Muttertag zu Corona-Zeiten
"60-Stunden-Woche und nebenbei unterrichten - das klappt nicht"
Die Allgemeinmedizinerin Ingrid Schossmann (45) hat, wie die meisten Ärzte auch, in der Corona-Krise geöffnet und für ihre Patienten alle Hände voll zu tun. Daneben managt sie den Schulalltag ihrer drei Kinder. Wie für viele Mütter eine starke Belastungsprobe.
Schossmann hat drei Kinder zwischen sieben und 13 Jahren, die seit Schließung der Schulen von zu Hause aus lernen und ihre Schulaufgaben machen müssen. Sie selbst arbeitet seit Wochen 60 bis 70 Stunden, ihr Mann ist selbständig und arbeitet im Homeoffice.
RMA: Wie bringen Sie ihren Beruf als Ärztin unter einen Hut mit Lernen, Frau Schossmann?
Es geht sich nicht wirklich aus. Ich habe den Lehrern mitgeteilt, dass ich voll arbeiten muss und sie um Verständnis gebeten, dass wir mit den Kindern nicht im gewünschten Ausmaß lernen können. Manche Lehrer haben das gut verstanden. Die beiden jüngeren Kinder schaffen ihre Aufgaben einfach nicht alleine. In ihrem Alter ist das auch nicht zu erwarten. Die Kinder sind auch teilweise überfordert, ihre Aufgaben und den Lernstoff auf die richtigen Plattformen hochzuladen.
Lernt Ihr Mann mit den Kindern?
Teilweise schon, aber dadurch, dass er selbständig ist, muss er ebenfalls viel arbeiten, weil er jetzt weniger Umsatz hat. Wir spüren das finanziell. Die Kinder versorgen sich teilweise selbst, kochen sich jetzt selbst, sind aufeinander angewiesen.
Spüren Sie ebenfalls einen finanziellen Nachteil?
Insgesamt habe ich jetzt weniger Patienten, aber dafür fallen andere, Zeit intensive Dinge an. Ich habe die letzten Wochen zwischen 60 bis 70 Stunden gearbeitet, ich betreue bis zu 130 Patienten am Tag, teils telefonisch, teils elektronisch, aber auch persönlich. Nur ein paar wenige Dinge kann ich von zu Hause aus erledigen. Ich mache extrem viele Hausbesuche, betreue ein Altenheim. Ich habe drei Angestellte, für die ich Verantwortung trage.
Wie kommen Sie zu Schutzausrüstung?
Ich muss selbst die Schutzkleidung organisieren, es gibt nach wie vor einen Mangel, das kostet mich weitere fünf bis zehn Stunden pro Woche. Ich habe anfangs aus eigener Tasche Schutzausrüstung gekauft, eine Kollegin hat das über einen Kontakt zu einem Baumarkt organisiert, sonst hätten wir keine bekommen. Jetzt erhalten wir einmal in der Woche von der Ärztekammer ein "Überraschungspaket" mit Schutzausrüstung, die muss man sich allerdings selbst abholen, was natürlich auch Zeit kostet.
Wie geht es Ihnen als Mutter?
Zeit mit den Kindern zu verbringen kommt jetzt zu kurz. Natürlich schwingt da auch schlechtes Gewissen mit. Meine karge Freizeit will ich aber nicht nur mit Schulaufgaben verbringen, das ist nicht gut für die Psyche der Kinder.
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