Nichts passiert im Fall der 7-jährigen Sarah

Eine 7-Jährige wurde laut Urteil des Innsbrucker Landesgerichtes (nicht rechtskräftig) im April 2010 von einem Nachbarn sexuell missbraucht. Trotzdem muss das Mädchen nach wie vor mit dem Angeklagten in derselben Wohnanlage leben, da der Mann Berufung eingelegt hat. Die Familie des Mädchens ist am Ende, die Mühlen der Justiz mahlen vor sich hin und der Angeklagte ist auf freiem Fuß – mit dieser Situation muss das Mädchen aufwachsen.

VOMP (bs). Vom Videoband - bei der Verhandlung am 11. Oktober 2010 abgespielt - erzählt die kleine Sarah (Name von der Redaktion geändert, Anm.) dem Schöffengericht, über den Vorfall. Im April habe sie mit ihrem Ball im Innenhof gespielt und dabei gesehen, wie der Nachbar (69, türkischer Herkunft) in den Hof urinierte und sich in ihre Richtung drehte. Er soll sie aufgefordert haben, mit in seine Wohnung zu kommen, zum Kartenspielen.

Wie Sarah erzählt, habe der Nachbar die Karte versteckt und sie sollte sie finden. Jedoch habe der Angeklagte die Karte in seiner Unterhose versteckt. Als sie die Karten nicht finden konnte, habe er, laut ihrer Erzählung einen Tipp gegeben wo sie zu finden sei. Daraufhin habe Sarah die Karte gefunden – und herausgefischt.

Sarah erzählt weiter: Als sie auf die Toilette musste, sei ihr der Mann gefolgt und habe ihr die Hose hinunter gezogen und dabei oral penetriert. Nach dem Klobesuch war Sarah, ihren Schilderungen zufolge, müde und legte sich mit dem Bauch auf die Couch. Dort habe ihr der Nachbar wieder die Hose hinuntergezogen, sich bäuchlings auf sie gelegt und dabei „Sehr fein“ gesagt. Noch am selben Tag erzählte Sarah ihrem Vater und der Polizei von dem Vorfall. Es wurde sofort Anzeige erstattet. Der Nachbar wurde angeklagt.

Die Mühlen der Justiz
Erst im Oktober kam es zur Verhandlung vor dem Schöffengericht. Der angeklagte Nachbar bekannte sich: „Nicht schuldig“. Sarahs Video-Aussage wurde vom Gericht als überzeugend eingestuft. Es verurteilte den Angeklagten zu 3 Jahren Haft, 16 Monate davon bedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da der Angeklagte Berufung eingelegt hat.

Sarah‘s Familie wartet nun auf die Entscheidung der obersten Justiz. Für den Angeklagten gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Wegen der sogenannten „aufschiebenden Wirkung“ hat er die verhängte Freiheitsstrafe bis heute nicht antreten müssen. Ob er sie jemals antreten muss hängt davon ab, ob das Urteil des Landesgerichtes vom Obersten Gerichtshof bestätigt wird.

„Es wurde Berufung und eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Schöffenurteil eingelegt. Wann und wo verhandelt wird, liegt im Ermessen des Obersten Gerichtshofes“, erklärt Günter Maleczek, Rechtsanwalt des Angeklagten. „Im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren kann die Haft bis zu einem Jahr hinausgezögert werden, ebenso kann sich das Berufungsverfahren ein Jahr hinauszögern. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam“, erklärt Rechtsanwalt Alexander Frick. Dies gilt für den Fall, dass die Entscheidung des Erstgerichtes vom Obergericht bestätigt wird.Nachdenklich stimmt dabei, dass während der Zeit zwischen dem, von Sarah geschilderten, Vorfall und der Verhandlung vor dem Strafgericht, keine U-Haft verhängt wurde.

Auch nicht als Anfang Juni eine zweite Anzeige gegen den Nachbarn erstattet wurde. Ebenso wurden sogenannte „gelindere Mittel“ – wie etwa eine Weisung an den Nachbarn, sich von Sarah oder dem Garten fernzuhalten – offenbar nicht in Betracht gezogen.

