Psychologie / Psychotherapie
Ist Fremdgehen in der Partnerschaft toxisch?

Fremdgehen ist ein Fehler aber deshalb nicht automatisch toxisch

Nein, Fremdgehen in einer eigentlich monogamen Partnerschaft ist als Tat nicht toxisch. Übernehme ich Verantwortung für meinen Seitensprung, fühle gesunde Schuldgefühle oder Reue, leiste Wiedergutmachung bei meinem/meiner Partner*in und entschuldige mich dafür, dann handelt es sich um einen menschlichen Fehler, der vielen Personen im Laufe ihres Lebens passiert.

Lesen Sie in diesem Artikel, wie toxische Partner*innen typischerweise reagieren, wenn sie fremdgegangen sind und wie Sie sich selbst besser helfen können.

Filmtipp: "Monogamie und Ehekrach: Sind wir für Beziehungen gemacht?"

Fremdgehen gehört zur Conditio Humana einfach dazu, was aber niemals eine billige Rechtfertigung für Fremdgehen sein kann, wie das oft psychisch missbräuchliche Partner*innen tun. Seitensprünge, Fremdgehen, Bigamie, Polygamie und außereheliche Affären sind allerdings Phänomene, die sich in allen Zeiten und in allen Kulturen zeigten und zeigen.

Fragen nach dem Fremdgehen
Der/die gesunde Partner*in wird seinen Anteil am Fremdgehen suchen.
Er kann sich dabei folgende Fragen stellen:

  • Was macht mich anfällig für fremdgehen?
  • Wie ist es genau zu diesem Fremdgehen gekommen? Wann hätte ich es noch stoppen können und wann war der Point of no Return?
  • Verstehe ich mich selbst, dass ich fremdgegangen bin oder dass mir das Fremdgehen in monogamen Partnerschaften immer wieder "passiert"? Was verstehe ich an meinem Fremdgehen nicht? Was sagt mir das Fremdgehen über mich selbst? Was halte ich eigentlich selbst vom Fremdgehen? Wie würde ich damit umgehen, wenn mein*e Partner*in mich sexuell oder emotional betrügen würde? Verstehe ich, dass mein Fremdgehen meinem/meiner Partner*in so weht tut? Was möchte ich aus meiner Beziehungskrise, die durch mein Fremdgehen entstanden ist, für mich selbst und meine Partnerschaft lernen?
  • Um was geht es mir beim Fremdgehen? Etwa um pure sexuelle Geilheit oder Lust? Oder mehr um Selbstbestätigung, um Anerkennung von mir als erotische*r und begehrenswerte*r Mann/Frau? Oder um ein Ventil für Konflikte in meiner Partnerschaft? Oder darum, dass ich mehrere Menschen zugleich lieben und/oder sexuell begehren möchte (Polyamorie oder Polygamie)?
  • Wie möchte ich mich meinen Impulsen, fremdzugehen, gegenüberstellen, wie konstruktiv mit ihnen umgehen, ohne meine Phantasien und Bedürfnisse nach fremdgehen auszuleben? Welche meiner Stärken und Ressourcen kann ich dabei einsetzen?
  • Entspricht mir überhaupt das Konzept der monogamen Partnerschaft, oder würde im tiefsten Innersten ein polygames oder polyamores Beziehungsmodell mehr zu mir passen, auch mit dem Risiko, dass ich dann meine*n derzeitige*n Partner*in verliere oder mit einem gesellschaftlich wenig akzeptierten Beziehungsmodell sozial angefeindet werde? Ist ein monogames Modell authentisch und gspürig für mich? Habe ich mich personal dazu entschieden und kann nun voll und ganz dahinter stehen?
  • Wie kann ich gut aus meinen Fehlern und meinem Fremdgehen lernen?

Film: "Seitensprünge und heimliche Affären – Warum ist treu sein so schwierig?"

Narzisstische und histrionische Persönlichkeiten und fremdgehen - Tipps

Ein*e toxische Partner*in wird jedoch gar keine Verantwortung für ihr/sein Fremdgehen übernehmen. Sehr häufig spielt er/sie die Verantwortung sogar dem/der treuen Partner*in zu und gibt ihm/ihr das Gefühl, dass etwas nicht mit ihm/ihr stimme, dass es der/die betrogene Partner*in sei, die/der ein Problem habe und das Problem verursache.

Aussagen wie

  • "Was wundert Dich mein Fremdgehen, wenn du so frigide bist.",
  • "Das zählt nicht, es war ja nur Sex.",
  • "Du bist so empfindlich und hysterisch!",
  • "Ich weiß nicht, was Du hast. Mach nicht schon wieder so ein Drama daraus und sei nicht immer so emotional!"
  • oder "Du vernachlässigst mich ja sexuell so, da würde ja jede*r fremdgehen."
  • sind dann keine Seltenheit.

Diese Aussagen kommen übrigens sowohl von Männern als auch von Frauen. Oftmals handelt es sich dabei um narzisstische oder histrionische Persönlichkeiten, die ständige Selbstbestätigung (Narzissmus) oder Aufmerksamkeit (histrionisch) benötigen. Ein*e Partnerin ist dann einfach zu wenig. Gerade narzisstische Männer sind ja sogar stolz darauf, fremdzugehen und damit möglichst viele Frauen erobert zu haben (Don Juanismus).

Toxische Partner*innen wollen nicht darüber reden und hüllen sich in Schweigen. Möchte der/die Betrogene das Fremdgehen ansprechen, dann machen sie Vorwürfe oder beschimpfen den/die andere*n.

