Kommentar
Die eierlegende Wollmilchsau

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Sich einen Idealzustand schaffen oder eine Person wünschen, die alles kann und es jedem recht macht. Die eierlegende Wollmilchsau ist ein Synonym für etwas, das es nicht gibt und nie geben wird.
Diesen Wunsch nach der eierlegenden Wollmilchsau finden wir derzeit in fast allen Bereichen unseres täglichen Lebens. Der Handel jubelt verhalten, da die Geschäfte wieder öffnen dürfen.
Dadurch blickt man besorgt auf mögliche neue Infektionszahlen durch die Ansammlung von Menschen in relativ engen geschlossenen Räumen. Und mit spitzen-super-tollen Angeboten, die es nur jetzt und sonst nie wieder geben wird, warten schon alle Schnäppchenjäger ungeduldig auf das beste Fundstück ihres Lebens. Die Gastronomie verzweifelt immer mehr an den Restriktionen, denn durch den angebotenen Abhol- oder Zustellservice lässt sich das entgangene Tagesgeschäft niemals kompensieren. Bars, Clubs und Co. schauen sowieso durch die Finger.

Der Tourismus kommt sommertechnisch mit einem blauen Auge davon, was den Wintertourismus anbelangt, ist derzeit noch alles unsicher. Wie am Ende ein sicherer Skibetrieb aussieht, kann keiner wirklich vorhersehen. Am Ende wird mitunter ein neuer Lockdown die Konsequenz der Skisaison sein.
Im Bildungsbereich haben die Schulen zum Teil wieder geöffnet. Bis auf die Maturanten müssen sich Oberstufenschüler noch in Distanz gedulden. Ein ausgereiftes Konzept vermisst man hier. Hingegen geht es für die anderen Schüler mit Vollgas in den Schulalltag mit Prüfungen und Schularbeiten bis zu den Weihnachtsferien. Gut, dass da vergangenen Montag einige Schulen noch auf den schulautonomen Tag bestanden. Gut, dass einige Lehrer während der Phase des Distance-Learnings neuen Stoff vermittelt haben und - noch besser - diesen jetzt gleich in den Schularbeiten abfragen. Gut, dass damit alle Empfehlungen vom Bildungsministerium und der Bildungsdirektion völlig ignoriert wurden. Das eben alles zum Wohl der Schüler. Aus allen Ecken kommt Kritik an der Maskenpflicht für die Schüler, aber Home-Schooling als Alternative will ja auch keiner mehr.

Der langersehnte Impfstoff wird kommen, aber mit einer Bereitschaft von gerade einmal 31 Prozent freiwilliger Beteiligung im Ländle bei den Massentests vergangenes Wochenende wird wohl auch eine freiwillige Durchimpfung ebenso gering sein. Dadurch könnte uns das Thema Corona und die damit verbundene Belastung des Gesundheitssystems noch länger beschäftigen.

Hier bräuchte man für jedes System eine eierlegende Wollmilchsau. Damit es jedem recht gemacht wird. Das geht aber nun mal nicht und um den Karren nicht endgültig an die Wand zu fahren, müssen wir alle mit den derzeitigen Verordnungen leben. Rückblickend sind das aber Konsequenzen aus unserem Nichttun und zahlreichen Versäumnissen der Regierung kurz nach dem Sommer. Polemische Aussagen über Reiserückkehrer aus den Balkanländern von Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht nur KURZsichtig, sondern auch diffamierend, denn eine große Zahl der Reiserückkehrer waren Österreicher ohne Migrationshintergrund mit Ballermannmentalität.
Bleibt am Ende nur die Frage, ob diese derzeitigen Puzzlemaßnahmen in verschiedenen Bereichen nur die Summe eines Gesamtversäumnisses sind, das Österreich es mit seiner typischen Freunderlwirtschaft-Mentalität schlicht und einfach nicht geschafft hat besser mit der Pandemie umzugehen. Was es aber zeigt: In Bereichen, in denen es schon vor der Krise gekränkelt hat, wird dies durch die Pandemie nur noch mehr verstärkt. Da hilft der Wunsch nach einer eierlegenden Wollmilchsau auch nichts mehr.

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