Wenn vom Fest der Liebe nichts mehr bleibt
Dass Weihnachten nicht für alle ein Fest der Freude ist, zeigen die erhöhten Fälle von familiärer Gewalt.
SALZBURG (lg). Oh du fröhliche, oh du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit...leider können nicht alle ein Lied davon singen. Gerade in der „friedlichsten“ Zeit des Jahres findet sich in vielen Familien ein erhöhtes Gewaltpotenzial, weil viele dem gesellschaftlichen Druck und dem Idealbild der „heilen Familie“ nicht standhalten können. In den meisten Fällen sind Frauen und Kinder Opfer dieser häuslichen Gewalt.
Reizthema Weihnachten
Für Renee Mader, Leiterin des Gewaltschutzzentrum in Salzburg, hat Gewalt eine sehr spezifische Dynamik: „Die Täter wollen Macht demonstrieren. Sobald diese Macht nicht entsprechend gewürdigt wird, kommt es zu Übergriffen. Speziell in der Weihnachtszeit wirken sich die hohen Ansprüche von außen destabilisierend aus. Die Familie steht zu Weihnachten im Mittelpunkt, da ist ein enormer Druck vorhanden“, so Mader.
Hilfe erst nach den Feiertagen
Allein im Dezember 2010 wurden insgesamt 72 Frauen im Gewaltschutzzentrum Salzburg aufgenommen, davon 30 aus der Stadt Salzburg. In den meisten Fällen melden sich die Opfer selbst beim Gewaltschutzzentrum, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich im Dezember zwar die Anzahl der gewalttätigen Übergriffe in der Familie erhöht, der Großteil der Frauen jedoch versucht, diese physische und psychische Belastung zumindest bis nach den Feiertagen irgendwie auszuhalten“, erklärt Mader.
156 Frauen im Jänner 2010
Ein Blick auf die Statistik bestätigt: Mit 134 aufgenommenen Personen im Jänner 2010 – davon 82 aus der Stadt Salzburg – und 156 aufgenommenen Personen im Jänner 2011 – davon 80 aus der Stadt Salzburg – weisen diese Zahlen doch eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Dezember auf. „Wenn Kinder im Spiel sind, versuchen die Frauen, die Feiertage durchzutauchen, um den Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen“, erzählt Mader.
Frauenhaus ist ausgelastet
Von einem ähnlichen „Ergebnis“ spricht die Leiterin des Frauenhauses Salzburg, Birgit Thaler-Haag: „Wir sind das ganze Jahr über ausgelastet. Derzeit leben 43 Personen, drei Viertel davon aus der Stadt Salzburg, in unserem Haus. Speziell im Jänner suchen viele Frauen hier Schutz, weil sie den Kindern zuliebe die Feiertage abwarten, um so ein Weihnachtsfest im Kreis der Familie ermöglichen zu können“, erklärt Thaler-Haag das Dilemma.
Frauen fühlen sich schuldig
„Hinzu kommt, dass viele Frauen die Schuld immer bei sich selbst suchen und dadurch die Opfer-Täter-Rolle vertauscht wird“, so Thaler-Haag. „Unsere zentrale Aufgabe ist es, den Frauen die Angst und das Schuldgefühl zu nehmen und gleichzeitig das Selbstbewusstsein zu stärken. Es gibt einfach keine Rechtfertigung für Gewalt, das muss klar gesagt werden“, resümieren Mader und Thaler-Haag unisono.
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