Kommentar
Influencer:In oder Pfleger:In werden?

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Seit vergangenen Donnerstag ist es fix. Die Pflegemilliarde wird kommen. Gesundheitsminister Johannes Rauch präsentierte seinen Maßnahmenkatalog mit 20 Punkten. Es sei die größte Pflegereform seit Jahrzehnten, betonte die Grünen-Clubobfrau Sigi Maurer. Zahlreiche Experten aus dem Pflegebereich begrüßen diesen Schritt, warnen aber gleichzeitig vor zu viel Euphorie. Der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sei diese Reform und das dafür budgetierte Geld. Am Ende fehlt es nach wie vor an Personal, da die Pensionierungswelle immer noch anhält und nicht abebbt. Von unten kommen zu wenig junge Menschen, die sich für die Arbeit im Pflegebereich interessieren. Zudem kommen gerade bei uns in Vorarlberg geografische Gegebenheiten, bei denen der Konkurrenzkampf fast schon unfair wirkt, wenn man die Gehaltszahlungen vergleicht. So werben Liechtensteiner und Schweizer Gesundheitsinstitutionen bei uns im Ländle um Fachkräfte - mit einem wesentlich attraktiverem Lohn. Gut, manche versteckten Klauseln werden erst im Kleingedruckten klar, aber es ist im Westen Österreichs sicherlich schwieriger gutes Personal zu bekommen, als im restlichen Teil. Ähnlich verhält es sich im pädagogischen Bereich.

Wenn also Jugendliche vor der Wahl einer Berufsausbildung stehen und mit sozialen Netzwerken in der digitalen Welt aufgewachsen sind, dann ist die Frage, ob Influencer oder Pfleger werden, gar nicht so abwegig. Kurz zur Aufklärung: Influencer sind Menschen, die in sozialen Netzwerken sehr viele Menschen durch ihre Beiträge erreichen. Sie bringen andere Menschen dazu, ihnen im Netz zu folgen, also ihre „Freunde“ oder „Follower“ zu werden. Influencer berichten über fast alles, hauptsächlich von ihrem Leben. Und dabei machen sie bewusst Werbung für verschiedene Gebrauchsgegenstände in ihrem Leben. Hat ein Influencer genügend Follower, werden sogar Firmen darauf aufmerksam und zahlen diesen Influencern richtig viel Geld dafür, dass diese Werbung für eines ihrer Produkte machen. Das geht so weit, dass sich junge Menschen bei der Berufsbezeichnung als Influencer ausgeben. Warum auch nicht, bei einem fünf oder sechsstelligen Jahresumsatz würde ich mich auch nennen, wie andere es wollen. Was tut man nicht alles für Geld? Daher stellt sich die berechtigte Frage, ob ein junger Mensch, der sich für den Pflegeberuf entscheidet, nicht genauso viel verdienen soll, wie manch ein gutverdienender Influencer? Ja, das mag eine provokante Frage sein, aber mit all den genannten Problemen sollte die Regierung anfangen größer zu denken. Zumindest wäre eine Anpassung an das Schweizer oder Liechtensteiner Gehaltsmodell ein Anfang. Dabei ist die Gehaltsaufstockung mit der versprochenen Pflegemilliarde nur ein Punkt von insgesamt 20 und zudem zeitlich begrenzt.

Am Ende müssen auch andere Parameter stimmen. Was nützt ein attraktives Gehalt, wenn ich vor lauter Arbeit das Geld nicht ausgeben kann und will, weil mir am Ende die Kraft fehlt. Die Gruppe der Berufswechsler ist im Pflegebereich nicht erst seit der Pandemie enorm hoch. Es sollte ein Rundumkonzept erarbeitet werden, damit wieder mehr junge Menschen im Gesundheits- und Pflegebereich ihre Ausbildung nicht nur beginnen und abschließen, sondern letztlich auch bleiben. Ein Paket wie ein All-Inklusiv-Urlaub. Das sollte am Ende das Ziel sein, damit wir uns auch für die Zukunft keine Sorgen mehr machen müssen, ob genügend Personal pflegebedürftige Menschen versorgen können. Ich hoffe sehr, dass wir ähnlich wie im Bildungsbereich die Personalkurve noch erwischen. Sonst wird es in den nächsten Jahren etwas eng für die Generationen Jung und Alt.

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