Staatsanwalt: „Keine Weisung im Falle Friewald“
Staatsanwaltschaft weist Kritik an Einstellung eines Amtsmissbrauchsverfahrens gegen Bürgermeister zurück
MICHELHAUSEN / ST. PÖLTEN/ BEZIRK (wp). Ein Gerichtsverfahren gegen gegen Michelhausens Bürgermeister erschütterte den Bezirk. Der nun rechtskräftige Freispruch irritiert so manchen.
Er konsultiere keine Gesetzbücher, lese keine Eingaben von Ida Hader – und längere Bescheide, die seine Amtsleiterin an die Gemeindebürger verschicke, werden von ihm einfach unterschrieben. Außerdem entscheide er in seiner Amtsführung aus dem Bauch heraus. So rechtfertigte Bgm. Rudolf Friewald (VP) sein Tun in der Causa Ida Hader vor Gericht, in der es um einen unterlassenen Bescheid in einer Grundstücksumwidmungs-angelegenheit ging.
Richter Markus Grünberger gestand in seiner nun schriftlich vorliegenden Urteilsausführung Friewald zu, „glaubhaft den Eindruck hinterlassen zu haben, das Raumordnungsgesetz (§24) nicht gekannt und gelesen zu haben“, obwohl er diesen Paragrafen als Landtagsabgeordneter mitbeschlossen hatte bzw. von der Rechtsvertreterin von Ida Hader auf dessen Inhalt hingewiesen worden war. Grünberger ortete allerdings „keinerlei Problembewusstsein der Entscheidungsträger“ in Michelhausen und nennt den Bürgermeister „fahrlässig“, sprach ihn aber vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs frei.
Staatsanwalt verzichtete auf angekündigte Rechtsmittel
Der Freispruch ist nun rechtskräftig, da Staatsanwalt Karl Wurzer die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil zurückzog. Kritiker glauben, der Rückzug sei aufgrund einer politischen Weisung erfolgt, was sowohl Wurzer als auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten, Gerhard Sedlacek, zurückweisen. Wurzer: „Die Bekämpfung des schlüssigen Urteils vor einer höheren Instanz wäre aussichtslos gewesen.“
„Die Vorgehensweise in dieser Causa verstehe ich nicht, die Entscheidung erscheint mir sehr merkwürdig“, meint Österreichs prominenter Verfassungsrechtler Heinz Mayer, „ein Bürgermeister, der aufgeklärt wurde, dass er einen Bescheid erlassen muss, handelt klar rechtswidrig, wenn er es nicht tut. Einer, der sich weigert, das Gesetz zu lesen, hat meiner Meinung nach ein Problem.“ Die Nichtigkeitsbeschwerde hätte aufrecht erhalten und das Urteil von einer höheren Instanz geprüft werden sollen. „Es sind schon Bürgermeister wegen geringfügigerer Delikte verurteilt worden, mit der Begründung, sie hätten wissen müssen, wie sie dem Gesetz entsprechend zu handeln hätten.“
Reicht ein Telefonat?
Politische Weisungen an die Staatsanwaltschaft würden relativ selten ergehen, aber „es reicht manchmal schon ein Telefonat, und der angerufene Staatsanwalt weiß, was er zu tun hat“, lässt Mayer ein wenig hinter die Kulissen blicken. Er wolle dies allerdings nicht auf die Causa Friewald bezogen sehen. – Wie gehen andere Bürgermeister vor, wenn sie sich in einer delikaten Sache nicht auskennen? Zeiselmauers Bgm. Josef Wagner (SP) konsultiert auf alle Fälle einen Rechtsanwalt, in heiklen Bauangelegenheiten verlässt er sich auf den Raumplaner. Absdorfs Bürgermeister Franz Dam (VP): „Es gibt im Land eine Fülle kompetenter Fachleute, auf deren fundierten Rat ich vertraue.“
Auch Kirchbergs VP-Bgm. Johann Benedikt lässt sich komplizierte Fälle im Zweifelsfall von Landesjuristen erklären und sichert sich solcherart ab. Sieghartskirchens Bgm. NR Johann Höfinger (VP) vertraut einerseits auf die Erfahrung seines Amtsleiters und wendet sich bei Bedarf an die Rechtsabteilung im Land. Die Städte Klosterneuburg und Tulln können sich auf eigene Rechtsabteilungen stützen. – NÖ-GVV-Präsident LA Alfred Riedl (VP): „Seitens der Gemeindeverbände begleiten wir die Mandatare und bieten auch juristischen Beistand. Außerdem werden Schulungen und hilfreiche Bücher zur Verfügung gestellt.“
Werner Pelz (Tel.-Kontakt: 0699 139 90 217 / Mail: wpelz@bezirksblaetter.com)
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Mulmiges Gefühl
„Ich wusste leider nicht, dass ich hier nur 80 fahren darf, denn ich beachte Verkehrsschilder nicht und fahre nach Bauchgefühl.“ – Probieren Sie einmal, sich so bei einer Anhaltung durch die Polizei zu rechtfertigen, und warten Sie darauf, was passiert. Bgm. Friewald gab vor, die Gesetzeslage nicht zu kennen – in einer Causa, in der es um einen sechsstelligen Euro-Betrag ging – und wurde vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen. Das gibt es nun schwarz auf weiß. Der Staatsanwalt hat die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurückgezogen. – „Wir hatten vom Gesetz keine Ahnung“, rechtfertigten sich auch andere Verantwortungsträger Michelhausens. Äh, wie bitte? Und das, obwohl die Causa Hader immer wieder für Aufsehen in der Gemeinde sorgte und auch Juristen den Bürgermeister aufmerksam machten? Verfassungsrechtler Mayer versteht die Vorgehensweise von Gericht und Staatsanwaltschaft nicht. Wie soll das dann erst der „normale“ Staatsbürger? An (mündliche) Weisungen an die Justiz oder vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Politik will man gar nicht erst denken, aber irgendwie beschleicht einen ein mulmiges Gefühl.
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