Anklagen, generalisierende Kritik und Schuldzuweisungen sind Gift für die Paardynamik. In dieser Abwehr verleugnet der/die Fremdgeher*in seinen/ihren Anteil und will diesen nicht wahrnehmen. Wenn der/die Betrogene weint, klagt oder seinen/ihren Kummer zeigt, so wertet sie/ihn der/die Fremdgeher*in noch mehr ab, verachtet ihn/sie umso mehr, schätzt ihn/sie noch geringer und kränkt ihn/sie noch zusätzlich. Er/sie kann sich dem personalen Dialog nicht stellen, mauert und blockt ab.

Der/die toxische Partner*in wird alles abstreiten, leugnen und lügen, d.h. ein Verwirrspiel treiben, sodass der/die Betrogene irgendwann an ihrer/seiner Wahrnehmung zweifelt ("Bilde ich mir das vielleicht alles nur ein?") und völlig verunsichert wird.

Mitunter bringen die Fremdgeher*innen dann auch biologistische Rationalisierungen ein, wie

  • "Das waren ja nur die Hormone.",
  • "Ich bin halt ein Mann, ich muss ja meine Gene und mein Sperma verbreiten." (toxische Männlichkeit),
  • "Ich hab halt einen starken Sexualtrieb." (Anmerkung: einen Sexualtrieb gibt es nicht),
  • oder "Fremdgehen ist normal. Menschen sind nicht monogam."

Die Opfer entwickeln dann perfiderweise selbst Schuldgefühle, die eigentlich der/die Fremdgeher*in fühlen sollte.

Hier gilt die Faustregel: Je gestörter die Persönlichkeit ist, desto mehr spürt der/die gesunde Partner*in die Schuld- und Schamgefühle, die eigentlich der/die Fremdgeher*in fühlen sollte. Sie kennen sicher das alltägliche Beispiel und Alltagsphänomen, dass wir uns für schamlose und übergriffige Menschen fremdschämen.

Der/die toxische Partner*in sieht also ihren/seinen Anteil, seine/ihre Schuld und seinen/ihren Fehler überhaupt nicht. In der Regel spürt sie/er kein angemessenes Schuldgefühl und hat auch keine Empathie für den Kummer, Schmerz und die Wut des/der betrogenen Partners/Partnerin.

Im Gegenteil: Er/sie würde sich in ihrer/seiner Grandiosität massiv gekränkt und abgewertet fühlen, wenn sie/er sich für sein/ihr Fehlverhalten entschuldigen würde. Hierzu fehlt ihm/ihr das gesunde Selbstwertgefühl, welches wir benötigen, um uns unsere Schuld einzugestehen. Mitunter spielt er/sie aber vor, dass es ihm/ihr leid tue und mimt Schuldgefühle oder Reue.

Fragen Sie sich in diesem Fall:

  • Was erwarte ich mir von einem gesunden erwachsenen Menschen, wenn er in einer monogamen Partnerschaft lebt und fremdgeht?
  • Was darf ich realistisch erwarten, wie er sich dann mir gegenüber verhält?
  • Was wäre eine angemessene Wiedergutmachung oder Entschuldigung für mich?
  • Was ist sein Anteil am Fremdgehen, wofür sollte eine erwachsene Person Verantwortung übernehmen?
  • Wenn sich mein*e Partner*in bei mir entschuldigt, zu Kreuze kriecht oder weint: Spüre ich, dass es ihm/ihr wirklich leid tut? Hat er/sie ein angemessenes Schuldgefühl bzw. Reue, die auch bei mir ankommt? Oder fühle ich nun eher Zweifel und Unsicherheit? Oder spielt er/sie es nur vor, macht ein Possenspiel bzw. Drama daraus?

Bestätigen Sie sich selbst, dass Ihre Kränkung, Ihre Wut und Ihr Zorn eine angemessene emotionale Reaktion auf das Betrügen Ihres Partners/Ihrer Partnerin ist.

Und suchen Sie sich liebevolle und akzeptierende Menschen, die Sie in Ihrem Fühlen validieren.

Übrigens: Das Wort "toxisch" wird auch gerne von emotional gewalttätigen Partner*innen verwendet. Sie bezeichnen den/die gesunde*n Partner*in gerne als "toxisch", "egoistisch", "narzisstisch", "hysterisch" oder "psychisch instabil".

Mitunter sind es gerade narzisstische Männer oder toxische Menschen, die uns einzureden versuchen, dass es das Phänomen der toxischen Beziehungen gar nicht gäbe.

Fazit: Es braucht eine solide Realitätsprüfung

Stellen Sie sich immer wieder die Frage, was Sie sich von einem gesunden erwachsenen Menschen erwarten, der beim Fremdgehen bzw. Betrügen ertappt wurde, und sehen Sie sich dann an, wie groß die Diskrepanz zu Ihrem/Ihrer Partnerin ist.

Dies kann Ihnen helfen, mehr Klarheit zu gewinnen und dem eigenen Erleben und Spüren zu vertrauen. Es ist die beste Prävention gegen toxische Manipulationen, Realitätsverzerrungen und Gaslighting.

Sielen Sie Ihrem Partner/Ihrer Partnerin die Verantwortung für den konstruktiven Umgang mit seinem/ihrem Betrug zu. Nimmer sie/er diese nicht wahr, so ist er/sie es, die/der die Partnerschaft gefährdet.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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