Schuldnerhilfe Innviertel
Von nicht leistbaren Geschenken und Panikanrufen vorm Fest

Karl-Heinz Vogelsberger, Regionalstellenleiter der Schuldnerberatung Innviertel. | Foto: Hamster – Der Bildermacher
  • Karl-Heinz Vogelsberger, Regionalstellenleiter der Schuldnerberatung Innviertel.
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Die Gefahr sich an Weihnachten zu verschulden, war nie größer. Was möchte ich schenken, was kann ich mir leisten? Das Gespür dafür ist verloren gegangen. Und vor allem Familien sind betroffen. Karl-Heinz Vogelsberger, Leiter der Schulderberatung Ried, die auch Hilfe in Braunau und Schärding anbietet, im Interview.

Ist Weihnachten tatsächlich eine Schuldenfalle?

Karl-Heinz Vogelsberger: Ja, leider. Die Gründe sind vielfältig. Weihnachten hat sich wie kein anderes Fest zu einem des Schenkens und Beschenktwerdens entwickelt. Die Gefahr einer Schuldenfalle entstand dadurch, dass sich Ansprüche und deren Leistbarkeit immer mehr voneinander entfernt haben, und das Gespür dafür verloren ging.

Aber wie konnte es so weit kommen?
Der soziale Druck, dem Weihnachtsideal der Werbungen zu entsprechen, steigt Jahr für Jahr.
Auch werden Kinder einem immer intensiver werdenden Konsum- und Markendruck in allen Medien ausgesetzt, sodass es Eltern mit beschränkten Geldmitteln sicherlich sehr schwer fällt, hier dagegenzuhalten und "Nein" zu sagen. Weiters boomen Onlinegeschäfte, bei denen hauptsächlich virtuell – Kreditkarte, Banküberweisung – bezahlt wird, sodass sehr schnell der Überblick verloren gehen kann. Wer sich nicht konsequent und hart beschränkt, findet sich schneller als ihm lieb ist in einer Schuldenfalle. Gleichzeitig stagnieren oder reduzieren sich Einkommen: stark steigende Inflation, nur mäßige Lohnabschlüsse, vermehrte Kurzarbeit, Ansteigen der Arbeitslosigkeit, ...

"Der soziale Druck, dem Weihnachtsideal der Werbungen zu entsprechen, steigt Jahr für Jahr. (...) Eltern mit beschränkten Geldmitteln sicherlich sehr schwer fällt, hier dagegenzuhalten und 'Nein' zu sagen."
Karl-Heinz Vogelsberger, Schuldnerberatung

Wie kann diese Verschuldung aussehen? 
Kontoüberziehung, Umschuldungsbedarf, allenfalls werden auch Mieten und sonstige sehr wichtige Wohnungsfixkosten nicht mehr überwiesen. Das kann sich zu Existenzkrisen auswachsen.

Wie kann ich das verhindern? Bar zahlen statt mit Kreditkarte?

Das kann helfen. Weil mir bewusster wird, wieviel Geld ich ausgebe (ich gebe Geld von meiner Hand in andere Hände), und ich zuvor das Geld beheben muss (ich werde allenfalls vom Bankangestellten gewarnt). Ich entwickle beim Barkauf eine Beziehung zum Kaufvorgang, habe vielleicht ein ungutes Gefühl, so viel Geld auszugeben, kaufe vielleicht günstiger oder hinterfrage überhaupt die Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit, gerade dieses Produkt zu erwerben. Die Wege zum Ziel (Kauf) brauchen viel mehr Zeit als im Internet. Mir verbleibt mehr Zeit zum Überlegen und Reflektieren.

Suchen jetzt in der Vorweihnachszeit vermehrt Menschen die Hilfe der Schuldnerberatung? 
Ein vermehrter Bedarf nach „organisierter“ Schuldenberatung setzt regelmäßig erst nach Weihnachten ein. Vor Weihnachten mehren sich jedoch „Panikanrufe“, bei denen es primär um den Wunsch, teilweise auch Forderung, nach sofortiger Hilfe zur Änderung von problematischen Lebensumständen- und situationen geht. Wir als Schuldenberatung können aber nicht mit Geld, sondern nur mit Rat zur Änderung, beispielsweise des Ausgabeverhaltens, allenfalls zur Vorbereitung von außergerichtlichen Ausgleichen oder mit der kostenlosen Vertretung in Privatkonkursverfahren aushelfen. Was jedoch regelmäßig einer, je nach Sachlage, mehr oder weniger langen Vorbereitungszeit bedarf.

Wen betrifft das vor allem? Sind es Familien? Menschen, die schon am finanziellen Limit leben?
Mittlerweile kann es alle und jeden treffen, weil sich eine Finanzplanung kraft der Umstände – Pandemie, Wirtschaft, Inflation, Einkommensunsicherheit – immer schwieriger gestaltet.
Hauptsächlich trifft es aber diejenigen, die sich in besseren Zeiten keinen finanziellen Polster zulegen konnten. Und hier sind ohne Zweifel Familien zuallererst betroffen. Wobei die Betroffenheit mit der Anzahl der Kinder steigt.

Hat sich die Situation mit der Covid-19-Krise verschlimmert? Viele shoppen online und verlieren den Überblick?
Ja, so ist es! In den letzten beiden Jahren haben sicherlich auch die Covid-19-bedingten, durch Lockdowns erzwungenen Konsumverzichte beziehungsweise Verlagerungen auf Onlinekäufe eine Eigendynamik in Richtung „noch mehr Verschuldung“ entwickelt. Vielleicht spielen auch stärker werdende Bedürfnisse - insbesondere bei Covid-Vereinsamten, sich selbst belohnen, eine immer größere Rolle.

Wo finde ich Hilfe, wenn ich Schulden gemacht habe?
Eine Schuldenberatung schadet nie! Entweder können die Probleme gleich an Ort und Stelle gelöst werden: beispielsweise mit Tipps für eine Änderung im Ausgabeverhalten, einer Richtigstellung von zu viel gepfändeten Beträgen oder mit individueller rechtlicher Beratung. Und wir helfen auch bei der Vorbereitung von außergerichtlichen Ausgleichen oder Privatkonkursen. Die Schuldnerberatung OÖ kann ihre Dienstleistungen kostenfrei anbieten, weil das Land OÖ dankenswerter Weise unsere Kosten zu 100 Prozent trägt. Wir unterliegen auch einer strengen Verpflichtung zur Verschwiegenheit 

Kontakt der Schuldnerberatung Ried-Schärding-Braunau

Anmeldungen für Beratungsgespräche erfolgen am besten telefonisch von Montag bis Freitag, 8 bis 12 Uhr, Dienstag und Donnerstag auch von 14 bis 16 Uhr unter der Nummer: 07752-88552. Hier geht's zur Webseite

Die Regionalstelle der Schuldnerberatung Ried ist in der Bahnhofstraße 38. Sprechtag in Braunau ist in der Arbeiterkammer (Salzburgerstraße 9), in Schärding im Familienzentrum (Alfred-Kubin-Straße 9 a-c)

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