Deutschland im Finale gegen Argentinien
Langeweile und Fehler bestimmten das Halbfinale zwischen Argentinien und Holland. Die Südamerikaner siegten im Elfmeterschießen und stellen sich auf "ein schwieriges Finale" gegen Deutschland ein.
Feiernde Fans auf den Rängen, erlösender Jubel bei den Spielern - und ein Lionel Messi, der Freudentränen verdrückte. Um 19.44 Uhr Ortszeit in Sao Paulo war es besiegelt: Am Sonntag kommt es im WM-Finale zur Neuauflage der Endspiele von 1986 und 1990. Der Gegner der deutschen Nationalmannschaft, die vor 24 Jahren in Italien den letzten WM-Titel gegen Argentinien gewinnen konnte, heißt erneut: Argentinien.
Doch der Gegner der Deutschen tat sich bei der Qualifikation für das Finale in Rio de Janeiro wesentlich schwerer. Erst im Elfmeterschießen konnte sich die Albiceleste gegen die Niederländer mit 4:2 (0:0, 0:0) durchsetzen. Messi, Garay, Aguero und Maxi Rodriguez trafen für Argentinien - für Holland trafen lediglich Arjen Robben und Dirk Kuyt, dagegen scheiterten Ron Vlaar und Wesley Sneijder am argentinischen Keeper Sergio Romero. "Ich bin glücklich, dass ich meinen Kollegen helfen konnte", sagte Romero: "Wir freuen uns unglaublich, gegen Deutschland im Finale zu stehen."
Die mühevolle Art, mit der sich die Argentinier am Mittwochabend durchsetzen konnte, belegte deutlich, dass für Endspiel im Maracana-Stadion die Favoritenrolle klar verteilt sein dürfte - die Mannschaft von Joachim Löw muss nach ihrer kontinuierlichen Steigerung im Viertel- und Halbfinale keine Angst vor dem Finalgegner haben.
"Wir erwarten den dritten WM-Titel"
"Wir werden unser bestes versuchen, das ist das allerwichtigste Spiel in unserer Karriere. Da müssen wir mental stark sein. Wir wissen, dass wir uns da steigern müssen", erklärte Mittelfeldspieler Javier Mascherano durchaus selbstkritisch nach einer Vorstellung, bei denen die Argentinier allenfalls kämpferisch zu überzeugen wussten. "Ich verspüre eine große Freude, das wird ein sehr schwieriges Finale für uns", sagte dagegen Trainer Alejandro Sabella: "Argentinien hat die WM schon zweimal gewonnen, jetzt erwarten die Menschen die dritten Titel."
Bundestrainer Joachim Löw sagte: "Europa gegen Südamerika - eine reizvolle Konstellation. Argentinien ist defensiv stark, kompakt, gut organisiert. In der Offensive haben sie überragende Spieler wie Messi und Higuain. Wir werden uns gut vorbereiten und freuen uns auf Rio."
1978 besiegte Argentinien im Endspiel die Holländer, 1986 die Deutschen. Doch die Neuauflage des Finales von 1978 im Halbfinale der WM 2014 war lange Zeit ein ermüdendes Ballgeschiebe. Beide Teams hatten großen Respekt voreinander. Sowohl Hollands Trainer Louis van Gaal als auch Sabella, deren Mannschaften sich bei diesem Turnier ohnehin schon durch eine äußerst vorsichtige Ausrichtung ausgezeichneten, hatten zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Der Bondscaoch hatte gegenüber dem Viertelfinale gegen Costa Rica den defensiven Mittelfeldspieler Nigel de Jong in die Startelf beordert und den Angreifer Memphis Depay geopfert. Der argentinische Trainer hatte gegenüber dem 1:0 gegen Belgien zwei positionsgetreue Wechsel vorgenommen: Perez und Rojo kamen für Basanto und den verletzten di Maria in die Mannschaft. Allerdings hatte Sabella seine Spieler angewiesen, wegen der niederländischen Konterstärke immer eine Absicherung hinten zu lassen.
