Salzburger Regisseurin
"Frauen müssen oft doppelt so gut sein"

Gabriele Neudecker gründete ihre eigene Filmproduktions-Firma "Pimp the Pony Productions" in Salzburg. | Foto: Pimp the Pony Productions
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  • Gabriele Neudecker gründete ihre eigene Filmproduktions-Firma "Pimp the Pony Productions" in Salzburg.
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"Feminismus ist zum Modebegriff geworden", sagt die Salzburger Regisseurin Gabriele Neudecker im Interview zu ihrer neuen historischen ORF-Dokumentation  "Gräfin -Ordensfrau - Befreierin“. Der Film wurde in Salzburg Stadt und Land gedreht. 

SALZBURG STADT, KÖSTENDORF. Zwei Salzburgerinnen, die schreiben: Regisseurin Gabriele Neudecker schreibt Drehbücher. Maria Theresia Ledóchowska schrieb Reden und Theaterstücke. Was sie trennt: Ein Jahrhundert. Im Interview mit den BezirksBlättern spricht die Salzburger Regisseurin Gabriele Neudecker darüber, was sie mit der Hauptperson ihrer ORF-Dokumentation "Gräfin – Ordensfrau – Befreierin“ Maria Theresia Ledóchowska verbindet, was sie trennt und warum es für sie Feminismus auch heute noch dringend braucht. 

Wenn Sie einem Fremden kurz und knapp erklären müssten, wer die Hauptperson Ihrer Dokumentation Maria Theresia Ledóchowska war, was würden Sie sagen?
GABRIELE NEUDECKER:
Eine wahnsinnig spannende Figur, die um die Jahrhundertwende sehr viel bewegt hat. Sie hat ihr sorgenfreies Leben als adelige Hofdame hinter sich gelassen, um sich der Sklavenbefreiung zu widmen.

Sie und Maria Theresia Ledóchowska sind beide Salzburgerinnen. Wenn Sie ihre beiden Leben vergleichen, was sind die größten Unterschiede?
GABRIELE NEUDECKER: Zu ihrer Zeit war es höchstungewöhnlich, dass sich eine Frau herausnimmt zu schreiben. Sie musste unter Pseudonym beginnen zu schreiben, damit ihre Schriften überhaupt gedruckt worden sind. Sie hat nicht nur geschrieben, sondern hat sich zu dieser Zeit auch getraut, öffentlich aufzutreten. Sie hat eine Druckerei gegründet, war also Managerin und Unternehmensleiterin. Das alles wäre zur heutigen Zeit sehr viel einfacher. Es ist natürlich immer noch nicht einfach, aber Hürden dieser Art habe ich nicht mehr zu überwinden. Regisseurin ist zwar auch ein sehr männlich konnotierter Beruf. Das merkt man, wenn man an einem Set steht und die Leute fragen: Wo ist denn DER Regisseur? Und DER Regisseur sollte um die 50 sein und herumschreien, aber das bin ich halt nicht. (lacht) Immerhin gibt es immer mehr Regisseurinnen und es tut sich was. Aber natürlich hatte sie es um ein Vielfaches schwerer. 

Eine Frau, die sich für Frauenrechte und gegen die Sklaverei einsetzte: Maria Theresia Ledochowska | Foto: chwestern Sr. Petrus Claver
  • Eine Frau, die sich für Frauenrechte und gegen die Sklaverei einsetzte: Maria Theresia Ledochowska
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Was haben Sie und Maria Theresia Ledóchowska gemeinsam?
GABRIELE NEUDECKER: Ich will mir nicht anmaßen, hier Gemeinsamkeiten zu nennen. Sie hat ihr ganzes Leben mit so einem großen Einsatz armen Menschen gewidmet. Sie hat versucht, Spendengelder zu lukrieren um Menschen aus der Sklaverei herauszukaufen.  Ich tue mir schwer, zu sagen, dass wir da Gemeinsamkeiten haben. Aber ich glaube, die Freude am Schreiben verbindet uns. 

War Ihnen eigentlich bei Ihrer Arbeit am Film auch etwas unsympathisch an Maria Theresia Ledóchowska?
GABRIELE NEUDECKER: Ich bin eigentlich ein toleranter Menschen. Ich sehe Sie in ihrer Zeit. Natürlich verwendete sie in ihren Schriften Begriffe, die man heute auf keinen Fall mehr verwenden darf. Sie hat die Begriffe aber damals nicht mit böser Absicht verwendet. Das muss man natürlich im Film erklären. 

