"Die Angst der Menschen war das Schlimmste"

Die Aktivisten von "Atomstopp Oberösterreich – atomkraftfrei leben" vor dem einbetonierten Reaktor von Tschernobyl. | Foto: Foto: Atomstopp Oberösterreich
  • Die Aktivisten von "Atomstopp Oberösterreich – atomkraftfrei leben" vor dem einbetonierten Reaktor von Tschernobyl.
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BEZIRK. Am Samstag, 26. April 1986 kam es in Tschernobyl zum Supergau. Aus dem Atomreaktor entwich radioaktive Strahlung, die mit dem Wind fortgetragen wurde – halb Europa war betroffen. "Ich habe im Büro in Linz gearbeitet damals. Ein Kollege aus Schweden hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass sie erhöhte Strahlung gemessen haben", berichtet der ehemalige leitende Voest-Angestellte, der nicht namentlich nicht genannt werden möchte.

Chef von 1000 Leuten

Er war damals Chef über das Personal im Ausland. Für mehr als 1000 Leute war er verantwortlich, die in Slobin beim Aufbau eines Stahlwerks der Voest beschäftigt waren. "Die Baustelle war nur etwa 180 Kilometer Luftlinie von Tschernobyl entfernt, aber wir hatten keinerlei Informationen. Die Russen haben eine Nachrichtensperre gesagt und nicht informiert", berichtet der Augenzeuge von damals. "Mehrere Stunden hat es damals gedauert, bis eine Telefonverbindung nach Russland zustande gekommen ist. Das waren andere Zeiten", sagt er.

Schweden schlägt Alarm

Gemessen wurde die erhöhte radioaktive Strahlung im 1200-Kilometer entfernten Schweden das erste Mal am Dienstag, 28. April 1986. Nach und nach kristallisierte sich heraus, dass es nicht die übliche Granitstrahlung sein konnte, sondern, dass alles auf einen atomaren Zwischenfall hindeutete. Nach Absprache mit dem Gesundheitsministerium in Österreich machte sich der Voest-Angestellte mit einem Physiker und einem Arzt aus Wien auf den Flug nach Minsk und weiter nach Slubin. Das Ministerium hatte zu diesem Zeitpunkt noch kaum Informationen. "Unser Ziel war es, uns über die Lage vor Ort zu erkundigen. Die Strahlung zu messen und die Bedingungen der Arbeiter zu kontrollieren", sagt er. "Ich musste entscheiden, wie es weiter geht." Mit dem Auftrag von oberster Firmenstelle, die Geschäfte in Russland hätten oberste Priorität. Milliardengeschäfte waren im Laufen.

Angst der Leute dort

Ständig begleitet von russischen Dolmetschern, die zugleich alles an den Staat melden mussten, führten die drei Österreicher ihre Testungen durch. "Wir haben die Angst der Menschen gespürt. Sie haben gewusst, es ist etwas passiert, aber keiner hatte Informationen. Auch wir waren angehalten, keine Informationen weiterzugeben", berichtet der ehemalige Voestler. Vor Ort konnten sie feststellen, dass die Strahlenbelastung nicht außergewöhnlich war. Slobin war damals begünstigt – der Wind hatte die radioaktive Wolke in die andere Richtung geblasen. "Wir haben es unseren Arbeitern freigestellt, ob sie bleiben möchten oder nicht. Kein einziger ist heimgeflogen", berichtet der Zeitzeuge.

Wöchentliche Messungen

Daraufhin hat er veranlasst, jede Woche Strahlenmessungen durchzuführen, die Proben wurden nach Seibersdorf ins Atomforschungszentrum geschickt. Außerdem erhielten alle Arbeiter Geigerzähler, die bei jeder Rückkehr nach Österreich ausgewertet wurden. "Es gab nie auffällige Werte", berichtet der Augenzeuge. "Ich habe in meiner Berufslaufbahn viele Krisen auf der Welt miterlebt, aber Tschernobyl war für mich die ärgste. Diese Angst und die Ungewissheit der Menschen zu sehen, das war schlimm."

Gefährliche Atomenergie

Auf die Frage, warum er mit seiner Geschichte jetzt an die Medien geht, sagt er: "Ich höre immer wieder Forderungen, die Atomenergie auszubauen. Sie wird als saubere Energie gepriesen. Ich kann nur immer wieder sagen, das stimmt nicht. Sie ist sehr gefährlich und unkontrollierbar."

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