Museum gekommen, darunter ein Vertreter der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ein Redakteur der New York Times, ein Universitätsprofessor aus Peking und der Leiter der Kunstakademie Prag.

LIMOGES-KREUZ IM MÜLLCONTAINER

Ein Sensationsfund ereignete sich im August 2007. „Kunstschatz landet im Abfalleimer“ titelten die „Salzburger Nachrichten“. Die Zeller Hausfrau Lydia Gruber hatte in einem Müllcontainer in Zell am See ein glänzendes, buntes Ding entdeckt. Es war ein vergoldetes, mit Emaille und Gravuren reich verziertes Kupferkreuz. Die Finderin verwahrte es drei Jahre lang unter ihrem Sofa, dann gab sie es mit den Worten „Tun Sie etwas Gescheites damit“ ihrem Nachbarn, Professor Dr. Peter Brücke. Der brachte es zur Begutachtung ins Leoganger Museum, wo Hermann Mayrhofer und sein Mitarbeiter Martin Seiwald dessen kunsthistorische Bedeutung als Limoges-Kreuz erkannten. Das Landeskriminalamt Salzburg wurde eingeschaltet.
Das Kreuz ist etwa 800 Jahre alt und wurde in einer mittelalterlichen Manufaktur im französischen Limoges hergestellt. Offenbar war es ein Stück aus der Beute der Nationalsozialisten, die in Schloss Fischhorn eine Menge geraubter und konfiszierter Wertsachen verstaut hatten. Den Ermittlungen zufolge war das Limoges-Kreuz vor dem Krieg im Besitz der polnischen Adelsfamilie Czartoryski. 1889 war es bei der Weltausstellung in Paris zu sehen. Die polnische Gräfin Izabella Elzbieta hatte zwar 1939 die Kunstsammlung Czartoryski von Schloss Gołuchów nach Warschau gebracht und sie dort in einem Kellergewölbe eingemauert, um sie vor den deutschen Besatzern zu verbergen. Doch im Dezember 1941 entdeckten Nationalsozialisten das Versteck und brachten die Sammlung ins Nationalmuseum in Warschau. Nach dem Warschauer Aufstand 1944 wurden die Kunstwerke auf Befehl Adolf Hitlers in das Schloss Fischhorn nach Bruck geliefert. In Polen galt das Kreuz als verschollen. Tatsächlich war es lange im Besitz der Familie eines Gasteiner Hoteliers, der später nach Zell am See übersiedelte.

NS-RAUBGUT AUF SCHLOSS FISCHHORN

Der Pinzgauer Bezirksarchivar Heinz Scholz kennt die Geschichte des Raubgutes in Schloss Fischhorn. Viele Kunstschätze seien 1944 dorthin transportiert worden, vor allem vom Obersalzberg, darunter Möbel, Bilder und Privatgepäck Adolf Hitlers sowie mehrere Kisten von SS-Reichsführer Heinrich Himmler. Auch aus Polen sei viel Raubgut angeliefert worden, sechzehn volle Eisenbahnwaggons sollen es gewesen sein. Beim Rücktransport 1946, unter Schutz von bewaffnetem, US-amerikanischem und polnischem Wachpersonal, „waren es nur noch zwölf Waggons“, schilderte der Archivar im SN-Interview.

Wie lässt sich die Differenz erklären? Offenbar haben sich in den Tagen zwischen Abzug der Nazis und Einmarsch der US-Amerikaner einige Pinzgauer im Schloss bedient. „Teilweise kamen die Leute mit Fuhrwerken und Radlböcken, um die Sachen abzutransportieren“, erzählte Heinz Scholz im August 2007 den SN.
Bis zur gerichtlichen Klärung – der Prozess begann am 16. November 2007 im Bezirksgericht Zell am See – blieb das Limoges-Kreuz, dessen Wert auf 400.000 Euro geschätzt wurde, im Leoganger Museum und brachte dort einen Rekord von 9.000 Besuchern samt weltweiten Medienberichten. Anfang Mai 2008 hieß es dann: „Der Graf holt das Kreuz.“ Graf Adam Karol Zamoyski kam nach Leogang, und nach einem Gottesdienst in der Annakapelle in Hütten übernahm er das Limoges-Kreuz im Namen der von ihm 1991 gegründeten Krakauer Czartoryski-Stiftung.

DREI KARDINALTUGENDEN EINES MUSEUMS

In seiner nun fast zwanzigjährigen Geschichte hat das Bergbau- und Gotikmuseum Leogang die drei Kardinaltugenden eines Museums vorgelebt: Sammeln, Forschen und Ausstellen. Und all dies zeigt: Die Kombination von „Bergbau“ und „Gotik“ ist sinnvoll, denn der Bergbau war zur Zeit der Gotik bedeutend, und die Sehnsucht der Bergleute nach Patronen, Fürsprechern und Vorbildern kommt in der gotischen Kunst zum Ausdruck.
Zudem eröffnet das Leoganger Museum mit diesem Thema die Möglichkeit, die Geschichte Salzburgs und des Pinzgaus nicht – wie sonst oft – vom Standpunkt der Erzbischöfe als oberste Landesherren, sondern aus Sicht der Menschen auf dem Land zu erkunden. Spenden für den Ankauf des zweiten Teils der Frey-Sammlung sind erbeten auf folgendes Konto: Konto-Nr. 004033948, BLZ 20404, Salzburger Sparkasse, lautend auf „Bergbaumuseumsverein Leogang“ (steuerlich absetzbar).
Auch neue Mitglieder im Leoganger Bergbaumuseumsverein sind will -
kommen. Der Beitrag beträgt 15 Euro pro Jahr. Kontakt:
Bergbau- und Gotikmuseum Leogang, Hütten 10, 5771 Leogang,
Tel.: 06583/7105, E-Mail: info@museum-leogang.at

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