Anklage: Mordversuch
"Damit Sie wissen, was sie für ein Mensch ist"
Wer hat am 2. August 2022 versucht, einem 42-Jährigen die Kehle durchzuschneiden? Tochter der Angeklagten: "Ich nicht."
RIED/ST. FLORIAN AM INN. Einen kreativen Umgang mit der Realität attestiert Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner der 32-jährigen Angeklagten, die sich zum zweiten Mal wegen versuchten Mordes verantworten muss. Sie soll ihrem damals 41-jährigen Ehemann im Schlaf einen 18 Zentimeter langen Schnitt in den Hals zugefügt haben. Die Geschworenen hatten die vierfache Mutter – für sie gilt die Unschuldsvermutung – beim ersten Prozess im Frühling vom Mordversuch freigesprochen. Die Richter setzten das Urteil aus. Am 26. Juli begann die neue Verhandlung. Am Freitag, 4. August, dem dritten Verhandlungstag, hätte das Urteil fallen sollen. Zuvor wurden die von der Angeklagten belastete Tochter sowie Psychiaterin Kastner gehört.
"Sie hat alle geschlagen"
Zur kindergerechten Zeugeneinvernahme der Tochter verschwand Richterin Leonie Paischer in einen Nebenraum. Die Befragung der heute 14-Jährigen war per Video auf einer Leinwand im Gerichtssaal zu sehen.
Richterin Paischer will wissen, warum sich die Tochter, die sich zuletzt entschlagen hatte, nun doch für eine Aussage entschieden habe. Bei der ersten Einvernahme durch die Polizei hätte sie das gesagt, was ihr die Mutter aufgetragen haben, berichtet die Zeugin. Danach habe sie Angst gehabt, weil das ja gelogen war. Nun wolle sie einfach auch Begebenheiten aus den Wochen und Monaten vor der Tat erzählen. Sie glaubt, "dass es wichtig ist, dass Sie wissen, was sie [die Mutter, Anmerkung der Redaktion] für ein Mensch ist".
"Die Tochter hatte keine altersgerechte Rolle inne und war einer erratisch überreagierenden Mutter ausgesetzt."
GERICHTSPSYCHIATERIN ADELHEID KASTNER
Die Jugendliche – die laut Kastner einen viel geordneteren, in sich ruhenden Eindruck machte als noch vor einem Jahr –, schilderte die Umstände ihrer Überforderung. Weil die Mutter oft "saufen" oder zu ihrem Freund gegangen ist, habe sie zumeist gekocht und sich um ihre kleinen Geschwister gekümmert. Die Mutter habe ihre Geschwister geschlagen, habe einmal ihren Vater und auch sie geschlagen. Auf die Frage eines Geschworenen nach Haustieren erzählte sie, dass die 32-Jährige zwei Katzen in einen Waschraum gesperrt habe. Dort seien die Tiere verendet. Streit sei manchmal eskaliert, Gegenstände geflogen, ihre Mobiltelefone kaputt gemacht und ihr Zimmer verwüstet worden. Am Tatabend sei sie mit ihrem Cousin im Esszimmer gewesen als die Schreie des Vaters zu hören waren.
Mehrere Versionen der Tat
Kaum verändert habe sich das Gutachten zur Angeklagten, berichtete Kastner. Die 32-jährige habe mehrere Versionen zur Tat geschildert, unter anderem, dass sie ihr Mann vergewaltigt hätte und sie sich mit dem Schnitt gewehrt habe. Zuletzt hat sie ihre Tochter belastet.
"Gibt keine Gründe, die die Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten zum Tatzeitpunkt aufgehoben hätten."
GERICHTSPSYCHIATERIN ADELHEID KASTNER
Die Angeklagte nehme es mit der Wahrheit nicht so genau, verwende verschiedene Narrative, die sie so gestaltet, dass sie das von ihr Gewünschte bekommt. Sie habe als Kind einer Mutter mit sieben Kindern von vier Männern selbst nie eine sichere Bindungen erlebt und leide an einer Persönlichkeitsstörung.
Auf unbestimmte Zeit vertagt
Auf Antrag der Verteidigung soll es ein Gutachten zu einer gefundenen Rasierklinge geben, die Tatwaffe sein könnte. Zudem soll ein weiterer Zeuge und der Neffe der 32-Jährigen gehört werden, der in Tschechien lebt. Er war am Tatabend in St. Florian und die Tochter habe sich durch ihn ja selbst ein Alibi gegeben, begründete der Verteidiger Andreas Mauhart.
Prozessauftakt zur Neuverhandlung:
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