Ani, 15, Flüchtling im Rollstuhl
Treffen beherbergt nun 19 Asylwerber.
Doch wer sind diese Menschen?
Ein Lokalaugenschein.
TREFFEN (kofi). Im Büro von Michaela Becker stapeln sich die Kisten. Noch war keine Zeit, sie auszuräumen. Es gibt soviel Anderes zu tun im Haus "Bethanien", das kurzfristig in ein Flüchtlingsheim umgewandelt worden ist. Wie berichtet, hat sich die evangelische Stiftung "de La Tour" bereit erklärt, maximal 20 Flüchtlinge aufzunehmen.
Becker ist als Sozialarbeiterin der Stiftung Ansprechpartnerin für jene 19 Frauen, Männer und Kinder, die dieser Tage ihr Quartier in Treffen bezogen haben. Was die Menschen eint: Sie kommen aus Ländern, in denen es Krieg gibt. Aus denen man unter Umständen flüchten muss, will man am Leben bleiben. So wie Ani. Sie ist 15 und sitzt im Rollstuhl. Mit ihren Eltern Tatew und Wahan ist es ihr über Umwege gelungen, aus Armenien nach Österreich zu kommen. Doch wo findet eine Asylwerberfamilie mit einem körperlich beeinträchtigten Kind Unterschlupf?
Das De-La-Tour-Haus in Treffen ist barrierefrei. Ein Glücksfall für Anis Familie. "Hier wird sie zur Ruhe kommen", hofft Betreuerin Becker. "Jetzt brauchen diese Menschen vor allem Zeit. Viele von ihnen sind traumatisiert von dem, was sie in ihrer Heimat und auf der Flucht erlebt haben." Auch den von der Stiftung angekündigten "Tag der offenen Tür" für die einheimische Bevölkerung müsse man nach hinten verschieben: "Das würde derzeit zu viel Stress bedeuten. Ich bitte um Verständnis." Aufgeschoben sei nicht aufgehoben, sagt Becker.
Schulfreunde
Den Kindern und Jugendlichen gilt besondere Aufmerksamkeit. Während Ani nicht mehr schulpflichtig ist, besucht Malida, 12 Jahre alt, von Anfang an die Neue Mittelschule in Treffen. Zwar ohne Notendruck, aber mit dem Hintergedanken, dass das Kind die deutsche Sprache möglichst schnell erlernt. "Die Mitschüler und Lehrer haben großartig reagiert", freut sich Betreuerin Becker: "Malida war sehr aufgeregt, dass sie nun so viele Freunde hat." Wie lange das gesundheitlich schwer angeschlagene Mädchen aus Tschetschenien in Treffen bleibt, hängt, wie bei allen Flüchtlingen, vom Verlauf des Asylverfahrens ab. An dessen Ende kann auch die Abschiebung stehen.
Lange Hilfstradition
Für die Stiftung de La Tour ist die Betreuung von Asylwerbern am Standort Treffen nichts Neues. Schon vor 70 Jahren wurden hier erstmals Flüchtlinge aufgenommen. 1956 dann, als die Sowjetarmee den ungarischen Volksaufstand niederschlug, waren mehr als 100 Ungarn bei der Diakonie untergebracht. Und auch während der Jugoslawienkriege Ende des vergangenen Jahrhunderts half die Stiftung aus. "Dieser Ort hat eine bemerkenswerte Tradition, was Hilfsbereitschaft in größter Not betrifft", sagt Hansjörg Szepannek, Pressesprecher der Diakonie, die hinter den de La Tour-Häusern steht: "Daher war es für uns keine Frage, dass wir auch diesmal helfen."
Das Erfreuliche: Auch viele Einheimische helfen mit. Zum Beispiel Brigitte Hopfgartner. Die pensionierte Volksschuldirektorin hat bereits damit begonnen, den Neuankömmlingen Deutschunterricht zu geben. "Diese Menschen brauchen Hilfe, ich mache das gerne", sagt sie. Andere halfen mit Gegenständen, die sie nicht mehr benötigten: So konnte das zuvor leerstehende Gebäude fast ausschließlich mit Möbeln eingerichtet werden, die von Einheimischen gespendet wurden. Und als Bürgermeister Klaus Glanznig (SPÖ) erfuhr, dass die Flüchtlinge keine Winterschuhe besitzen, stellte er klar: "Auch dieses Problem werden wir unbürokratisch lösen."
Selbstversorger
Für ihre Verpflegung müssen die Flüchtlinge in Treffen selbst sorgen. 180 Euro erhält dafür jeder Erwachsene pro Monat, 80 Euro gibt es pro Kind. "Nicht viel", sagt Michaela Becker: "Aber es muss reichen. Diese Menschen haben gelernt, mit sehr wenig Geld auszukommen."
Dann eilt sie zurück in ihr Büro, wo eine lange Liste mit Namen und Telefonnummern auf sie wartet. Menschen, die zurückgerufen werden wollen. Weil sie den Flüchtlingen helfen möchten. Beckers nicht ausgeräumte Kisten werden noch länger warten müssen.
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