Leserbrief
Eine respektlose und abwertende Behandlung
Eine Leserin berichtet über ein prägendes Erlebnis ihrer Mutter.
Wieder einmal erreichte meine Schwestern und mich der Anruf aus der Pflegeeinrichtung, in der unsere Mutter untergebracht ist, dass man sich genötigt sah, den Krankenwagen zu rufen. Nach einem jahrelangen Parkinson-Leiden und diversen anderen „Kleinigkeiten“ war es zuletzt ein Schlaganfall, der diese Maßnahme erfordert hatte. Diese so von Krankheiten gezeichnete Frau wurde, so hat sie mir am nächsten Tag erzählt und so hat sie es empfunden, respektlos und abwertend behandelt. Die Corona-Schlagzeilen alleine müssen ja schon vielen „vulnerablen Gruppen“ durch Mark und Bein gegangen sein, als man überlegte, wie man diese „schützen“ könnte, damit wir anderen möglichst uneingeschränkt weiterleben könnten. Meist wird ja überhaupt nicht mit der im Rollstuhl sitzenden Dame gesprochen, sondern über ihren Kopf hinweg mit der Begleitperson verhandelt. Mir ist dies selbst passiert, da sinkt das Selbstwertgefühl so schnell.
In der Notfallaufnahme
Nach der Einlieferung in die Notfallaufnahme und stundenlanger Wartezeit war es schon weit nach Mitternacht, als ein vielleicht übermüdeter und abgearbeiteter Arzt sich ihrer annahm. Es sei nichts Schlimmes und der alte Mann, so betitelte er ihren Facharzt selbstgefällig, der sie sonst immer behandle, möge ihre Medikamente umstellen. Um sich verstanden zu fühlen und trotz ihres derangierten Äußeren, denn man hatte sie einfach der Eile oder Unbedachtheit halber im Nachthemd, eine Decke übergeworfen, in den Krankenwagen gesteckt, hätte es schon einfach gereicht, wenn irgendjemand des medizinischen Personals sich auf Augenhöhe zu ihr begeben hätte, denn von oben herab behandelt fühlt man sich schnell, wenn sich der eigene Kopf auf Kniehöhe der sprechenden Person befindet, und vielleicht sogar ihre abgearbeiteten verkrüppelten Hände in seine genommen hätte, das alleine hätte sie menschliche Wärme spüren lassen. Nun ja, es ging in ähnlich harscher Weise weiter.
Die Ablieferung
Rettungsfahrer, die das lästige Bündel möglichst schnell wieder abliefern wollten und ab ins Bett, wo sie den Großteil ihres Corona-eingeschränkten Heimlebens verbringt. Alles korrekt, jeder hat seine Pflicht getan, kein medizinischer Notfall. Heute sinniert sie den ganzen Tag vor sich hin, es wird überlegt, ob sie nicht noch mehr stimmungsaufhellende Medikamente brauchen würde, ein weiterer Schlaganfall war es nicht. „Weißt, es ist nicht lustig“, ist ihr lapidarer Kommentar.
Karin Rauchenwald,
Micheldorf
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