Ein Verein mit Weitblick
"Unser Ziel ist es, Lebensraum zurückzugeben"

Josef Voglsperger, Tierarzt und Obmann des Vereins lebensraum:natur | Foto: BRS
  • Josef Voglsperger, Tierarzt und Obmann des Vereins lebensraum:natur
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MEHRNBACH. Jeden Tag ist Tierarzt Josef Voglsperger um das Wohl von Kuh, Schwein und Co bemüht. Doch auch die Welt der Insekten und Pflanzen, deren Lebensraum massiv bedroht ist, liegt dem Atzinger am Herzen. Gemeinsam mit seinem neu gegründeten Verein "lebenraum:natur" verfolgt er das Ziel, der Natur Lebensraum zurückzugeben.

Herr Voglsperger, wie kam es zur Gründung des Vereins?
Voglsperger: Der Mehrnbacher Ortsbauernobmann Roland Mitterbucher und ich sind vor rund einem Jahr bei einem Vortrag über Biodiversität zu dem Schluss gekommen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir wollten aktiv werden und möglichst viele Menschen aus der Bevölkerung mit ins Boots holen. So haben wir den Verein lebensraum:natur gegründet.

Sind die Veränderungen in der Artenvielfalt wirklich schon derart erschreckend?
Leider, sowohl in der Pflanzen- als auch in der Tierwelt. Betroffen sind Insekten, Vögel, Amphibien sowie Kleinsäuger. Eine Krefeld-Studie besagt, dass in den letzten Jahrzehnten die Vielfalt und die Anzahl an Insekten um 70% geschwunden sind. Dabei spielen Insekten eine so bedeutende Rolle im Ökosystem, sie sind die "sechsbeinigen Regenten". Ohne Insekten werden Pflanzen nicht mehr bestäubt. Was dann passiert, kann man sich ausmalen. Und obwohl wir Menschen Insekten und die Pflanzenwelt so dringend benötigten – umgekehrt ist das übrigens nicht der Fall  – haben wir ihren notwendigen Lebensraum bereits großteils zerstört.

Man hört immer nur vom Bienensterben. Dass andere Insekten auch betroffen sind, ist mir neu!
Dass Bienen sterben, ist dem Menschen schon vor einigen Jahren aufgefallen. Die Bienen haben jetzt eine Lobby, und sie haben auch ihren Imker. Alle anderen Insekten haben niemanden. Sie sterben leise, ohne dass es jemand merkt. Und doch hat fast jeder von uns das Insektensterben selbst schon beobachtet. Denn während früher bereits bei einer kurzen Autofahrt unsere Windschutzscheiben sofort von entgegen fliegenden Insekten vollgeklebt waren, ist das heute nicht mehr so. Aber auch die Artenvielfalt der Vögel schwindet.

Hier im Bezirk Ried?
Ich bin 1986 nacht Atzing gezogen. Seither sind acht Vogelarten, das Rebhuhn, die Feldlerche, der Neuntöter, der Kiebitz, die Klappergrasmücke, die Wachtel, der Gelbspötter und die Singdrossel, aus Atzing verschwunden.  

Warum hat die Artenvielfalt so abgenommen?
Wir alle haben dies systembedingt verursacht. In den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten wurde unsere Landschaft komplett ausgeräumt. Es gibt kaum mehr Hecken, keine Feuchtwiesen, kein Totholz, keine Tümpel. Durch die intensive Nutzung ist die Artenvielfalt auf Wiesen verloren gegangen. Gärten werden lieber verkiest oder ständig mit dem Rasenrobotor gemäht. Ein weiteres Problem ist die Fragmentierung der Landschaft. Geeignete Lebensräume sind heute nur mehr einzelne Inseln, die oft aber so weit auseinander liegen, dass kein genetischer Austausch mehr stattfinden kann. Das Resultat: Populationen brechen ein. 

Wie wollen Sie dagegen ankämpfen?

Zu allererst möchte ich betonen, dass unser Verein von jeglichen Schuldzuweisungen Abstand nimmt. Es bringt auch nichts, die jetzige Situation mit jener vor 50 Jahren zu vergleichen, da wir das Rad leider nicht mehr zurückdrehen können. Wir müssen von der aktuellen Situation ausgehen und Lösungen suchen, wie wir der Natur wieder Lebensraum zurückgeben können. Und das, obwohl die Landwirtschaft sicher in bestimmten Bereich in Zukunft noch intensiver werden wird. Ich bin aber fest der Überzeugung, dass beides nebeneinander Platz hat, wenn wir nur wollen. 

Welche Ideen gibt es konkret?
Es existieren zahlreiche Flächen, die für die Landwirtschaft uninteressant sind wie Grenzertragsflächen, Steilflächen, Waldränder, Bachläufe und so weiter. Hier ist die Ertragsfähigkeit sehr gering, die ökologische Bedeutung aber enorm. Wenn wir diese Flächen zum Beispiel so spät wie möglich mähen würden, hätten wir schon Rückzugsräume für Biodiversität geschaffen. Unser Ziel ist es, in den nächsten zwei bis drei Jahren zahlreiche Flächen der Natur zurückzugeben. 

Wie ist der Verein lebensraum:natur aufgestellt?
Es gibt einen Vorstand, das ist die Hardware. Die nötige Software liefern die Fachbeiräte. Dabei haben wir für jede Interessensgruppe wie zum Beispiel Pädagogik, Private Gärten, Landwirtschaft, Kommune, Imker, Pfarre oder Jägerschaft, je einen Multiplikator gefunden. Die bedeutendste Rolle spielt die Landwirtschaft, denn hier gibt es die meisten Flächen. Unseren Verein ohne Landwirtschaft aufzustellen wäre wie Hausbauen ohne Grundstück. Insgesamt sind wir derzeit rund 50 Mitglieder. Interessierte, die mit uns anpacken wollen, sind natürlich jederzeit willkommen. Ich bin der festen Überzeugung: Auch wenn es schon fünf nach zwölf ist, können wir gemeinsam viel bewirken. Wir müssen nur wollen!

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