Die Hutterer in Kanada: Leben in einer anderen Welt

Alexandra Glawischnig-Rudiferia (links) lebte elf Tage lang in der Hutterer-Kolonie "Crystal Spring" in Kanada mit | Foto: KK/Glawischnig-Rudiferia
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GMÜND, MANITOBA (ven). "Wie willst du über uns schreiben, wenn du uns nicht kennst?" - Mit dieser Frage sah sich die Gmündnerin Alexandra Glawischnig-Rudiferia bei ihrer Studienabschluss-Arbeit über die Hutterer konfrontiert. Kurzum entschloss sie sich, der Einladung einer Hutterer-Familie zu folgen und mit ihrer Familie die Hutterer-Kolonie "Crystal Spring" in Kanada in der Provinz Manitoba zu besuchen und mit ihnen elf Tage zu leben. Mit der WOCHE sprach sie über ihre Eindrücke und Erlebnisse.

Lebensweise verstehen

Das von Glawischnig-Rudiferia produzierte Theaterstück über die Hutterer feierte in Spittal große Erfolge (die WOCHE berichtete). "Irgendjemand hat in Kanada 'gepetzt' und die Familie Kleinsasser aus der Kolonie, die ursprünglich vom Kleinsasserhof hoch über Spittal stammt, erfuhr eben von meinem Stück. Wir haben uns dann vor einem Jahr auch getroffen, als sie hier zu Besuch waren", erinnert sich die Gmündnerin. Und die Hutterer hätten mit ihrer Frage Recht behalten: "Ich muss dort sein, damit man sie, ihre Lebensweise und den Kontext auch richtig verstehen kann. Mir ist es wichtig, Brücken zwischen den Kulturen zu schaffen." 
Bereits vor 1550 wurde in der Slowakei ein Buch über die Huttersche Lebensweise verfasst, die Hutterer halten sich noch heute daran. 

Mit Wlan, ohne Make-Up

So fand sich Glawischnig-Rudiferia für elf Tage in einer 186-Personen-großen Hutterer-Kolonie in Kanada wieder. Eigentlich ungewöhnlich groß, normalerweise wird eine Kolonie mit mehr als 150 Personen geteilt und eine neue entsteht, die anfangs von der Mutter-Kolonie finanziell unterstützt wird. Ohne Make-Up, mit Kopftuch, in den typischen selbstgenähten Kleidern, aber mit Handy, Wlan und viel Technologie sah sie sich dort den Alltag an, der sehr kontrastreich ist. Trotz dem großen Einfluss von "außen" schafften die Hutterer es, ihre Kultur über die Jahrhunderte hinweg zu bewahren. 

Große Fabriken

"Die Hutterer sind wirtschaftlich sehr erfolgreich, sie leben aber in einer Gütergemeinschaft. Sie betreiben große Fabriken, sind hochtechnologisiert, aber Fernsehen, Tanz und Musik gibt es dort nicht." Jede Kolonie hat sich auf die Produktion eines bestimmten Produktes oder auf Landwirtschaft mit neuesten Erntemaschinen spezialisiert. Außerdem steht das Wohl der Bedürftigen der Außenwelt oben auf der Prioritätenliste, die Kolonien veranstalten immer wieder Charity-Aktion wie zum Beispiel Kleidersammlungen für Arme. Sie unterstützen auch Indianer, mit Glawischnig-Rudiferia haben sie auch ein Indianer-Reservat besucht. 

Getrenntes Essen

Der Tagesablauf ist streng geregelt und strukturiert, die ganze Familie wird eingeteilt. "Es wird in einer Großküche für alle gekocht, Kinder essen separat, Männer und Frauen sitzen im Speisesaal getrennt." Gesungen wird dort sehr viel, vorwiegend religiöse Lieder. Abgesehen von der Sonntagspredigt wird noch vier Mal pro Woche gebetet. "Der Glaube ist dort sehr auf das praktische Leben ausgelegt und sie leben das auch bewusst." Kreuze und Heiligenbilder sucht man in Wohnungen vergebens, denn "sie sagen, dass das auch nur Menschen sind."

