Glaubenskirche im Sommer-Interview – Teil 1
Mehr Gottesdienste im Freien – auch nach Corona
Auch nach der Überwindung von Corona wird die Simmeringer Glaubenskirche verstärkt auf Gottesdienste im Freien setzen. Als Arbeitsschwerpunkt für die Zukunft kündigen Pfarrerin Anna Kampl und Kuratorin Eva Hörmann im großen Sommer-Interview den Ausbau von Angeboten für die Jugend an.
Wir haben jetzt rund fünf Monate Corona hinter uns. In wieweit hat dieses Virus das Leben in der evangelischen Pfarrgemeinde Simmering verändert?
Kampl: Es hat sich viel verändert. Am schlimmsten war am Anfang vielleicht, dass wir die vielen Pläne, Veranstaltungen, die wir vorgehabt haben und in die wir als Gemeinde schon viel Arbeit gesteckt hatten, einfach über Bord werfen mussten. Im Nachhinein sehe ich, dass diese Situation uns auch stärker gemacht hat, dass wir Vieles für unsere Gemeinschaft lernen konnten. Erstens haben wir rasch gemerkt, dass wir als Gemeinde auch unter diesen Bedingungen weiterarbeiten und Zusammenhalt leben. Zweitens haben wir gesehen, wie flexibel wir sind. Und, dass wir ganz konkret erlebt haben, wie stark, tragend und einig unsere Gemeinschaft ist – denn wenn das nicht der Fall ist, hilft auch Flexibilität nichts.
Hörmann: Meine direkten Kontakte mit den Gemeindemitgliedern – über Telefon, E-Mail etc. – haben sich sogar verstärkt. Weil es nicht mehr irgendwie selbstverständlich war, sich zu sehen. Schmerzhaft für mich war, dass die Kontakte zum evangelischen Wien – über die Gemeinde hinaus – gelitten haben.
Weil es andere Prioritäten gegeben hat?
Hörmann: Ja, auch. Aber mir ist von dort auch zu wenig gekommen. Ich halte das Überregionale, dieses „Wir sind eine Kirche“, für sehr wichtig. Aber da ist mit Corona etwas verloren gegangen. Da hat mir in Wien auch ein wenig gefehlt, dass jemand in dieser Krisenzeit charismatisch vorangegangen ist – eine Rolle, wie sie Anna Kampl sehr schnell und ganz selbstverständlich für die Glaubenskirche übernommen hat.
„Jede Investition in Technik ist gut investiertes Geld“
Hat Corona auch Dinge in die Gemeinde gebracht, die gekommen sind, um auch nach Corona in der Glaubenskirche zu bleiben?
Kampl: Auf jeden Fall die Gottesdienste im Freien, vor der Heilandskirche auf dem evangelischen Teil des Zentralfriedhofs – ein großartiger Raum, wo man angstfrei feiern kann und für alle genug Platz ist. Ein Raum im Freien, den wir mittlerweile auch technisch perfekt für uns gewonnen haben und ein Raum, in dem wir auch Menschen erreichen, die zufällig vorbeikommen. Da hat es schon Menschen gegeben, die einfach stehengeblieben sind, spontan mitgefeiert haben und nach dem Gottesdienst zu mir gekommen sind, um mir zu sagen, wie schön das für sie war. Diese Gottesdienste im Freien behalten wir auf jeden Fall bei – genauso wie die „Gottesdienste in Bewegung“, bei denen wir in Simmering und in der nahen Natur unterwegs sind. Die Idee dazu gab es schon vor drei Jahren, aber wir haben sie nicht umgesetzt, weil das irgendwie nicht notwendig war. Jetzt, mit Corona, haben wir’s einfach gemacht – und es war und bleibt gut.
Hörmann: Außerdem haben wir gelernt, mehr und mehr auf technische Möglichkeiten zu schauen und dabei nicht immer gleich vor den Kosten zurückzuschrecken. Jede Investition, die uns da weiterbringt, ist gut investiertes Geld. Auch das lernen wir aus Corona. Da haben wir sehr rasch reagiert – und uns mit digitalen Andachten und weiteren digitalen Angeboten auch rasch weiterentwickelt.
„Verantwortungsvoll mit Virus umgehen, ohne Menschen in Einsamkeit sterben zu lassen“
Kampl: Ganz wichtig waren auch die eigenen Andachten, die wir für unsere Seniorinnen und Senioren in der Glaubenskirche gemacht haben. Viele haben sich hier über Wochen nicht aus der Wohnung getraut. Mit den eigenen Andachten unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen haben wir ihnen ein Angebot gemacht, sich langsam wieder aus der Wohnung zu wagen. Denn man kann nicht für immer in der Wohnung bleiben, da stirbt man irgendwann innerlich ab. Es geht um Wege, verantwortungsvoll mit dem Virus umzugehen, ohne die Menschen in Einsamkeit sterben zu lassen. Das ist uns, glaube ich, gut gelungen. Und diese eigenen Andachten behalten wir auch bei, wie lange auch immer Corona dauert.
Wie sieht es umgekehrt mit der Jugend aus?
Kampl: Das ist eine Gruppe, die in der jetzigen Situation besonders leidet – und jetzt in den Medien auch noch oft als Sündenbock hingestellt wird. Wir müssen aber auch bei den Jugendlichen fragen, was ihnen zumutbar ist und wie wir sie unterstützen können. Da haben wir bisher noch nicht die nötigen Angebote. Das ist für mich die nächste Aufgabe.
„Eigene Angebote für Jüngere – wie bei Senioren“
Heißt das vor allem auch, Konfirmandinnen und Konfirmanden stärker an die Gemeinde zu binden?
Kampl: Ich denke, dass andere Formen des Gottesdiensts, wie etwa die „Gottesdienste in Bewegung“, bei denen wir bewusst unsere Jugend einbinden, ein Weg sein können. Auch digitale Angebote. Aber da wartet noch eine Menge Arbeit auf uns.
Hörmann: Ich habe es gut gefunden, dass wir Kinder und Jugendliche mit der Aktion „#kreativenächstenliebe“, mit der in Zeiten des Lockdowns die ältere Generation in der Gemeinde von den Jungen mit Zeichnungen und kreativen Grußbotschaften versorgt wurden, ganz aktiv in das Gemeindeleben in Corona-Zeiten eingebunden haben. Das hat sicher den Zusammenhalt gestärkt und gerade auch den Jugendlichen gezeigt, was die Gemeinschaft der Glaubenskirche ausmacht. Was wir sicher noch brauchen und verstärken müssen, sind eigene Angebote für die Jüngeren – so, wie wir das ja auch bei den Senioren haben.
Im zweiten Teil des Interviews steht die Zusammenarbeit im evangelischen Wien im Mittelpunkt. Lesen Sie mehr dazu an dieser Stelle ab 21. August.
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