(Un)sichtbare Orte des Unrechts: Gedenktafel für Opfer der NS-Justiz

Barbara Neuroth und Matthias Lichtenwagner vor dem Gebäude, in dem heute die bulgarisch Botschaft untergebracht ist.
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WIEDEN. Die Wieden ist ein geschichtsträchtiger Bezirk. Wer aufmerksam durch die Straßen schlendert, wird an vielen Ecken Gedenktafeln für berühmte Persönlichkeiten oder Ereignisse finden. Orte wie die Karlskirche sind wahre Touristenmagneten. Mit den Stimmen von SPÖ und Grünen hat die Wiedener Bezirksvertretung nun beschlossen, den Blick auf einen Ort zu legen, der im öffentlichen Bewusstsein noch nicht verankert ist.

Während der nationalsozialistischen Diktatur befand sich in der Schwindgasse 8 – Schwarzenbergplatz und Karlskirche sind in unmittelbarer Nähe – ein Militärgericht der Luftwaffe. Auch das Reichskriegsgericht hatte da eine Außenstelle. Heute ist hier die bulgarische Botschaft untergebracht. "Wir wollen, dass nicht aus dem Bewusstsein verschwindet, was sich hier zugetragen hat", sagt die grüne Bezirksrätin Barbara Neuroth: "Deshalb hat der Bezirk jetzt beschlossen zu prüfen, ob hier eine Gedenktafel angebracht werden kann." Zuständig dafür ist die MA 7. Einen Terminplan gibt es noch nicht. "Aber der Stein ist jetzt einmal ins Rollen gebracht. Jetzt heißt es dranzubleiben."

Geschichtliche Aufarbeitung

Mathias Lichtenwagner ist Wissenschaftler am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Ausführlich hat er sich mit der NS-Militärjustiz in Wien beschäftigt und befürwortet die Pläne des Bezirks. "Der Erfolg des Deserteursdenkmals am Ballhausplatz zeigt, wie wichtig solche Gedenkorte sind."

In Wien habe es ein regelrechtes Netzwerk der Militärjustiz gegeben, so Lichtenwagner: "Nach dem 'Anschluss' Österreichs musste die Militärjustiz in Wien Räumlichkeiten finden. Deshalb findet man in vielen Bezirken Spuren davon. In Neubau war in der Hermanngasse 38 ein Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht. Hinrichtungen wurden in Kagran durchgeführt."

Orte des Widerstands

Die Motive zum Desertieren seien vielschichtig gewesen, so Lichtenwagner. Die Akten berichten von Selbstverstümmelungen, um nicht an die Front zu müssen, oder davon, dass Soldaten während eines Fronturlaubes untertauchten. "Unter den Deserteuren sind Christen, die aus moralischen Gründen verweigert haben. Aber auch überzeugte Nationalisten, die gegen Ende des Krieges keinen Sinn für das Weiterkämpfen gesehen haben." Auch aktive, rote Widerstandskämpfer wurden in der Schwindgasse verhört. "Zum Beispiel eine Flakoberhelferin aus der Steiermark, die Teil einer kommunistischen Widerstandsgruppe war", erzählt Lichtenwagner: "Sie wurde gegen Ende des Krieges zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde aber nicht vollstreckt."

Die Aufarbeitung der NS-Militärjustiz verlief in Österreich stets schleppend. "Nach 1945 wurden drei Militärrichter in Österreich angeklagt. Keiner von ihnen wurden verurteilt", so Lichtenwagner. Erst im Jahr 2002 wurden Deserteure und Wehrdienstverweigerer vom Nationalfonds als Opfer des NS-Regimes anerkannt. Im Jahr 2009 erklärte der Nationalrat alle Urteile der NS-Militärjustiz für ungültig und rehabilitierte mit großer Verspätung die Opfer. Durch die Gedenktafeln sollen sie sichtbar werden.

Mahnung für die Zukunft

Barbara Neuroth möchte bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit die Gegenwart nicht vergessen. "Die Zeiten entwickeln sich wieder in eine sehr schwierige Richtung", sagt sie: "Geschichtliche Aufklärung ist gerade jetzt wichtig. Überall stehen Heldendenkmäler herum. Für NS-Opfer gibt es vergleichsweise wenig." Auch Mathias Lichtenwagner findet es wichtig, sich in den Bezirken mit dem Thema zu beschäftigen: "Ich habe in Wien 25 Orte gefunden, an denen die Militärjustiz in Wien eine Rolle gespielt hat. Längst nicht alle haben eine Gedenktafel." Barbara Neuroth hofft, dass sich dies zumindest auf der Wieden bald ändert. "Vor einigen Jahren ist das Thema im Bezirk diskutiert worden", sagt sie: "Dann ist die Sache eingeschlafen. Ich bin froh, dass es eine Mehrheit für die Gedenktafel gibt."

Zur Sache
Über das Militärgericht in der Schwindgasse und andere Zeugnisse der NS-Zeit auf der Wieden informiert am 28. April ab 16 Uhr ein Bezirksrundgang. Treffpunkt ist der Karlsplatz, Ecke Wiedner Hauptstraße/Treitlstraße, bei der evangelischen Schule.

Barbara Neuroth und Matthias Lichtenwagner vor dem Gebäude, in dem heute die bulgarisch Botschaft untergebracht ist.
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