War Maria Theresia Ledóchowska aus Ihrer Sicht eine der ersten Feministinnen?
GABRIELE NEUDECKER: Unabhängig von ihr haben zu ihrer Lebenszeit Frauen begonnen, für Wahlrecht und ein Recht auf Arbeit und eigenes Geld zu kämpfen. Ledóchowska war eine konservative Frau. Sie war keine Kämpferin, die ganz vorne stand. Sie war keine Arbeiterin, sondern eine adelige Tochter. Man muss aber trotzdem sagen: Sie hat sehr viel bewirkt. Sie hat sich nicht das Wort Feministin auf die Fahne geheftet und hat auch immer darauf bestanden, dass Geschlechter nicht gleich sind. Andererseits hat sie selbst ständig die Geschlechterrollen durchbrochen. Ob man sie als Feministin bezeichnen kann, müssten Historiker:innen beantworten. Aber sie hat sehr viel bewirkt durch ihre Schriften und Reden und hat auch andere Frauen dazu animiert, tätig zu werden.

Bei den Dreharbeiten zur ORF-Dokumentation "Gräfin – Ordensfrau – Befreierin“ | Foto: ORF und Pimp the Pony Productions
  • Bei den Dreharbeiten zur ORF-Dokumentation "Gräfin – Ordensfrau – Befreierin“
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Sind Sie selbst Feministin?
GABRIELE NEUDECKER: Ich würde mich schon als Feministin bezeichnen. Ich habe in meinem Beruf alles kennengelernt. Ich hab mit drei kleinen Kindern studiert. Ich weiß, mit welchen Problemen eine Frau zu kämpfen hat. Nach wie vor gibt es Ungleichheiten. Ganz viele Regisseure bezeichnen sich als Feministen. Sie sind es aber nicht. Wenn es um Fördergelder geht, die vergeben werden, stehen sie selbst ganz vorne. Ob es da eine junge Kollegin gibt, die frisch aus dem Studium kommt, oder Mutter ist, ist ihnen völlig "Wurst". Es ist so bisschen ein Modebegriff geworden, mit dem sich viele Intellektuelle schmücken. 

Wenn man betrachtet, wie viel sich seit der Zeit Maria Theresia Ledóchowskas  für Frauen zum Positiven verändert hat,  braucht es dann überhaupt heute noch Feminismus?
GABRIELE NEUDECKER: Es ist für manche Menschen leicht gesagt, dass es Feminismus nicht mehr braucht. Das stimmt aber nicht. Frauen, die im Berufsleben stehen und dann ihr erstes Kind bekommen, merken, wie schnell sie wieder in alte Muster zurückgeworfen werden. Dass sie auf einmal für alles zuständig sind, auch wenn der Mann ein bisschen mithilft. Unser System ist einfach noch so gebaut, dass die Frau bei den Kindern bleibt. Später bekommt sie dadurch dann auch weniger Rente. Es wär doch schön, wenn man viel mehr motiviert, dass sich jemand für ein Kind entscheidet. Das müsste ja eigentlich gefeiert werden. 

Wie merkt man die Ungleichheit als Regisseurin?
GABRIELE NEUDECKER: Oft müssen die Frauen doppelt so gut sein, weil Sender häufig automatisch den männlichen Regisseur nehmen. Man muss sich ständig beweisen als Frau und 120 Prozent geben. Männer dürfen sich auch einmal etwas erlauben. Ich hatte als Regisseurin in Salzburg auch keine Vorbilder. Diese wären aber so wichtig. Auch bei den filmischen Kanons werden Frauen oft ein bisschen vergessen. Es gibt so viele Frauen, die ganz tolle Filme gemacht haben. Gemeinsam mit 52 Regisseurinnen bin ich letztes Jahr  vom österreichischen Regieverband ausgetreten. Es wird da immer von Gleichberechtigung geredet, aber es passiert nichts. Wir haben mit "#die_regisseur*innen" eine eigene Initiative gegründet.  Wir bemühen uns um ein andere Bild frei von autoritären Strukturen in der Regie.

Gabriele Neudecker gründete ihre eigene Filmproduktions-Firma "Pimp the Pony Productions" in Salzburg. | Foto: Pimp the Pony Productions
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Wir kommen wieder zurück zu Ihrem Film: Welchen Satz sollen alle Menschen mitnehmen?
GABRIELE NEUDECKER: Sklaverei gibt es heute auch noch. 

Was meinen Sie damit genau?
GABRIELE NEUDECKER: Wenn man heutzutage Sklaverei hört, denkt man an das vorige Jahrhundert. In Wirklichkeit sind heute auch noch Menschen auf der ganzen Welt versklavt. Wenn man an Kinderarbeit denkt in den Kupferminen, wenn man an Kinderprostitution denkt. In vielen Ländern werden Menschenrechte nicht eingehalten. 

Danke für das Gespräch. 

GABRIELE NEUDECKER: Danke.

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