Die Folgen war gähnende Langeweile: Argentinien bemühte um den Spielaufbau, allerdings mit angezogener Handbremse, die Niederländer verteidigten oft sogar mit fünf oder sechs Defensivspielern in hinterster Linie.
Große Torchancen und packende Strafszenen blieben wegen der taktischen Zwänge, denen beide Teams unterworfen waren, Mangelware. Stattdessen war Zweikampfhärte gefragt: Speziell die gefährlichen Offensivstars beider Teams erfreuten sich intensivster Bewachung: Arjen Robben wurde, wenn er überhaupt mal einen verwertbaren Ball bekam, sofort von zwei argentinischen Verteidigern gedoppelt. Messi wurde in einem engmaschigen Netz von Abwehrspezialisten gefangen genommen, nur selten konnte sich der Edeltechniker befreien. Wenn doch einmal, wurde er gefoult. So entstanden die einzigen halbwegs torgefährlichen Szenen fast folgerichtig aus Standardsituationen: Ein Freistoß von Messi (15. Minute), den Hollands Keeper Jasper Cillessen parieren konnte und ein Kopfball von Garay nach einer Ecke (24.).
Das Niveau sank zeitweise auf den Nullpunkt
Der Abnutzungskampf hielt auch dem Seitenwechsel an. Van Gaal musste schon zur Pause wechseln, da Martins Indi nach einem rüden Foul an Messi die Gelbe Karte gesehen. Mit Janmaat kam einen frischer Verteidiger, der sich nahtlos in das ganz Abwehr ausgerichtete Konzept einfügte. Auch nachdem in der 62. Minute Jordy Clasie für den angeschlagenen de Jong kam, änderte sich nichts. Mit zunehmender Dauer wuchs zumindest bei den neutralen Beobachtern unter den 62.000 Zuschauern der Unmut: Es gab immer wieder Pfiffe. Als dann auch noch Regen einsetzte, wäre die Stimmung wohl endgültig auf den Nullpunkt gesunken - hätte es sich nicht um eine WM-Halbfinale gehandelt.
Mitten in diese Tristesse hinein platzten dann unerwartet doch zwei Szenen, die für Gefühlswallungen auf den Rängen sorgten: Zunächst scheiterte Robin van Persie mit einem Seitfallzieher (75. Minute) - im Gegenzug traf Gonzalo Higuain das Außennetz. Allerdings wäre jegliche Aufregung ohnehin umsonst gewesen - beide standen im Abseits.
Speziell das niederländische Niveau blieb bis zum Ablauf der regulären Spielzeit deutlich unter Meeresspiegel. Bei den etwa 20.000 argentischen Fans keimte dagegen in der 82. Minute noch einmal Hoffnung auf, als Sabella mit Rodrigo Palacio und Sergio Agüero zwei frische Stürmer in die Partie nahm - doch auch sie wurden enttäuscht: Es blieb eine Quälerei, den Darbietungen der Spieler zu folgen. Die Angst zu verlieren, war ständig zu spüren, jegliches Risiko wurde vermieden. Trotzdem gab noch die große Möglichkeit für die Holländer: Doch Robben Schuss wurde von Mascherano in sprichtwörtlich letzter Minute geblockt.
Kurz nach Beginn der Verlängerung zog van Gaal dann seinen Edeljoker: Klaas-Jan Huntelaar kam für den grippegeschwächten van Persie ins Spiel, doch mehr Durchschlagskraft wurde dadurch nicht eingewechselt - es blieb ein totes Rennen. In der gesamten Verlängerung gab es nur noch eine große Chance: Doch Palacio vergab sie für Argentinien kläglich, als er Ball direkt in die Arme von Cillessen köpfte.
So benötigten die Südamerikaner das Elfmeterschießen und ihren nervenstarken Torhüter, um doch noch ins Finale einzuziehen. "Natürlich ist das auch ein Stück Glück", sagte Romero: "Und natürlich ist Deutschland eine sehr starke Mannschaft. Aber wir werden alles daran setzen, uns diesen Traum zu erfüllen."
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