„Am 3. Juni machten wir die zweite Anzeige, weil der Nachbar wieder in den Innenhof urinierte und Sarah dabei seinen Penis zeigte“, erzählt die Mutter (36). Darauf bat die Familie ihren Anwalt, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, bisher ist nichts geschehen.

Leben wie im Gefängnis
Sarah und ihre Familie leiden unter dieser Situation. Sie müssen mit dem mutmaßlichen Straftäter quasi weiter unter einem Dach wohnen. „Unsere Wohnung ist seither ein Gefängnis. Unter der Woche gehen wir fast nicht vor die Tür und am Wochenende sind wir bei Verwandten, um dem Nachbarn nicht zu begegnen“, erklärt der Vater (54).

Seit Sarah‘s Schilderung steht er in psychologischer Therapie. „Wir sind nervlich und psychisch am Ende“, erklärt seine Frau. Bis zu vier Psychopharmaka muss er täglich schlucken, die ihn beruhigen. Seit kurzem ist auch seine Frau in therapeutischer Behandlung. „Es ist schon komisch und nicht gerecht, dass wir uns wie im Gefängnis fühlen“, muss die Mutter irritiert feststellen. Auch ihre Tochter leidet darunter, erzählt sie: „Sarah hat sich sehr verändert. Sie lacht nur noch selten und seitdem ist sie viel aggressiver geworden. Es gibt keine Nacht, in der es sie nicht voller Panik aus dem Schlaf reißt.“

Frage nach Gerechtigkeit
Die Familie möchte ihrem Umfeld, das sie belastet, entkommen. Auf die Frage, warum die Familie noch nicht längst weggezogen ist, nennen sie einige Gründe: „Unser Vermieter hat nach der Verhandlung gesagt, er würde dem Nachbarn den Vertrag kündigen, doch am nächsten Tag war davon keine Rede mehr“, erzählt Sarah‘s Mutter. „Zu uns hat man gesagt, wir sollten ausziehen wenn uns das nicht passt“, berichtet der Vater. Die Wohnanlage in Vomperbach gehört den Geschwistern Derfeser.

„Laut Gesetz hat der Vermieter die Pflicht Vorsorge zu leisten, damit den Mietern nicht das Leben verübelt wird“, so Rechtsanwalt Frick. Auf die Nachfrage der Bezirksblätter bei den Vermietern erklärt Andrea Derfeser: „Wir haben diese Angelegenheit unserem Rechtsanwalt übergeben. Es ist ein schwebendes Verfahren also steht es mir nicht zu, dazu etwas zu sagen. Die Sache ist sehr tragisch, aber ich kann mir dazu kein Urteil erlauben.“ Die Vomper-Familie hat auch versucht, Hilfe von ihrer Gemeinde zu bekommen, erzählt Sarah‘s Mutter enttäuscht: „Der Bürgermeister hat gesagt er sucht für den Nachbarn eine andere Wohnung im Ort. Aber er wohnt noch immer hier.

„Selbst kann sich die Familie keinen Umzug leisten. Ihre ganzen Ersparnisse haben sie für Anwaltskosten und für ihre alltäglichen Ausgaben aufgebraucht. „Wir sind finanziell am Ende“, schildert die Familie: „und enttäuscht wenn das Gerechtigkeit ist“.

Es bleibt das Warten
Hoffnung können sie erst seit kurzem wieder schöpfen. Der Schwazer Bürgermeister Hans Lintner hat eine Wohnung für die Familie im Stadtgebiet organisiert. Der Sozialfond der Stadt finanziert die Kaution für die Wohnung. „Wir hoffen, dass wir in den nächsten zwei Monaten umziehen können“, erklärt Sarah‘s Mutter. Das kann bis Ende Jänner dauern. Bis dahin muss Sarah und ihre Familie weiter mit dem mutmaßlichen Straftäter unter einem Dach wohnen.

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