"Ich will leben"

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Ein ewiges Warten

Von allen Seiten werden wir begrüßt, als wir das Cafe in Oberperfuss betreten. Morad Bazar ist ein bekanntes und gerngesehenes Gesicht im 3000 Einwohner großen Dorf. Er hat hier viele Freunde, spricht Deutsch und lässt auch ab und zu einen Satz im tiefsten Tirolerisch fallen.
Morad, jetzt 25 Jahre alt, flüchtete vor 11 Monaten aus Palästina. Jetzt lebt er zusammen mit anderen Flüchtlingen im Asylheim und wartet auf seinen Bescheid. Er möchte arbeiten und hat bereits in Palästina als Malermeister auf verschiedenen Baustellen gejobbt. In Österreich ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber allerdings äußerst beschränkt. Abgesehen von gemeinnütziger Arbeit gibt es keine Möglichkeiten. Dabei bemüht Morad sich aus Leibeskräften ein volles Mitglied der Gesellschaft zu werden. Er legte seine Deutschprüfung ab, half nach den Murenabgängen in Sellrain bei den Aufräumarbeiten, trainiert in der zweiten Mannschaft des lokalen Fußballvereins und geht regelmäßig unter die Leute. Des Öfteren betont er, wie nett die Leute in Oberperfuss sind und ist durchaus dankbar. Dennoch fressen ihn Langeweile und das lange Warten auf. Ein Jahr ist nun beinahe vorbei. Trotz großer Bemühungen, auch seitens der Gemeinde, die ihn mit diversen Schreiben unterstützen, kam noch keine endgültige Rückmeldung.
In Oberperfuss ist der junge Mann in Sicherheit, aber er ist schon "zu lange zu Hause ohne Arbeit", wie er mir erzählt. Das Warten macht müde, doch er hilft wo er kann, spielt für seine syrischen, afghanischen und tschetschenischen Kollegen im Heim den Dolmetscher und begleitet sie zum Arzt, wenn sie eine Begleitung benötigen. Ein normales Leben bleibt ihm dennoch verwehrt. "Das ist schwer für mein Herz", sagt Morad, "ich will Leben".

Ein Leben in Angst

Palästina geriet in der Vergangenheit aufgrund des Nahostkonflikts mit Israel immer wieder in die Schlagzeilen. Der bis heute andauernde Krieg sowie der im Land vorherrschende Bürgerkrieg, machen das Leben dort untragbar. Für Morad kam zu den ständigen Auseinandersetzungen noch die belastende familiäre Situation hinzu. Als er dann von den palästinensischen, wie auch von den israelischen Behörden mehrmals eingesperrt und geschlagen wurde, weil er einerseits verdächtigt wurde, Hamas zu sein, andererseits Befürchtungen im Raum standen, dass er die israelischen Soldaten unterstütze, gab es für den jungen Mann keinen anderen Ausweg mehr, als zu fliehen. Mit Schleppern ging es über das Mittelmeer, danach weiter mit den LKW bis über die österreichische Landesgrenze. Eine Woche lang war er auf gefährlichen Straßen unterwegs. Als ich ihn fragte, ober denn keine Angst gehabt habe, sagte er "Angst? Nein. Zu Hause hatte ich Angst."

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