Wald vor Wild
Eigenjagd im Revier "Reutte Untere" bleibt ein Dauerthema

Das Thema Jagd ist mit unterschiedlichen Interessen und ebenso mit Emotionen verbunden. | Foto: Archiv
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  • Das Thema Jagd ist mit unterschiedlichen Interessen und ebenso mit Emotionen verbunden.
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Das Entscheidung,  das Jagdrevier „Reutte Untere“selbst zu betreiben, sorgt weiterhin für Diskussionen.

REUTTE. Im Juni 2024 wurde mit Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat entschieden, das Pachtverhältnis für die Jagd "Reutte Untere" nach 40 Jahren nicht mehr zu verlängern und ab April 2025 auf eine Eigenbewirtschaftung umzustellen. Anlass dafür war der schlechte Zustand des Waldes - verursacht durch Wildverbiss und Klimaschäden. Bürgermeister Günter Salchner gab als Devise "Wald vor Wild" vor.
Die Entscheidung wurde heftig diskutiert - im Gemeinderat, ebenso im Nachgang auch innerhalb der Jägerschaft. So wurde der Reuttener Beschluss u.a. auch bei der Trophäenschau zum Thema.

Bericht in der Gemeindezeitung

In der Juli-Ausgabe der Reuttener Gemeindezeitung findet sich jetzt ein zweiseitiger Bericht, in dem Forstexperte Josef Walch erklärt, warum aus Sicht des Forstes die Eigenbewirtschaftung einer Jagd Vorteile gegenüber einer Verpachtung hat.
Walch war bis zu seiner Pensionierung Leiter der Bezirksforstinspektion Reutte und kennt die Waldsituation im ganzen Bezirk genau. Er erklärt, dass es mit dem Waldzustand "durch Überhege in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich abwärts gegangen ist. Die Wildschäden in diesem Gebiet sind für eine gute Entwicklung des Waldes viel zu hoch."

Früherer Pächter meldet sich zu Wort

In den vergangenen Jahren war George Aman für die Jagd "Reutte Untere" verantwortlich. Der aus der Schweiz stammende Pächter war in der Vergangenheit mehrfach in der Angelegenheit angesprochen, meldete sich selbst aber nie zu Wort. Bis jetzt.
In einer schriftlichen Stellungnahme, die unserer Redaktion übermittelt wurde, weist Aman die Vorwürfe, er sei als Jagdpächter seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, "entschieden zurück".
Aman schreibt:

"Über Jahrzehnte hinweg haben wir mit hohem persönlichem Einsatz und unter enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Waldaufseher – der heute als Jagdverantwortlicher der Gemeinde agiert – alles daran gesetzt, die gesetzlich vorgegebenen Abschusszahlen zu erfüllen. Dass dies nicht immer in vollem Umfang gelang, lag nicht am fehlenden Willen, sondern an den tatsächlichen Gegebenheiten im Revier – ein Umstand, der auch dem heutigen Jagdleiter bestens bekannt sind."

(Hinweis: die Stellungnahme in vollem Umfang finden Sie am Ende dieses Beitrags.)

Aman sieht andere, politisch motivierte Gründe, die zur Eigenbewirtschaftung geführt haben. Die "katastrophale Beschreibung des Waldzustands"sei jedenfalls "sachlich überzogen" und entspreche nicht "der langjährigen Expertise unabhängiger Forstfachleute."

Bürgermeister verweist auf Gutachten

Dem widerspricht Bürgermeister Günter Salchner. Er verweist seinerseits auf den Artikel von Josef Walch in der Gemeindezeitung, ebenso aber auf "die aktuellsten Berichte zur Jungwaldentwicklung im Revier Reutte Untere sowie ein Gutachten, das wir bei einem sehr bekannten Wildbiologen in Auftrag gegeben haben." 
Für den Bürgermeister besteht Handlungsbedarf. Der Wildbestand im Revier sei zu hoch und damit auch die Schäden durch Wildverbiss. Salchner: "Der Klimawandel bringt mehr Stürme und Starkregenereignisse sowie auch längere Trockenphasen. Darauf müssen wir uns einstellen. Das heißt, wir müssen versuchen, einen stabilen Bergmischwald aufzubringen. Das gelingt nur, wenn der Verbissdruck geringer wird, also der Wildbestand an das Waldökosystem angepasst wird."

Den von Aman erhobenen Vorwurf, die Entscheidung in Reutte sei politisch motiviert, weist wiederum Salchner zurück:

"Mir geht es nicht um eine 'politische Agenda'. Mir geht es um einen gesunden Wald."