Elektro-Autos für Frauen

Ihre Kinder bilden die Hutterer selbst aus, und zwar so, dass es der Gemeinschaft dient. Für Zwei- bis Sechsjährige gibt es einen eigenen Kindergarten, bis zum Maturaniveau auch eine eigene Schule, in die die kanadische Regierung auch Lehrer "von außen" schickt. Dort wird auch Deutsch und Englisch gelehrt, selbst die Schüler sind mit neuesten Laptops und Technik ausgestattet. Im Alltag sprechen sie Hutterisch. "Als Kärntner versteht man es sogar recht gut." Jeder in der Kolonie hat drei bis vier "Jobs", mit elf Jahren können sie auch schon Autofahren. "Die Frauen haben alle Elektro-Autos, die an unsere Golfcarts erinnern", so Glawischnig-Rudiferia.

Ehe nur intern

Die Ehen - allesamt Liebesheiraten - werden nur intern geschlossen, heiraten darf man aber nur als Vollmitglied, wenn man auch getauft ist. "Das passiert eher im Erwachsenenalter, denn man darf dort selbst entscheiden, ab wann man sich voll der Lebensweise der Hutterer verschreibt. Natürlich gibt es aber auch viele Aussteiger, denen wird der Ausstieg aber nicht übel genommen und sie kommen ihre Familie auch besuchen."

Frauen werden gefragt

Wählen - wie den Prediger und somit Vorsteher der Kolonie - dürfen nur die Männer. "Aber die Frauen werden stets um Rat gefragt. Nach außen hin wirkt die Gesellschaft sehr männerdominiert, aber die Frauen sind die eigentlichen Strippenzieher", lacht sie. Die traditionelle Tracht wird selbst genäht und ist sehr individuell. "Man darf Farbe und Muster selbst auswählen." Die Männer und Burschen tragen vorwiegend karierte Hemden, schwarze Hosen und Hosenträger, Frauen und Mädchen die Kleider. Gewaschen wird in den kolonie-eigenen Wäschereien in großen Maschinen mit striktem Zeitplan. 
Die Freizeit wird intensiv mit den Kindern genutzt, man geht gemeinsam Radfahren, Schwimmen oder auch Fischen. Eine typische Hutterer-Frau könne gut kochen, gut nähen und sei auch eine gute Mutter. 

Schlicht, aber mit Komfort

Die Einrichtung der Häuser ist schlicht und praktikabel, durchaus mit Komfort. "Jede Wohnung - durchwegs in einstöckigen Häusern - hat eine eigene Küche. Privatsphäre gibt es dort allerdings nicht. "Sie haben alles, aber sie wissen auch, dass sie auf einiges verzichten müssen - wie Rauchen, Alkohol oder das Ausgehen am Abend." Die typische Abendbeschäftigung findet am Lagerfeuer statt, soziale Kontakte werden beim Besuch von anderen Kolonien geknüpft. 

Werden in Ruhe gelassen

Insgesamt stört sich in Kanada niemand am Anblick der Hutterer, sie werden dort voll von der Außenwelt akzeptiert. "Das ist der Grund, warum sie dort leben. Sie werden in Ruhe gelassen und dürfen ohne Einschränkungen und mit Religionsfreiheit leben. Eine Parallelwelt in der eigentlichen Welt."

Viel von den Hutterern lernen

Glawischnig-Rudiferia nahm von ihrer Reise einiges mit. "Mehr Zufriedenheit und das Bewusstsein, dass wir alles haben. Und ich kann jeden Tag selbst entscheiden, was ich tun kann, damit das Leben noch schöner ist. Ich bin nicht gläubig, aber ich halte mich an bestimmte Werte. Bei den Hutterern gibt es auch keinen Neid oder Missgunst, weil jeder alles hat. Man kann viel von ihnen lernen." 

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