Kommentar
Eine Welt, eine... Ja was eigentlich?

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

„One World, one Family”. Das ist das Motto der derzeit stattfindenden Olympischen Winterspiele in China. Wunderbares Motto und so extrem weltoffen. IOC-Präsident Thomas Bach hat in seiner Rede bei der Eröffnungsfeier noch einmal an die politischen Führer der Welt appelliert, während der zweiwöchigen sportlichen Wettbewerbe auf kriegerische Handlungen zu verzichten. „Beachten Sie Ihre Verpflichtung für diesen olympischen Waffenstillstand. Geben Sie dem Frieden eine Chance“, sagte er. Das ist darum wichtig, weil der russische Präsident ebenfalls bei der Eröffnungsfeier dabei war. Putin zeigt sich von diesen Worten nicht sehr betroffen. Warum auch. Er versucht nur zu schützen, was ihm gehört und was er gerne hätte. Repräsentanten vieler anderer Staaten blieben der Eröffnung fern. Diplomatischen Boykott nennt man das in Fachkreisen. Angeblich, weil China immer wieder die Menschenrechte einiger Minderheiten verletzt. Aber hey, kann man bei dieser Masse an Menschen in China wirklich an alle denken? Ob dieser politische Boykott zielführend ist, bezweifle ich. Im chinesischen System wird sich dadurch wenig bewegen.

Weiters verbeugte sich der IOC-Präsident erneut vor den Gastgebern der Winterspiele, deren Ehrgeiz eine „neue Ära für den globalen Wintersport“ ermögliche. „Wir können dieses neue Kapitel der Sportgeschichte nur dank unserer gütigen Gastgeber schreiben, der Menschen in China, denen wir von ganzem Herzen dafür danken, dass sie uns alle so herzlich empfangen haben“, sagte er. Da wird einem doch ganz warm ums Herzl. Wenn man dies alles liest, dann hat man das Gefühl, dass der olympische Gedanke zu 100 Prozent umgesetzt wird. Laut chinesischen Medien sind es sogar Green Games. Das soll bedeuten, dass vieles nach den Spielen wiederverwertet wird und die Stromproduktion aus erneuerbaren Ressourcen erfolgt. Einfach nur toll! Vorsprung China! Bilder von weißen, künstlich beschneiten Streifen inmitten einer ansonsten braunen, kahlen Berglandschaft lassen einen beachtlichen Rückstand für die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen mehr als nur erahnen.

Bis 20. Februar haben wir also noch Zeit für uns Österreicher wichtige Sportarten zu befeuern. Genauso hätten wir auch die Chance, Randsportarten zu sehen, die sonst nie die Chance haben, medial ins Rampenlicht zu rücken. Die Crux an der Geschichte ist nur, dass alle Sportarten bei diesen Spielen dann stattfinden, wenn wir alle entweder schlafen oder arbeiten. Das bedeutet, dass für wintersportbegeisterte Zuschauer die Sendezeiten durch die Zeitverschiebung relativ ungünstig sind. Für das chinesische Publikum und dem restlichen asiatischen Raum hingegen hält sich das Interesse für diese Spiele sehr in Grenzen. Unterm Strich und abseits von Corona und Co. sollte man sich also die Frage stellen: Wozu das Ganze? Einschaltquoten? Eher nicht. Nachhaltigen Tourismus im Winter? Für wen genau? Daher bleiben die Olympischen Spiele - ob Sommer oder Winter – eine Welt von Unternehmen, Lobbyisten und willfährigen Organisationen und willfährigen Staaten, die alle eine immense Geldvernichtungsmaschine füttern. Für Athleten, die jahrelang für diesen einen Moment hintrainieren, ist es ein reines Dilemma, aus dem sie ohne eine übergeordnete Instanz nicht herauskommen.

Die Chinesen werden sicherlich perfekte Winterspiele inszenieren. Dafür sind sie bekannt. Zu welchem Preis, ist eine ganz andere Frage. Die Globalisierung hat mit diesen Winterspielen sicherlich einen Höhepunkt erreicht und zeigt, wie abhängig wir alle von Ländern wie China sind. Und genau das wissen die Gastgeber der Olympischen Winterspiele 2022. Das ist ihr Kalkül.

Eine Welt, eine Familie und alles „Made in China“.

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