Leserbrief
Waidhofner Raphael Kößl: Menschenrechte für alle?
"Ich stelle mir oft die Frage, was passieren muss, damit die vielen christlich-sozial eingestellten Menschen, die in der „alten“ ÖVP jahrzehntelang ihre politische Heimat gefunden haben, dieser Partei den Rücken kehren?", schreibt uns Waidhofner Raphael Kößl in einem Leserbrief.
WAIDHOFEN/YBBS. Das ambitionierte EU-Lieferkettengesetz ist am Widerstand der deutschen FDP und der österreichischen ÖVP vorerst gescheitert. Es hätte große Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang der gesamten Lieferkette verpflichtet.
Die EU als zweitgrößter Wirtschaftsraum der Erde hätte damit ein klares Signal an globale Konzerne ausgesendet: ab jetzt seid ihr dafür haftbar, wenn ihr Menschen ausbeutet, Kinder für eure Profite schuften lasst oder die Umwelt und das globale Klima vergiftet. Wo ihr menschenrechtskonforme Produktion nicht garantieren könnt, dort müsst ihr bessere Kontrollen durchführen – oder eure Herstellung z.B. nach Europa zurückverlagern, wo der Schutz von Arbeiter:innen gesetzlich besser geregelt ist.
Mit ihrem Abstimmungsverhalten offenbart die ÖVP (die FPÖ wettert schon seit Monaten gegen das Gesetz), dass sie eine menschenrechtsvergessene, in ihrer Identität zutiefst nationalistische Partei ist: Menschenrechte bitte nur für die Europäer:innen, die anderen 7,5 Milliarden Menschen sollen in kolonialer Tradition rechtelos in 14-h-Tagen für die Profite von Konzernen ausgebeutet werden. Oder anders gesagt: Was interessieren uns die Lebenschancen von südamerikanischen Kindern, wenn die Rendite unserer Aktionäre und Parteispender geschmälert werden könnte?
Ich stelle mir oft die Frage, was passieren muss, damit die vielen christlich-sozial eingestellten Menschen, die in der „alten“ ÖVP jahrzehntelang ihre politische Heimat gefunden haben, dieser Partei den Rücken kehren?
Mit dem Nein zum Lieferkettengesetz hat die ÖVP einmal mehr bewiesen, dass sie Politik für die wenigen Über-Reichen (=über die Maßen Reichen) macht. Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit spielen für sie keine Rolle.
PS; Das EU-Lieferkettengesetz hätte auch dazu beigetragen, den Migrationsdruck nach Europa zu verringern, weil ein wesentlicher Fluchtgrund – Ausbeutung und Perspektivlosigkeit – damit reduziert worden wären. Echte Hilfe vor Ort.
PPS: Die Fairtrade-Bewegung zeigt seit 45 Jahren, dass es möglich ist, globale Lieferketten zu kontrollieren und einen gerechten Handel auf Augenhöhe zu praktizieren. Produkte des fairen Handels sind in den Weltladen erhältlich.
Raphael Kößl, Waidhofen/Ybbs
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