Spielzeugreparatur auf der Wieden
Die "Puppenklinik" richtet es
Ob kaputte Glieder, zerrissene Kleider oder herausfallende Augen: In der Puppen-Klinik wird alles wieder heil.
WIEN/WIEDEN. Die meisten Erwachsenen sehen in Puppen entweder ein banales Kinderspielzeug oder Monster aus Horrorfilmen. Nicht so Manfred Reichel: Der ehemalige Dekorateur betreibt seit 27 Jahren in der Heumühlgasse 5 seine eigene Puppen-Klinik.
Dort repariert er beschädigte Puppen und haucht ihnen neues Leben ein. "Seit ich 18 Jahre alt war, interessiere ich mich für Gliederpuppen", schildert Reichel. "Eine Gliederpuppe hat so viele Gelenke, dass sie leicht bewegt werden kann. Das hat mich fasziniert."
Doch obwohl seine Faszination für Puppen schon früh begonnen hat, entschloss er sich erst mit 30 Jahren, nachdem er seine Anstellung als Dekorateur in einem großen Möbelhaus verloren hatte, sein Hobby zum Beruf zu machen.
Biedermeier bis Moderne
"Ich habe mich auf die Suche nach einem schönen Geschäft begeben, in dem ich mich verwirklichen konnte", so Reichel. 1996 war es dann so weit: Er eröffnete in einem kleinen Geschäftslokal, in dem einst eine Schneiderei zu finden war, seine Puppen-Klinik. Seine "Patientinnen" stapeln sich seither von Wand zu Wand. Sobald eine von ihrem Besitzer abgeholt wird, kommt schon die nächste dazu.
Wenn man seine Augen über die Sammlung schweifen lässt, entdeckt man beinahe jede Puppenart, die man sich nur vorstellen kann – angefangen bei den deutschen Original-Barbies aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bis hin zu den Baby Dolls aus den 2000ern. "Ich habe auch schon Biedermaier-Puppen aus den 1820er-Jahren repariert", erinnert sich Reichel. "Ich habe eine große Liebe zur Barbie der Anfangszeit. Privat sammle ich auch Modepuppen aus dem 19. Jahrhundert, für die ich in meiner Freizeit Kleider nähe."
Sammler und Historiker
Das Handwerk hat sich der ehemalige Dekorateur selbst beigebracht. Mittlerweile richtet er nicht nur Puppen wieder her, sondern auch Teddybären, Stofftiere und Eisenbahnen, kurzum: nicht-elektronisches Spielzeug, das man in jedem Kinderzimmer findet. "Wenn man mich danach fragt, kaufe ich auch spezielle Puppen an", so Reichel.
Sein Interesse an Puppen beschränkt sich jedoch nicht nur auf deren Reparatur: Er ist auch leidenschaftlicher Sammler. "Von den ersten Barbies besitze ich ungefähr 40 Stück", verrät er. So wie viele Sammler fokussiert auch er sich in seinem Hobby vor allem auf Spielzeug aus seiner eigenen Kindheit. Jüngere Puppen interessieren ihn eher weniger.
Im Laufe seiner Karriere hat er sich auch viel Wissen über die überraschend detailreiche Geschichte des europäischen Spielzeugs angeeignet. "Jede Puppe, die auf meinen Tisch kommt, erzählt eine Geschichte. Das ist das Schöne an meiner Arbeit", lächelt Reichel.
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