Oppositionschef sieht es anders

Klaus Schimana, Vizebürgermeister und Chef der größten Oppositionsfraktion im Reuttener Gemeinderat, sieht sich eher aufseiten des früheren Jagdpächters. Ihm wäre es lieber gewesen, hätte man mit einem Jagdpächter eine Lösung gefunden - entweder mit George Aman oder ansonsten mit einem neuen Pächter - alleine schon aus Kostengründen, wie er sagt. Der Umstieg auf die Eigenbewirtschaftung ist für Schimana jedenfalls "ein Fehler." 
Am Ende des Jagdjahres werde man sehen, ob die Mehrheitsentscheidung des Gemeinderates richtig war, oder nicht. Auch George Aman fordert Transparenz in der Angelegenheit.
Bürgermeister Günter Salchner schraubt die Erwartung nach schnellen Veränderungen herunter: "Man kann nicht von heute auf morgen ein Ergebnis liefern. Das ist ein langfristiger Prozess." Man brauche Geduld. "Wir werden aber alles sehr transparent darstellen", versichert Salchner. 

Zur Sache

Stellungnahme von George Aman zur Jagd Reutte Untere
"In Anbetracht der anhaltenden öffentlichen Diskussion rund um die Jagd in Reutte-Untere, sehe ich mich – nach Monaten des Schweigens – nun in der Lage, mich mit einem klaren Kopf, ohne Groll, aber mit Fakten zur Situation zu äußern. Die zahlreichen Artikel, die zuletzt über meine Person und die Jagdvergangenheit im Revier Reutte-Untere erschienen sind, werfen ein verzerrtes Bild. Es ist mir ein Anliegen, hier einige wichtige Punkte richtigzustellen.

Zunächst zur vielfach erhobenen Anschuldigung, ich sei als Jagdpächter meinen Verpflichtungen nicht nachgekommen: Diese Behauptung weise ich entschieden zurück. Über Jahrzehnte hinweg haben wir mit hohem persönlichem Einsatz und unter enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Waldaufseher – der heute als Jagdverantwortlicher der Gemeinde agiert – alles daran gesetzt, die gesetzlich vorgegebenen Abschusszahlen zu erfüllen. Dass dies nicht immer in vollem Umfang gelang, lag nicht am fehlenden Willen, sondern an den tatsächlichen Gegebenheiten im Revier – ein Umstand, der auch dem heutigen Jagdleiter bestens bekannt ist.

Was mich besonders stört, ist die Taktik, mit der die Öffentlichkeit aktuell informiert wird: Tropfenweise, über Monate hinweg, wird versucht, ein Bild zu zeichnen, das den Eindruck erweckt, die Jagd sei durch meine Pachtzeit vernachlässigt worden und nur durch eine kostspielige Eigenbewirtschaftung zu retten. Dabei ist klar: Der politische Wille zur Eigenbewirtschaftung wurde lange im Hintergrund vorbereitet. Die katastrophale Beschreibung des Waldzustands, die zur Begründung herangezogen wird, ist sachlich überzogen und entspricht nicht der langjährigen Expertise unabhängiger Forstfachleute, die sehr wohl auf punktuelle Verbesserungsbedarfe hingewiesen haben – aber nie auf einen flächendeckenden Waldnotstand.

Heute, nach vielen Monaten, spreche ich nicht aus Emotion, sondern aus Erfahrung. Ich halte es für legitim, auch auf die finanziellen Folgen der neuen Jagdstrategie hinzuweisen. Dass nun unter dem Titel „klimafitter Wald“ jährlich hohe Kosten entstehen (u. a. durch mehrere gemeindeangestellte Jäger), und gleichzeitig Abschüsse an private Interessenten verkauft werden, wirft Fragen auf. Diese Form der Jagdbewirtschaftung birgt Risiken, denn Nachhaltigkeit und kurzfristige Trophäenjagd sind schwer vereinbar.

Ich habe Reutte und seine Bürgerinnen und Bürger stets als faire Partner erlebt. Für 40 Jahre Vertrauen, Zusammenarbeit und herzliche Aufnahme möchte ich mich – auch im Namen meiner Familie – bedanken. Es war eine prägende, erfüllte Zeit.

Abschließend lade ich alle, denen an Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit und gelebter Tradition und Kultur gelegen ist, dazu ein, sich künftig nicht nur vom Schein großer Schlagzeilen, sondern auch von der Realität und von Zahlen leiten zu lassen. Der neue Weg muss im Sinne der Gerechtigkeit von allen Bürgern genau beobachtet werden, damit diejenigen politischen Kräfte denen es absolut nicht um die Sache, sondern um ihre eigene politische Agenda geht, nicht auf längere Zeit Reutte weiterhin auf Irrwege leitet und ich fordere daher alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger von Reutte ausdrücklich dazu auf, die künftigen Gemeinderechnungen im Zusammenhang mit der Jagd genau zu prüfen – damit keine Zahlenakrobatik betrieben werden kann und volle Transparenz gewährleistet bleibt."

George Aman
Ehem. Jagdpächter Reutte-Untere und Hegeobmann

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