Corona und Alkohol
"Wird immer schwieriger, Konsum zurückzufahren"
Die Corona-Pandemie bringt viele Menschen psychisch an ihre Grenzen. Da mag der Griff zum Alkohol verlockend erscheinen. Das kann jedoch schnell zur Abhängigkeit führen, warnt Maria Leibetseder, Klinische Psychologin im Klinikum Rohrbach.
ROHRBACH-BERG. Viele Menschen leiden während der Corona-Pandemie unter Sorgen, Existenzängsten, verstärktem Arbeitsdruck, familiären Belastungen, Kontaktbeschränkungen und der daraus resultierenden Einsamkeit. Nicht selten erfolgt der Griff zum Alkohol, um negative Emotionen abzumildern und sich kurzfristig zu beruhigen. Studien bestätigen, dass der Alkoholkonsum während der Corona-Pandemie zugenommen hat. Der Weg in die Abhängigkeit ist oft relativ kurz und die Grenze zwischen Genuss und Sucht verläuft fließend. „Der Körper gewöhnt sich an die Alkoholmenge und es wird immer schwieriger, den Konsum nach dem Ende der Pandemie zurückzufahren“, weiß Maria Leibetseder, Klinische Psychologin im Klinikum Rohrbach.
Entzugssymptome treten auf
„Abhängigkeit bedeutet, dass die Betroffenen nicht mehr frei entscheiden können, ob sie trinken möchten oder nicht. Sie trinken immer weiter, auch wenn der Alkohol ihnen schadet. Es können Entzugssymptome wie Schwitzen, Frieren und Zittern bis hin zu Gliederschmerzen, Schlafstörungen oder Halluzinationen auftreten, wenn Betroffene versuchen, weniger oder keinen Alkohol mehr zu trinken.“ Häufig vernachlässigen Betroffene soziales Umfeld und Beruf. Dreht sich alles nur noch um den nächsten Schluck, rät die Expertin dringend dazu, eine Ärztin bzw. einen Arzt des Vertrauens oder eine Beratungsstelle zu konsultieren und eine Therapie zu machen.
Alkohol schwächt Körper und macht depressiv
Doch auch wenn keine Abhängigkeit besteht, rät die Klinische Psychologin davon ab, allzu häufig zu Alkohol zu greifen. Unter anderem schwächt übermäßiger Alkoholkonsum das Immunsystem, weil die Anzahl der weißen Blutkörperchen, der sogenannten Monozyten, gesenkt wird – diese braucht der menschliche Körper aber für eine gesunde Immunabwehr. Außerdem kann übermäßiger Alkoholkonsum Depressionen auslösen und bestehende Erkrankungen wie beispielsweise Osteoporose, Diabetes und Bluthochdruck verstärken sowie das Schlaganfallrisiko erhöhen. Personen, die bereits Medikamente einnehmen müssen, sollten ohnehin besonders gut aufpassen, denn bei bestimmten Medikamenten kann es zu teils schwerwiegenden Wechselwirkungen mit Alkohol kommen.
Im Alter verträgt man weniger
Was vor allem vielen Senioren nicht bewusst ist: Mit zunehmendem Lebensalter verändert sich der Körper nicht nur äußerlich – auch die Leber arbeitet zum Beispiel langsamer und der Stoffwechsel wird zunehmend träge, weshalb Alkohol nicht mehr so gut abgebaut werden kann. Dazu kommt, dass der Wassergehalt im Körper mit den Jahren sinkt und der Blutalkoholspiegel dadurch schneller steigt. „Vielleicht hat jemand früher drei oder vier Gläser Wein oder Sekt noch relativ gut vertragen, merkt aber mit zunehmendem Alter, dass dem nicht mehr so ist – dann sollte auch der Konsum entsprechend zurückgehen“, sagt Maria Leibetseder. Zudem muss die Leber oft gleichzeitig Alkohol und Medikamente verarbeiten. Auch Organe wie Magen und Bauchspeicheldrüse können Schaden nehmen und Gehirnzellen können absterben, was unter Umständen zu Gedächtnisstörungen führt und sogar das Demenzrisiko erhöht.
Sturzgefahr steigt
Zusätzlich geht mit Alkoholkonsum eine erhöhte Sturzgefahr einher. Das ist nicht nur angesichts der Pandemie mit stark ausgelasteten Spitälern wesentlich. Gerade bei älteren Personen kommt es oft zu Verletzungen wie Knochenbrüchen. „Tatsächlich ließe sich so mancher Sturz durch weniger Alkoholkonsum vermeiden, denn ein erhöhter Promillewert beeinträchtigt Gleichgewichtssinn und Reaktionsvermögen – und oftmals überschätzen wir uns einfach selbst, wenn wir ein Glas zu viel hatten“, warnt Leibetseder.
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