Experteninterview
Keine Hemmung vor dem Hörgerät
Wir haben mit Hals-Nase-Ohren-Ärztin Petra Kerschbaum über die Hörgeräteversorgung gesprochen.
SPITTAL. Besser zu früh als zu spät zum HNO-Facharzt. „Wenn auffällt, dass das Hörvermögen schlechter wird oder ist oder dass man zwar etwas hört, aber schlecht versteht, sollte man jedenfalls einen HNO-Facharzt konsultieren“, teilt HNO-Ärztin Petra Kerschbaum mit. Hörstörungen können erworben oder angeboren sein, sie können langsam schleichend oder aber akut, plötzlich auftreten. „Mithilfe der seit vielen Jahren durchgeführten Screeninguntersuchung von Neugeborenen werden neben vielen anderen Erkrankungen auch die angeborenen Hörstörungen erfasst und somit besteht hier eine frühzeitige Therapiemöglichkeit.“
Ursachen
Erworbene Hörstörungen treten entweder langsam schleichend auf, wie z.B. die Presbyakusis (Altersschwerhörigkeit) oder auch die Lärmschwerhörigkeit, welche durch eine über lange Zeit anhaltende (chronische) Lärmbelastung entsteht. Ursachen für das plötzliche Auftreten eines Hörverlustes können laut Petra Kerschbaum sehr vielfältig sein: „Von z.B. obturierendem Cerumen (Ohrenschmalzpfropf) im Gehörgang über Mittelohrergüsse bei Verkühlungen oder auch Allergien bis hin zum Hörsturz (akuter Innenohrschaden) kann es viele Ursachen geben.“
Der Weg zum Hörgerät
Die HNO-Ärztin beschreibt uns die Etappen zum Hörgerät. „Zuerst kommt es zur Terminisierung beim HNO-Facharzt, der Untersuchung, Hörtest und Sprachverständlichkeitstest durchführt. Ergibt sich in diesem Verlauf eine Notwendigkeit, kommt es zur Ausstellung einer Hörgeräteverordnung. Daraufhin folgt das Aufsuchen des Hörgeräteakustikers, dieser übernimmt die Beratung über die technische Ausführung und Möglichkeit zur Hörgerätetestung.“
Frühzeitige Hörgeräteversorgung
„Je älter man wird, desto mehr verliert das Gehirn an Plastizität, das heißt, die Gewöhnungsphase an ein Hörgerät wird länger und es tritt eher eine Hörentwöhnung ein, da die betroffenen Nervenzellen sich schlechter stimulieren lassen. Je weniger Informationen durch Sinnesorgane wie Augen, Ohren usw. zum Gehirn gelangen, desto wahrscheinlicher kann es zu Demenzerkrankungen kommen“, erklärt die Fachärztin.
Je weniger man von der Welt um sich mitbekommt, desto schneller kommt es zur Vereinsamung von Menschen.
Scham, Eitelkeit, Stigma?
„Heute wohl kein Thema mehr. Kinder tragen bunte Hörgeräte, niemand stoßt sich mehr daran. Die Eitelkeit sollte wohl eher dahin gehen, alles um sich herum mitbekommen zu wollen.“ Die Jahre der Stigmatisierung sind wohl schon lange Vergangenheit, zumal auch im Design und der Technik der Hörgeräteversorgung sehr viel verbessert wurde und wird.
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