"Nicht nur Kaffee trinken fahren": Immer mehr Väter nehmen Karenz in Anspruch
Seit 1990 ist das Väterkarenz-Gesetz in Kraft. Immer mehr Männer kommen auf den Geschmack.
BEZIRK (anh). "Man springt zwar ins kalte Wasser, kommt aber mit neuen Erkenntnissen wieder heraus", sagt Michael Neudorfer. Er spricht von der Väterkarenz. Zwei Monate lang blieb der Haslacher bei seinem Sohn zu Hause, Mama Tina arbeitete bereits wieder als Büroangestellte. "Ich wollte mehr Zeit mit Tobias verbringen", nennt er den Hauptgrund, "auch alleine." In der Anfangszeit sei die Mutter fast immer in greifbarer Nähe. In der Karenz hätte man hingegen die Möglichkeit, auch als Vater alleine Zeit mit dem Kind zu verbringen. Vor dem Allein-Sein mit Tobias habe er auch ein bisschen Angst gehabt: "Die wird einem aber schnell genommen. Gleichzeitig wird einem bewusst, was die Mutter alles leistet und wie anstrengend ihr Alltag ist. Das Kind kann sich wiederum besser auf dich als Vater konzentrieren, eine engere Bindung entsteht." Wären die Rahmenbedingungen erneut die gleichen, würde sich der 31-Jährige wieder für eine Väterkarenz entscheiden. Aber: "Es ist auch eine finanzielle Frage. Bei uns hat es gepasst, weil Tina schon wieder Vollzeit gearbeitet hat."
Auf offene Ohren stieß der Monteur mit seiner Entscheidung auch bei seinem Arbeitgeber, der Starlinger & Co. GmbH, viscotec. "Uns ist es wichtig, dass Väter bei ihren Kindern sein können, denn diese Zeit kommt nicht wieder", sagt Human-Resource-Managerin Andrea Neuhofer. Das Team der St. Martiner Firma ist jung, viele Väterkarenz-Fälle hätte es daher noch nicht gegeben. Die Anfragen würden aber steigen. "Es springt dann jemand anderer vom Team ein. In Spitzenzeiten wird auf externes Personal zurückgegriffen", so Neuhofer.
Rechtzeitiges Abstimmen
Ganze sechs Monate blieb Hermann Preining aus Afiesl bei seinem zweiten Sohn Simon zu Hause. Mama Annette war zu dieser Zeit schon wieder als Buchhalterin und Kellnerin im Einsatz. Auch bei dem 31-Jährigen war der Zeitfaktor ausschlaggebend: "Bei der Geburt unseres ersten Sohnes David war ich leider viel auf Montage." Seine Erkenntnisse lesen sich ähnlich: "Ich habe einmal die Situation einer Frau gesehen, die bei den Kindern daheim ist, was da alles zu tun ist. Und dass es nicht dem Klischee entspricht, dass es 'Frauen so schön hätten, ein bisschen Kaffee trinken und frühstücken fahren'. Nein, es steckt sehr viel mehr dahinter." Alles unter einen Hut zu bringen, war für ihn daher auch die größte Herausforderung. Das Familieneinkommen sei in dieser Phase geschrumpft. Aber: "Die Erfahrung mit meinen zwei Jungs kann mir keiner mehr nehmen."
Auch sein Arbeitgeber, die Hofmann Wärmetechnik GmbH in Hellmonsödt, steht dem Thema positiv gegenüber. Drei Mitarbeiter gehen jährlich in Väterkarenz. Geschäftsführer Wolfgang Niederländer betont jedoch: "Ein rechtzeitiges Abstimmen ist besonders wichtig, denn der Mitarbeiter fehlt ja trotzdem."
Manfred Riepl, Bezirksstellenleiter der Arbeiterkammer Rohrbach, bestätigt den Trend: "Die Zahl der männlichen Kinderbetreuungsgeld-Bezieher steigt seit Jahren. Wahrscheinlich auch, weil es bereits fünf verschiedene Betreuungsgeld-Modelle gibt."
Zur Sache
• Eine Väterkarenz kann – ebenso wie die Karenz der Mutter – bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommen werden. Sie muss mindestens zwei Monate betragen.
• Der Vater teilt seinen Wunsch dem Arbeitgeber mit. Zu beachten ist, dass der Kündigungs- und Entlassungsschutz frühestens vier Monate vor Antritt der Karenz, nicht jedoch vor der Geburt des Kindes beginnt. Der Zeitpunkt der Mitteilung ist also sorgsam zu wählen.
• Seit 1. März 2017 gibt es den "Familienzeitbonus": Das ist eine Geldleistung für Väter, die ihre Erwerbstätigkeit unmittelbar nach der Geburt des Kindes im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber kurz unterbrechen. Sie können eine Geldeistung von 22,60 Euro pro Tag erhalten. Sie steht ihnen 28 bis 31 Tage zu.
• Mehr Infos finden Sie hier: Väterkarenz und Väterfrühkarenz, Väterkarenz-Übersicht
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