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Wir machen alles richtig. Machen wir doch, odr?

Wir machen alles richtig. Machen wir doch, odr? | Foto: pixabay
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Was für eine bewegende letzte Woche! Montag war Feiertag für unsere deutschen Nachbarn. Was das mit uns zu tun hat, wird später erklärt. Dann kam die beste Nachricht seit Langem: Wir sind Nobelpreis! Gut, nicht wir, aber dafür ein österreichischer Wissenschaftler. Dem Quantenphysiker Anton Zeilinger wurde mitgeteilt, dass er den Nobelpreis erhalten wird. Was für ein Quantensprung! Diese Phrase ist im Grunde völlig falsch, denn es wäre ja ein Minisprung. Und dann am Sonntag die Bundespräsidentenwahl. Sollten Sie diesen Moment aufgrund des trüben Wetters verschlafen haben (war ja die größte Sorge von Herrn Van der Bellen), dann hier die Information: Es bleibt weißer Rauch in der Hofburg. Sascha ist’s für weitere sechs Jahre geworden.

Zurück zu unserem neuen Nobelpreisträger. In einem der ersten vielen Interviews verriet Herr Professor Zeilinger dem Journalisten und Moderator Martin Thür, dass er seine Leidenschaft für die Physik seinem damaligen Lehrer zu verdanken hat. Auf Thürs Frage, wie man den Schülern das Fach Physik näherbringen könnte, meinte Zeilinger: „Es muss die Begeisterung weitergegeben werden. Die Inhalte sind sekundär. Begeisterung und Neugier sind wichtig in der Schule.“ Zudem bemängelte Zeilinger die fehlende öffentliche Aufklärung durch zu wenige wissenschaftliche Journalisten. In beiden Punkten muss ich Herrn Professor Zeilinger ohne auf empirische Daten zu beharren, recht geben. Bei vielen Medienhäusern wird im wissenschaftlichen Ressort seit Jahren massiv eingespart. Somit bleiben bei Geschichten Basis- und Hintergrundinformationen auf der Strecke.

In den Schulen sieht es fast noch dramatischer aus. Warum? Um kritik- und urteilsfähige Mitmenschen als Ergebnis der Schuljahre zu bekommen, sind viele Faktoren nicht gegeben. Zwei davon hat Herr Zeilinger schon aufgezählt: Begeisterung und Neugierde. Beides kann eine Basis eines Schülers sein und bei allem Respekt für die Lehrer. Jedes Kind bringt diese Voraussetzung mit. Man muss diese nur bewahren und fördern und nicht im Keim ersticken. Sehr viele Lehrer haben die Gabe, dieses Feuer größer werden zu lassen. Andere wiederum schaffen es, in kürzester Zeit Leidenschaft und Begeisterung zu vernichten. Hinzu kommen noch Lehrplanvorschriften. Beispiel das Fach Geschichte. In vielen Oberstufenschulen mit Spezialzweigen gibt es kaum oder gar keinen Geschichtsunterricht mehr. Warum? Weil man bis zur neunten Schulstufe alles über uns und unsere Vergangenheit gelernt haben sollte? Wie soll das in dem engmaschigen Lehrplan funktionieren? Kinder und Jugendliche können doch erst jetzige Ereignisse weltweit begreifen und vor allem richtig einordnen, wenn sie den historischen Zusammenhang verstehen. Wenn am 3. Oktober in Deutschland Menschen an den sogenannten Montagsdemos mitmachen, die nachweislich mit einer rechtsradikalen Gesinnung sympathisieren, dann haben diese Menschen ihre eigene Geschichte nicht verstanden. Wenn Kinder und Jugendliche die täglichen Bilder von Kriegsschauplätzen auf der Welt sehen, aber die Zusammenhänge nicht verstehen können, weil sie es nicht gelernt haben, dann ist das nicht nur schade, sondern auch gefährlich. Wenn religiöse, ideologische oder politische Strömungen Begeisterung und Neugierde bei Kindern und Jugendlichen wecken und diese aber kein historisches Hintergrundwissen haben, dann haben wir als Gesellschaft, dann hat das Bildungssystem eben nicht alles richtig gemacht. Wenn sich Österreich rühmt, Grundlagenforschung in der Wissenschaft zu fördern, dann sollte bitte auch die Förderung von Grundlagenwissen in der Schule auf der Tagesordnung stehen. Neugierde und Begeisterung wären ja vorhanden.

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Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

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