Drei Mordversuche in drei Tagen

- Sachverständiger Dietmar Jünger mit Staatsanwältin Christine Burkheiser.
- Foto: Probst
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35jähriger Mann wurde rechtskräftig in Anstalt für geistig Abnorme eingewiesen.
Mit einer rechtskräftigen Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher endete der Prozess gegen einen 35-Jährigen aus dem Bezirk Tulln, der zwischen 19. und 21. August 2010 dreimal versucht hatte, Menschen zu ermorden, um sie von ihrem – seiner Einschätzung nach schwierigen – Leben zu „erlösen“.
ST. PÖLTEN / TULLN (ip). „Und alles ohne Worte“ – lauteten die übereinstimmenden Aussagen von Opfern und Zeugen, wenn sie den jeweiligen Tathergang und das Verhalten des Täters schilderten. Mit dem ersten Opfer, einem 35-jährigen Berufsschullehrer, teilte sich der Verkäufer eine Wohnung. Die paranoide schizophrene Erkrankung seines Mitbewohners war für ihn bis zu dem Vorfall nicht erkennbar. Am 19. August wachte der Lehrer gegen sechs Uhr morgens auf, weil er keine Luft mehr bekam. Ein T-Shirt auf Nase und Mund gepresst, versuchte er mit aller Kraft, den Mann wegzustoßen, der mit seinem ganzen Gewicht auf ihm saß. Nach einem kurzen Gerangel konnte sich das Opfer befreien. Kurz danach verließ der Täter, wortlos wie bisher, die Wohnung und fuhr zu seinem Bruder, der ihn noch am selben Tag ins Donauklinikum Tulln brachte. „Was wäre passiert, wenn sich ihr Freund nicht gewehrt hätte?“, wollte die vorsitzende Richterin Doris Wais-Pfeffer bei der Verhandlung am Landesgericht St. Pölten wissen.
Keine klaren Gedanken
„Dann wäre etwas Schlimmeres passiert!“, erklärte der gelernte Techniker und gab gleichzeitig zu, dass er den Lehrer ermorden wollte. „Ich habe keinen klaren Gedanken mehr fassen können“, erklärte der Betroffene. Beruflicher und privater Stress hätten seine Erkrankung, die er seit 2002 mit Hilfe von Medikamenten unter Kontrolle gehabt habe, wieder akut werden lassen. Zudem habe er kurz zuvor die Medikamente selbstständig abgesetzt, was unter anderem auch ein erhebliches Schlafdefizit hervorgerufen habe.
An die weiteren Vorfälle konnte er sich im Prozess nicht mehr erinnern, gab jedoch bei seinen ersten Einvernahmen an, dass er die Leute „erlösen“ wollte.
Plastiksackerl über Kopf gestülpt
Opfer Nummer zwei, ein 19-Jähriger, saß zufällig neben dem Täter im Raucherraum des Landesklinikums. Er habe nicht mit ihm gesprochen, doch plötzlich habe ihm der Mann ein Plastiksackerl über den Kopf gestülpt und zugedrückt. Selbst schwer angeschlagen, konnte sich der Attackierte vor dem Ersticken retten.
Das dritte Opfer, eine schwer demenzkranke alte Dame, saß in einem Geriatriestuhl vor einem Dienstzimmer des Landesklinikums. Unter dem Motto „die Alten und die Arbeitslosen gehören erlöst“, schob der 35-Jährige die betagte Frau zu einem Fenster, beugte sich über sie und drückte ihr seine Hand über Mund und Nase. Auf der Suche nach ihrer Patientin erschien eine Pflegerin gerade noch rechtzeitig. Während sich der Mann erschrocken entfernte, schrie die Frau: „Der wollt’ mi dawürgen!“
In seinem Gutachten erläuterte der Sachverständige Dietmar Jünger, dass sich die Erkrankung des Betroffenen unter anderem darin äußere, dass er eigene Probleme auf andere projiziere. Indem er sie umbringe, erlöse er sie und damit sich selbst von den Qualen des Lebens. Der Zustand des geisteskranken Mannes habe sich in den letzten Monaten zwar deutlich gebessert, doch fühle er sich auch selbst noch zu wenig stabil und brauche kontrollierte Rahmenbedingungen, um neuerliche Vorfälle dieser Art zu verhindern. Dem Antrag von Staatsanwältin Christiane Burkheiser auf Einweisung sei vorerst jedenfalls nachzukommen.
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