Bier und Spiele abends an der Tankstelle
Was tut sich abends an der Tankstelle? Unterscheiden sich die Kunden von denen, die tagsüber die Stationen aufsuchen? Und wie fühlt sich das Personal, das allein die Verantwortung trägt?
In Radenthein hat die zur Agip-Gruppe gehörende eni ServiceStation in den Wintermonaten an sieben Abenden bis 21, in der übrigen Zeit bis 22 Uhr geöffnet. Während tagsüber Stammkunden wie Urlauber in etwa gleicher Anzahl ihre Autotanks auffüllen, ihren Wagen in der Waschgarage auf Vordermann bringen oder Kaffee trinken, sitzen nach Sonnenuntergang im abgetrennten Aufenthaltsraum in erster Linie Stammkunden, die häufig auch zu Fuß kommen.
Dort, wo auch geraucht werden darf, treffen sich nach Angaben der Angestellten Andrea Huber viele Pensionisten zum Kartenspiel oder einfach zum Plausch. Sie schätzen, wie der einheimische Stammgast Bernhard Müller versichert, vor allem die hausgemachten Leberkässemmel. Weil es ein fester Freundeskreis ist, der sich regelmäßig einfindet, wird dieser Treffpunkt einem anonymeren Gasthaus vorgezogen. Und Bier, Wein oder nichtalkoholische Getränke schmecken in diesem intimeren Rahmen genauso gut.
Während die 43-jährige Andrea Huber aus dem Gastgewerbe kommt, hat die drei Jahre jüngere Claudia Krenn, seit fünf Jahren bei der Shell-Station in Seeboden beschäftigt, schon immer an Tankstellen gearbeitet - zuvor bei BP gegenüber, als noch Personal vorhanden war, und anfangs in ihrer Heimatgemeinde Möllbrücke. Ihren Lebenspartner hat sie übrigens auch an der Tankstelle kennengelernt. Ihr taugt der Schichtdienst von 6 bis 14 oder von 14 bis 22 Uhr, weil die Arbeit "sehr abwechslungsreich, nicht so einseitig" sei. Angst vor bewaffneten Überfällen habe sie nicht: "Daran denke ich erst gar nicht, denn sonst dürfte man hier gar nicht arbeiten."
Auch sie kann, vor allem in der dunklen Jahreszeit, nach Feierabend auf einen festen Kundenstamm zählen, der sich im hinteren Stüberl trifft. "Da kommen locker 25 Leute zusammen" - aus Seeboden, aber auch aus umliegenden Gemeinden wie Spittal. Zu belegten Semmeln oder Kornspitz wird Bier oder Spritzer getrunken - "sicherlich auch, weil es billiger als im Gasthaus ist".
Schließlich gibt es noch einen weiteren kleinen Raum, der "ständig belegt ist". Hier hängen nämlich zwei Spielautomaten. Abend für Abend hoffen Glücksritter auf den großen Gewinn. Über ihre Einsätze hüllen sie sich verständlicherweise in Schweigen, räumen aber ehrlicherweise ein, dass sie unterm Strich regelmäßig draufzahlen.
Noch hat Claudia Krenn genügend Zeit, ihre Stammkunden ("zu 99 Prozent männlich") mit Getränken und fester Nahrung zu versorgen. Von März an aber muss sie sich aber in erster Linie um diejenigen kümmern, die nicht "Sprit" für sich, sondern fürs Auto kaufen: "Bis in den Oktober hinein ist abends hier die Hölle los."
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