Obdachlosigkeit – auch im Innviertel
Jahrelang lebte Harald S. (Name von der Redaktion geändert) gemeinsam mit Verwandten unter einem Dach. Doch nun steht eine Delogierung ins Haus. Bis Mitte Mai hat er Zeit, seine Wohnung zu räumen. Sonst kommt der Gerichtsvollzieher – und erledigt diese Aufgabe für ihn. Wo er dann hin soll, weiß er nicht.
BEZIRK (lenz). Dieses Schicksal ist kein Einzelfall: 24 Familien nahmen 2012 im Bezirk Schärding die Hilfe des Netzwerks Wohnungssicherung Innviertel – einer Anlaufstelle für Delogierungsprävention – in Anspruch. 51 Haushalte waren es im vergangenen Jahr im Bezirk Ried. Nicht immer musste die Wohnung auch geräumt werden, trotzdem: "Die Fälle steigen von Jahr zu Jahr kontinuierlich an", weiß Wolfgang Wimmer-Berg, Stellenleiter im Innviertel. 54 Haushalte waren im vergangenen Jahr im Innviertel tatsächlich von einer Delogierung betroffen. Laut Bezirkshauptmannschaft sind in Schärding jedoch keine obdachlosen Personen bekannt. Auch in Ried gibt es "offiziell" keine obdachlosen Personen. "Viele Betroffene kommen vorerst bei Bekannten unter – das ist versteckte Obdachlosigkeit", erklärt Getrude Wakolbinger, Sozialarbeiterin beim Netzwerk Wohnungssicherung in Ried und Schärding. Doch der Fall von Harald S. zeigt: Eine Notschlafstelle für das Innviertel ist dringend nötig. Seit Jahren wird über eine Umsetzung diskutiert. Aus dem Büro von Landesrat Josef Ackerl heißt es aber, dass "aufgrund der budgetären Situation eine rasche Umsetzung nicht möglich" sei. Gespräche über eine kostengünstigere Übergangslösung laufen jedoch.
Kurzzeitiger Unterschlupf
In einer Notschlafstelle würden Betroffene zumindest für ein paar Wochen Unterschlupf finden, könnten gemeinsam mit den Sozialarbeitern ihre Probleme angehen. Gründe für einen Wohnraumverlust gibt es dabei viele. Neben finanziellen Problemen, etwa aufgrund eines Jobverlustes, können viele nach einer Trennung die vorher gemeinsam genutzte Wohnung nicht mehr alleine erhalten. Oft sind es auch gesundheitliche oder psychische Probleme. "Teilweise ist aber auch eine schlechte Wohnsituation der Grund, etwa weil die Wohnung von Schimmel befallen und nicht mehr bewohnbar ist", weiß Wimmer-Berg. Der Großteil der Betroffenen ist alleinstehend und zwischen 41 und 50 Jahre alt. "In den letzten Jahren kamen jedoch auch vermehrt Jüngere zu uns", berichtet Wakolbinger besorgt.
"In Ried fehlt leistbarer Wohnraum"
Ob gesundheitliche Probleme oder eine Trennung den Stein ins Rollen bringen, eines eint fast alle Betroffenen: Wohnen ist für sie zu teuer geworden. Rund 120 Personen im Bezirk Schärding sowie 150 Personen im Bezirk Ried beziehen derzeit die Mindestsicherung – für eine alleinstehende Person inkl. Wohnaufwand gerade einmal 867,30 Euro. "Für viele sind schon die Einstiegskosten für eine Wohnung, mit Kaution und Vertragsgebühren, zu hoch", weiß Gertrude Wakolbinger. Das Problem sei, dass leistbarer Wohnraum immer weniger wird. "Das Kontingent an Wohnungen mit geringerem Standard, dafür leistbaren Mieten, sinkt. Damit wird eine Auslese betrieben, wer noch wohnen kann", kritisiert die Sozialarbeiterin. Die zahlreichen Neubauten und Sanierungen der Wohnbaugesellschaften seien für viele nicht mehr leistbar.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.