„Deutsch“ gebietet bereits die Höflichkeit
„Bitte redet in gemischtsprachigen Gruppen deutsch!“, lautet der Appell, den die HWL Elisabethinum in St. Johann an ihre 20 Schüler mit Migrationshintergrund richtet. Hinsichtlich Integration sei das sogar förderlich, meint ATIP-Leiter Askin Karadeniz dazu.
ST. JOHANN (pjw). In der Hausordnung der HWL (Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe) Elisabethinum in St. Johann ist seit Beginn des Schuljahres 2009/10 die Verhaltensvereinbarung verankert, in der Schüler mit fremder Muttersprache dazu angehalten werden im Rahmen schulischer Aktivitäten deutsch zu reden, wenn deutschsprachige Mitschüler dabei sind. Genau dieser Vorstoß hat in der Vorwoche österreichweites Medieninteresse geweckt und politische Wogen geschlagen: „Das war bestimmt nicht unsere Absicht, auch nicht, dass wir von der FPÖ instrumentalisiert werden – mit deren Gedankengut hat unsere Schule nichts zu tun“, versichert Wolfgang Wenger, der Lehrer und Pressesprecher am Elisabethinum. Grundsätzlich wird das Ganze als schulinterne Angelegenheit betrachtet: „Ich empfehle anderen Schulen nicht, dass sie unser Modell einfach so übernehmen. In solchen Angelegenheiten braucht es immer eine schulspezifische Entscheidung. Im Elisabethinum stimmen die Voraussetzungen“, betont Wenger und erklärt: „Von den rund 400 Schülern haben 20 – also nur fünf Prozent – ausländische Wurzeln. Alle wurden von der Direktorin, Christina Röck, zu dieser Thematik angehört – schlussendlich kam der Appell im Einvernehmen aller Beteiligten zustande.“ Auch die betroffenen Jugendlichen mit Migrationshintergrund verstehen die Aufregung nicht. „Die Höflichkeit alleine gebietet es bereits in einer Sprache zu sprechen, die alle in der Gruppe verstehen“, meint beispielsweise Armina aus Bosnien unter zustimmendem Nicken von Merve (Türkei) und Ružica (Kroatien) ergänzt: „Eigentlich hat sich zwischen vor- und nach dieser Vereinbarung nicht viel verändert.“
Es hat Beschwerden gegeben
Dennoch muss es in Schülerkreisen Klagen gegeben haben, ansonsten wäre es zu einem derartigen Eintrag in die Hausordnung, was vom Schulgemeinschaftsausschuss (je drei Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter) einstimmig beschlossen worden ist, wohl nicht gekommen. Schulsprecherin-Stv. Monika Fallenegger erinnert sich, dass sich einzelne Mitschüler bei der Schülervertretung beschwert bzw. besagtes Anliegen geäußert haben. Warum das langfristig nicht unter den Schülern selbst ausgemacht werden konnte sei logisch: Frei nach dem Motto „das geschriebene Wort ist stärker als das gesprochene“ hat der Wunsch, zumindest in gemischtsprachigen Gruppen oder bei schulgemeinschaftlichen Aktivitäten (Exkursion, Wandertag, usw.), deutsch zu sprechen zur schriftlichen Verankerung in der Hausordnung geführt. „Sanktionen bei Verstößen wird es keine geben“, betont Wolfgang Wenger. Knapp zehn Monate ist die Verhaltens-Vereinbarung nun in Kraft und alle vom BEZIRKSBLATT PONGAU befragten Lehrer und Schüler haben die selbe Erfahrung gemacht: „Es funktioniert reibungslos!“
Integrations-Insider findet Appell integrationsfähig
Askin Karadeniz, Leiter von ATIB St. Johann (türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich), erachtet den Appell als gut, logisch und integrationsfördernd. „Es gehört einfach zum guten Ton in der Sprache – und in Österreich ist das eben Deutsch – zu sprechen, die alle verstehen. Darauf weist unser Verein auch immer wieder hin“, lobt der Experte in integrativen Angelegenheiten den Elisabethinum-Vorstoß. Auch die Gefahr kultureller Entwurzelung von Schülern mit Migrationshintergrund sei seiner Ansicht nach nicht gegeben, da ausreichend Möglichkeiten bestünden, etwa zuhause, sich in seiner Muttersprache zu unterhalten. Ferner sei dieser Appell auf alle gesellschaftlichen Bereichen anzuwenden, wenn es um das Thema Integration geht. Zur Erklärung: Der Verein ATIB steht für Förderung der Völkerverständigung und setzt sich für Toleranz und Freundschaft ein, um ein gemeinsames Leben in der Gesellschaft ohne Isolation und Diskriminierung zu ermöglichen.
Gesellschaftsfähig auch in anderen Lebensbereichen?
Eine gemeinsame Sprache fördert das Klima untereinander, es hilft bei der Integration. Auf Anfrage gab Josef Kaiser, GF der Großarler Baufirma „Kaiser Bau GmbH“ (dieser Betrieb wurde vom BEZIRKSBLATT zufällig ausgewählt) zu verstehen, dass die Verhaltensvereinbarung deutsch zu sprechen auch in der Berufswelt durchaus auf Gehör stoßen könnte. Seiner Erfahrung nach sind die meisten Arbeiter mit Migrationshintergrund – zumindest in seiner Firma – im Allgemeinen ohnehin bereits sehr gut in das gesellschaftliche Leben vor Ort integriert. Deutsch zu reden hätte sich auf seinen Baustellen quasi von selbst eingebürgt.
Integration und Stiften von Gemeinsamkeiten – ein Miteinander statt Nebeneinander von Einheimischen und Migranten – diese Vision könnte durch den anfangs umstrittenen Vorstoß des Elisabethinums nun sogar etwas greifbarer geworden sein – so scheint es zumindest.
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