"Dem Täter geht es um die Kontrolle"
Im Urlaub findet sich in vielen Familien ein erhöhtes Gewaltpotenzial. Dahinter liegt eine spezielle Dynamik.
SALZBURG (lg). Ausgelassene Stunden am Meer, Sandburgen bauen und Eis essen – für viele Menschen ist der Urlaub die schönste Zeit im Jahr. Doch leider können das nicht alle von sich behaupten: Gerade im Urlaub findet sich in vielen Familien ein erhöhtes Gewaltpotenzial, weil viele dem gesellschaftlichen Druck und dem Idealbild der "heilen Familie" nicht gerecht werden können. Für Renee Mader, Leiterin des Gewaltschutzzentrums in Salzburg, hat Gewalt eine sehr spezifische Dynamik.
Anti-Gewalt-Training
„Die Täter wollen Macht und Kontrolle demonstrieren. Sobald diese Macht nicht entsprechend gewürdigt wird, kommt es zu Übergriffen. In den meisten Fällen sind Frauen und Kinder die Opfer. Diese Gefahr schwebt latent immer mit, da geht es auch viel um psychische Gewalt, um Erniedrigungen der Partnerin, um Diskriminierungen. Es gibt kein respektvolles Miteinander." Gewaltpotenzial gibt es prinzipiell in jeder Bildungs- und Einkommensschicht, das soziale Umfeld ist ein starker Einfluss. Menschen, die Gewalt ausüben, nutzen die Gewalt zur Konfliktlösung. "Gewalt und Aggression nach außen ist bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Wenn Frauen auf ihren Partner Gewalt ausüben, geht es nicht um Macht oder Kontrolle, es handelt sich meist um eine reaktive Gewalt auf Diskriminierungen und die Gewalt zeigt sich subtiler oder richtet sich gegen einen selbst", so Mader, die auch einen gesellschaftlichen Kontext ortet: "Das Gewaltschutzgesetz, das eine polizeiliche Wegweisung und ein Betretungsverbot ermöglicht, ist erst 1997 in Kraft getreten. Die Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit Ende der 1980er-Jahre strafbar. Gesetze signalisieren, wie eine Gesellschaft ihr Zusammenleben gestaltet. Wenn die Gesellschaft klar Nein sagt – wie etwa bei einem Banküberfall – dann wird die Hemmschwelle für Gewalt größer. Es braucht hier viel massivere Sanktionen und die Gesetze müssen klar und sofort umgesetzt werden", so Mader. Eine wichtige Säule zur Prävention sind Anti-Gewalt-Trainings, die vom Verein Neustart gemeinsam mit den Gewaltschutzzentren organisiert werden. Die Trainings gibt es für gewaltbereite Jugendliche und Erwachsene, sie dauern sechs Monate und gelten als gerichtliche Auflage.
Rückfallquote gering
"In Österreich fehlt es noch an Langzeit-Studien, In Schottland, wo das Ganze schon seit 30 Jahren durchgeführt wird, hat sich gezeigt, dass die Rückfallquote im ersten Jahr nach Ende des Trainings sehr gering ist. Je länger das Training zurück liegt, umso höher wird die Rückfall-Quote", betont Mader.
Statistik 2014 und Hilfe für Betroffene
Das Gewaltschutzzentrum Salzburg hat im Jahr 2014 insgesamt 1.173 Menschen unterstützt. 1.013 Frauen und 160 Männer haben Gewalt in der Familie oder im sozialen Umfeld erfahren. Dabei ist der Anteil in der Stadt Salzburg am höchsten, gefolgt vom Flachgau und Tennengau. Dies ist laut der Leiterin des Gewaltschutzzentrums, Renee Mader, auch darauf zurückzuführen, dass in der Stadt für Gewaltopfer die Hemmschwelle geringer ist, den Täter anzuzeigen, da die Anonymität größer ist. In 298 Fällen handelt es sich bei den Gewaltopfern um den eigenen Ehepartner, in 184 Fällen um Partner aus einer Lebensgemeinschaft. Hilfe für Betroffene gibt es im Gewaltschutzzentrum unter 0662/ 870 100 oder office.salzburg@gewaltschutzzentrum.at.
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