„Grüß Gott!“ – „Ja, wenn ich ihn treffe.“
Begrüßungsformen und ihre Kontroversität
In einer Statistik (Statista 2024) steht, dass von 1.017 Befragten 18 % die Begrüßungsform "Grüß Gott" nutzen. Hingegen verwenden etwas weniger als die Hälfte (43 %) der Proband:innen das einfache "Hallo". "Servas" verwenden insgesamt 30 %. Doch was genau steckt hinter den Begrüßungsformen, und warum sollten wir über deren Verwendung überhaupt nachdenken?
von Julia Oberthaler
SALZBURG. Ein herzliches "Grüß Gott" oder ein einfaches "Hallo" - die Vielfalt der Begrüßungsformen spiegelt die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung wider. Doch was steckt eigentlich hinter den verschiedenen Grußarten, und warum sollten wir auf deren Wortlaut überhaupt Wert legen? In einer Welt, die von Globalisierung, Migration und vielfältigen Einflüssen geprägt ist, wird die Bedeutung des Grußes als soziales Zeremoniell immer wieder neu beleuchtet.
Wichtig oder unwichtig?
Durch Globalisierung, Migration und den Austausch von Ideen und Technologien haben sich unsere Gesellschaften zu einem bunten Mosaik unterschiedlicher Einflüsse entwickelt, wobei es wichtig ist, dass wir lernen, mit dieser Vielfalt umzugehen und sie als Bereicherung anzusehen. Obgleich man sich mit relevanteren Themen wie den gegenseitigen Respekt und einem toleranten Miteinander befassen sollte, ist der Wortlaut unserer Begrüßung ebenso wichtig, denn ohne Kommunikation könnte man dies niemals erreichen.
Wozu grüßen wir eigentlich?
Der Gruß als soziales Zeremoniell ist ein faszinierendes Phänomen, das in allen Kulturen und Gesellschaften zu finden ist. Ursprünglich als neutrale Form des Begegnens gedacht, hat sich der Gruß im Laufe der Zeit zu einem positiven Akt der Höflichkeit und des Respekts entwickelt. Er dient nicht nur der formalen Begrüßung, sondern auch als Beitrag zu versöhnlichen Umgangsformen und als Eröffnung des menschlichen Kontakts. Früher hatte der Gruß auch eine Funktion der Ehrbezeugung und der Signalisierung sozialer Stellung. Durch Grußgebärden wie das Reichen der rechten Hand wird Vertrauen und Friedfertigkeit symbolisiert. Der Gruß trägt zur Förderung versöhnlicher Umgangsformen bei und ist ein Eröffnungsakt menschlichen Kontakts. Aus soziologischer Sicht dient der Gruß der Einhaltung gesellschaftlicher Konventionen und erleichtert die Kontaktsituation, indem er Sicherheit schafft. Die meisten gesprochenen Grußformeln haben demnach positive Inhalte, um jenen erwähnten Zweck zu erfüllen.
Religiöser Hintergrund
Die Wahl des richtigen Grußes repräsentiert die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur und den Respekt vor gesellschaftlichen Normen. Der Gruß wurde in der Geschichte auch oft für politische oder religiöse Zwecke genutzt, um Gemeinschaft zu signalisieren oder Ablehnung zu markieren. So ist es im katholisch geprägten deutschsprachigen Raum das "Grüß Gott", das sehr häufig verwendet wird. Sei es in Österreich, in den deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg oder auch in Südtirol. Die ursprüngliche Bedeutung des Grußes "Grüß Gott" ist tatsächlich "Es grüße dich Gott" und eben nicht als Aufforderung zu verstehen. Diese Form des Grußes hat eine traditionelle und religiöse Konnotation, die auf eine segensreiche oder schützende Geste Gottes hinweist. In vielen deutschsprachigen Regionen wird "Grüß Gott" als höflicher und respektvoller Gruß verwendet, der auch eine gewisse kulturelle und traditionelle Verbundenheit ausdrückt. Ähnlich verhält es sich mit dem österreichischen und bayrischen "Pfiat di Gott", was von "Behüte dich Gott" abstammt, oder der schweizerischen Version "Grüezi".
Problematik
In der Vergangenheit waren politische Identität und Sprache eng miteinander verbunden. Religiös geprägte und konservativere Menschen verwendeten oft den Gruß "Grüß Gott", während linksorientierte eher andere Formulierungen wählten, wie "Begrüße Sie" oder "Guten Tag". Die Grußformel "Freundschaft" war hingegen unter Arbeitern, Sozialdemokraten und Kommunisten verbreitet. Diese sprachlichen Unterschiede entlang politischer Zugehörigkeit gehen zurück auf die Zeit der Ersten Republik. Während des katholisch geprägten Ständestaates und Austrofaschismus waren Konfession und Politik eng miteinander verknüpft, was sich auch in der Sprache widerspiegelte. Im sozialdemokratisch dominierten Wien wurde oft das "Grüß Gott" gemieden, während in konservativ regierten Regionen das "Guten Tag" weniger gebräuchlich war. Diese Unterschiede wirkten bis in die 1970er-Jahre nach und begannen sich erst unter Bundeskanzler Bruno Kreisky aufzulösen, als die Mehrheit der Bevölkerung in der Zweiten Republik angekommen war.
Neue Formen der Begrüßung
Die Gesellschaft und damit auch die Sprache verändern sich kontinuierlich, was sich auch in den Grußformeln widerspiegelt. Steife und formelle Kommunikationsregeln weichen heute freundlicheren und informelleren Wortlauten wie "Hallo". Dies führt dazu, dass die Unterscheidung zwischen Siezen und Duzen weniger wichtig wird. Einige traditionelle Grußformeln haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Das früher kindgerechte "Baba" wird nun allgemein verwendet, während das ehemals ehrerbietige "Servus" zu einem freundlichen Gruß geworden ist. Trotz der zunehmenden Mobilität und Vernetzung der Bevölkerung bleiben regionale Grußformen wie "Griaß di/eich" mit ihren dialektspezifischen Variationen beliebt. Jüngere Menschen verwenden vermehrt internationale Begrüßungen wie "Hi", "Gude" oder "Moin", die auch in Österreich populär werden. Neue Grußformen brauchen jedoch Zeit, um Akzeptanz zu finden, wie das anfänglich kritisch betrachtete "Tschüss", das mittlerweile weit verbreitet ist.
Wie sollten wir heutzutage richtig Grüßen?
Zu empfehlen wäre, sich hier dem Gegenüber anzupassen: Wenn man zuerst begrüßt wird, hat man leichtes Spiel und kann einen ähnlichen Gruß zurückgeben. Nicht grüßen ist ausgeschlossen. Es ist, wie wir jetzt wissen, ein Ausdruck von Respekt, Höflichkeit und Wertschätzung, und dabei ein derart minimaler Aufwand, den wir uns alle leisten können. Zusammenfassend sollte man so grüßen, wie man sich am wohlsten fühlt. Ein freundliches "Hallo" ist jedenfalls passend.
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